Es geht sogar ohne Doktor, zumindest bis Ruhpolding, dem zweiten Zielort, hat es Milram bei der 30. Bayern-Rundfahrt auch ohne eigenen Teamarzt ins Etappenziel geschafft. Im oberbayerischen Wintersport-Dorado kamen zwar, wie sinnig in diesen von Wiener Geschichten geprägten Tagen des Radsports, zwei österreichische Fahrer zuerst an, Markus Eibegger vor seinem Elkhaus-Kameraden Stefan Denifl. Aber Milrams Kapitän Linus Gerdemann war Passagier der Spitzengruppe und hat nun gute Karten für den Gesamtsieg. Überdies wirkte er nach der Bergetappe erfreulich fidel.

Eigentlich hätte ja Mark Schmidt Gerdemanns Milram-Team betreuen sollen, doch Manager Gerry van Gerwen zog den Erfurter Sportarzt nach den öffentlich vagen, für Insider wie den Ex-Gerolsteiner-Chef Hans-Michael Holczer indes klaren Vorwürfen des Wiener Dopingkronzeugen Bernhard Kohl über die gemeinsame Zeit bei Gerolsteiner vorsorglich ab. Das für Donnerstag geplante Treffen mit dem suspendierten Arzt gab es nun doch nicht. "Er möchte das seinen Vater machen lassen", sagt van Gerwen, "der ist Anwalt".
Van Gerwen betont, juristisch sei die Sache kompliziert, Beweise für Dopingpraktiken Schmidts (der diese bestreitet) bei dessen früherem Arbeitgeber gebe es ja bisher nicht. "Außerdem steht dahinter ja auch ein Mensch." Andererseits, sagt er, "geht es vor allem um das Vertrauen von Fans und Sponsoren. Wenn das nicht zurückkommt oder neu entwickelt wird, bleibt nichts anderes als die Trennung von Mark übrig."
Einen Zweijahres-Vertrag hatte Schmidt, 31, unterschrieben bei Milram, das 15 Personen aus dem im Herbst 2008 geschlossenen Gerolsteiner-Rennstall übernahm; für mindestens 100 und bis zu 170 Tage pro Saison galt die Vereinbarung mit van Gerwen. Zuvor hatte Schmidt das Vertrauen Holczers genossen, der nach Kohls Darstellungen aber nun auf eine juristische Klärung der Causa drängt.
Denn nicht nur Gerald Tatzgern, Sprecher der Wiener Sonderkommission Doping, mit der Kohl "sehr kooperiert", hat den Auftritt des Rad-Sünders am Montagabend in der ARD mit Zufriedenheit verfolgt: "Wir sahen da keine einzige Information, die aus dem Ruder gelaufen wäre." Auch Holczer war beeindruckt, er steckt seither in tiefem Zweifel: Kohl solle ihm Details liefern, dann wolle er Schmidt damit konfrontieren.
Der Kontakt zu dem Erfurter Arzt sei 2006 über Profi Sebastian Lang entstanden, sagt Holczer, Schmidt habe damals "am Olympiastützpunkt und in der Sportarztpraxis seiner Mutter" gewirkt. Er selbst, sagt Holczer, habe dann den Kontakt zur Klinik Hellersen hergestellt, wo Ernst Jakob arbeitet, "unser seit 2005 betreuender Teamarzt". Schmidt habe noch Ausbildung benötigt. "2008 wurde er in Hellersen angestellt und an uns entsandt", sagt Holczer, und klar, er habe mit Jakob über Kohls Vorwürfe gesprochen. "Jakob kann sich das auch nicht vorstellen", sagt Holczer, der habe "nie ein verdächtiges Verhalten" registriert.
Indes schließen sich im Radsport immerzu dieselben Kreise. Auch Jakob hatte Holczer ja bis zum Ende an Bord, obwohl der aus Sicht eines vermeintlichen Antidoping-Kämpfers als angreifbar hätte gelten müssen. Jakob betreute einst bei den Teams Coast und Bianchi den später überführten Fuentes-Kunden Jan Ullrich, er arbeitete 15 Jahre eng mit dem Freiburger Olympia-Arzt Joseph Keul zusammen, dem Nähe zum Doping nachgesagt wurde.
Und Jakob - der Dopingvorwürfe stets bestritt - irritierte 2006 als DSV-Arzt, als er erhöhte Blutwerte bei der Langläuferin Evi Sachenbacher während der Turiner Winterspiele mit einer genetischen Disposition erklärte. Experten und der Sportgerichtshof Cas wiesen diese Annahme zurück.
Dass sich der Radsport fast ausnahmslos aus dem eigenen Ärztebestand bedient, ist für Außenstehende schwer nachzuvollziehen. Hans Geyer, Dopingfahnder am Kölner Institut, vermutet, "dass die Ärzte im Radsport viel von ihren Athleten erfahren und auch von bestimmten Dingen abraten - wenn sie aber Dinge in der Grauzone des Dopings nicht machen, werden sie vielleicht ausgewechselt". Zugleich aber bedürfe es in dem Metier "wirklich Spezialisten", sagt Geyer. "Man braucht im Radsport viel Erfahrung, um die enorme Belastung zu kennen, Verletzungen nach Stürzen, die besondere Ernährung." Irgendein Sportarzt könne das nicht.
Van Gerwen sieht das ähnlich. Doch die Causa Schmidt lehre ihn nun, "künftig noch genauer hinzugucken". Skepsis hatte stets auch Kollege Holczer für sich reklamiert, der zehn Jahre die Gerolsteiner-Equipe führte und nun betroffen aufs Lebenswerk blickt. Zumal auch seine Ärzte ins Visier geraten. Auch Holczer hat hier nicht genau hingeschaut.
Er hatte etwa 2002 nicht nur den jetzt überführten Rebellin verpflichtet, sondern auch dessen Leibarzt Giuliano Peruzzi. Beide kamen von Liquigas, waren in den Dopingskandal verwickelt, der einer Razzia beim Giro 2001 folgte. Von Rebellin existierte gar ein Polizeivideo, während Peruzzi seit dem Gerichtsverfahren einen zweifelhaften Ruf besitzt.
Wen nun von Milram bei der Bayern-Tour etwas plagt, der kann sich an den Rennarzt des Veranstalters Ewald Strohmeier wenden, Achim Spechter. Der war mehrere Jahre Teamarzt. Bei Gerolsteiner.