Süddeutsche Zeitung

Radprofi Lance Armstrong:Lance Armstrong lebenslang gesperrt

Ein verlorenes Jahrzehnt: Lance Armstrong verzichtet auf seine Anhörung bei der US-Anti-Doping-Agentur, was für die Ermittler einem Schuldeingeständnis gleichkommt. Die Agentur hat ihn nun bereits lebenslang gesperrt und fordert die Streichung aller Ergebnisse seit 1998 - also auch die sieben Tour-de-France-Siege. Schließlich könnte sogar Jan Ullrich davon profitieren.

Carsten Eberts

Lance Armstrong ist von der US-Anti-Doping-Agentur USADA lebenslang gesperrt worden. Zudem sollen alle Ergebnisse seit dem 1. August 1998 gestrichen werden, damit auch seine sieben Siege bei der Tour de France von 1999 bis 2005. Allerdings kann nur der Radsport-Weltverband UCI dem Amerikaner die Titel aberkennen.

Als er sich entschieden hatte, dass es vorbei ist, schaltete Lance Armstrong in den Mitleidsmodus. "Es kommt ein Punkt im Leben, da kann man nur noch sagen: 'Genug ist genug'", schrieb Armstrong auf seiner Homepage. Es war die persönliche Erklärung eines Mannes, der in der Stunde seiner Niederlage dennoch versuchte, trotzig sein Gesicht zu wahren.

In der Nacht zum Freitag hat Armstrong nach jahrelangen Ermittlungen seine Doping-Vergehen eingestanden - das hat er so zwar nicht formuliert, man kann das Statement, das er auf seiner Homepage lancearmstrong.com veröffentlichte, jedoch so werten. Armstrongs Weigerung, an dem Verfahren der US-Anti-Doping-Agentur Usada teilzunehmen, kommt für die Dopingjäger einem Eingeständnis gleich.

Armstrong sieht das freilich etwas anders. Für ihn ist er selbst nicht Täter - sondern Opfer. "Ich habe mich seit 1999 mit Betrugsvorwürfen herumschlagen müssen", schrieb Armstrong weiter, "dies hat meiner Familie, der Arbeit mit meiner Stiftung und mir einen zu hohen Zoll abverlangt und bringt mich heute an den Punkt, mit diesem Unsinn abzuschließen." Wenn er eine Chance gesehen hätte, in einer fairen Umgebung die Vorwürfe widerlegen zu können, hätte er sie selbstverständlich ergriffen, erklärte Armstrong: "Aber ich weigere mich, in einem einseitigen und unfairen Prozess mitzumachen."

Damit endet vermutlich die längste Dopingjagd der Radsport-Geschichte. Von den Ermittlern war Armstrong in die Enge getrieben worden; zuletzt hatte ein Bezirksgericht in Austin, Texas, Armstrongs Widerspruch gegen die Klage der Usada abgewiesen. Er stand damit vor der Wahl: Entweder er akzeptiert die ihm lebenslange Dopingsperre. Oder ihm wird im November der Prozess vor einem unabhängigen Schiedsgericht gemacht. Spätestens da hätte er sich detailliert äußern müssen.

Armstrong hat sich für den ersten Weg entschieden. "Das ist ein trauriger Tag für alle von uns, die den Sport und unsere Athleten-Helden lieben", teilte Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur Usada, in einem Schreiben mit. Der Fall sei "ein Herzen brechendes Beispiel" wie die Kultur des "Siegens um jeden Preis" einen sauberen und fairen Sport verhindere.

Auch Wada-Chef John Fahey erklärte: "Er hatte das Recht, die Vorwürfe auseinanderzunehmen, aber er hat sich dagegen entschieden. Daher ist unter diesen Umständen die einzige Deutung, dass diese Vorwürfe Substanz hatten."

Die Vorwürfe gegen Armstrong waren massiv: jahrelange Doping-Praktiken in seinen Teams, der Gebrauch verbotener Methoden wie Blutdoping, die Einnahme annähernd aller gängigen, verbotenen Mittel. Zahlreiche Kronzeugen, darunter Ex-Kollegen wie Floyd Landis und Tyler Hamilton, wollten gegen ihn aussagen. Armstrong entschied, dass er es zu diesem Verfahren lieber nicht kommen lässt.

Für den US-Amerikaner endet damit ein jahrelanges Versteckspiel. Immer wieder waren ihm die Fahnder auf der Spur, stets schaffte es Armstrong, im letzten Moment zu entwischen. Mit Hilfe juristischer Winkelzüge, einer Menge Glück - und dem Verweis auf eine frühere Krebserkrankung, die ihm gestattete, Medikamente zu nehmen, die anderen Sportlern verboten sind.

Im Juli 2004, fünf Jahre nach seinem ersten Tour-de-France-Sieg, erhoben die Journalisten David Walsh und Pierre Ballester in ihrem Buch "L.A. Confidential - Les secrets de Lance Armstrong" erstmals schwere Vorwürfe. Armstrong klagte gegen beide, er verlor, der Fall wurde jedoch keinem Gericht zugestellt. Wenige Monate darauf wurde der italienische Arzt Michele Ferrari, mit dem auch Armstrong zusammenarbeitete, wegen Sportbetrugs zu einer Haftstrafe verurteilt. Armstrong beendete zumindest offiziell die Zusammenarbeit. Auch dieser Fall wurde nicht weiter verfolgt.

Als ihn 2005 die bei der Tour 1999 eingefrorenen Dopingproben wieder einholten (sie enthielten Spuren von Epo), hatte Armstrong erneut Glück: Armstrongs Vergehen galt zwar eigentlich als bewiesen, der Weltverband UCI vertrat jedoch den Standpunkt, die Proben seien sportjuristisch nicht mehr verwertbar. Es folgten die Doping-Anschuldigungen seiner früheren Teamkollegen Landis und Hamilton, außerdem die Betrugs-Recherchen des US-Ermittlers Jeff Novitzky zur Verschwendung von Steuergeldern gegen das Team US Postal, die ein Staatsanwalt im Frühjahr unter fragwürdigen Umständen beendete. Sanktioniert wurde Armstrong erneut nicht.

Die lebenslange Sperre für Armstrong ist ein schwerer Schlag für den Radsport. Alle Ergebnisse Armstrongs seit dem 1. August 1998 sollen gestrichen werden, sagte Usada-Chef Tygart der Nachrichtenagentur AFP. Der sportliche Wert einer ganzen Radsport-Generation wäre damit ad Absurdum geführt: Fast ein Jahrzehnt lang hatte Armstrong den Radsport dominiert, von 1999 bis 2005 gewann er siebenmal die Frankreich-Rundfahrt. Werden ihm die Titel nun aberkannt, müssen sie eigentlich anderen Sportlern zugesprochen werden. Die fast alle nicht mehr aktiv sind.

Ob davon sogar Jan Ullrich profitieren könnte, ist unklar. Der deutsche Tour-Sieger von 1997 kam in den Jahren 2000, 2001 und 2003 jeweils als Zweiter hinter Armstrong ins Ziel. Zwar wurde Ullrich unlängst wegen der Verwicklung in den Skandal um Dopingarzt Eufemiano Fuentes für schuldig befunden, sein dritter Platz bei der Tour 2005 wurde ihm aberkannt. Die drei zweiten Plätze aus den Jahren zuvor wurden jedoch nicht belangt.

Jan Ullrich, ein nach Aktenlage überführter Dopingsünder, könnten damit nachträglich drei weitere Tour-de-France-Titel zugesprochen werden. So absurd kann der Radsport sein.

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