Rad-Rundfahrt:Schwung für den Radsport mit der Deutschland-Tour

Rad-Rundfahrt: Namhafter Teilnehmer: Der Waliser Geraint Thomas reist mit der Empfehlung des Gesamtsiegs bei der diesjährigen Tour de France an. Foto: Ben STANSALL / AFP

Namhafter Teilnehmer: Der Waliser Geraint Thomas reist mit der Empfehlung des Gesamtsiegs bei der diesjährigen Tour de France an. Foto: Ben STANSALL / AFP

(Foto: Ben Stansall/AFP)
  • Nach dem Start der Tour de France in Düsseldorf im vergangenen Jahr findet nun ein Großevent des Radsports komplett in Deutschland statt.
  • Der Name "Deutschland-Tour" wird nach zehn Jahren Eiszeit wieder neuaufgelegt.
  • Veranstalter ist die Amaury Sport Organisation, die ebenfalls die Tour de France organisiert.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Aus rein sportlicher Sicht war es kein besonders erinnerungswürdiger Tag, an dem vor zehn Jahren im September-Regen auf einem Rundkurs in Bremen ein Einzelzeitfahren stattfand. Der heute immer noch sehr bekannte Tony Martin gewann damals den Tagesabschnitt, der heute nicht mehr so bekannte Linus Gerdemann verteidigte sein Führungstrikot, und damit war die Deutschland-Tour 2008 vorbei. Eingeprägt hatte sich dieser Tag allenfalls in der Nachbetrachtung, weil es sich bei dem Zeitfahren von Bremen um die bis heute letzte Etappe einer Deutschland-Tour handelte.

An diesem Donnerstag startet in Koblenz nach zehnjähriger Pause mal wieder eine Rad-Rundfahrt unter diesem Namen. Formal kommt sie eher bescheiden daher. Nur vier Etappen sind vorgesehen, erst eine flache (nach Bonn), dann drei etwas anspruchsvollere (nach Trier, Merzig und Stuttgart). 737,5 Kilometer ist die Tour insgesamt lang, und der Rad-Weltverband stufte sie nur als zweitklassig ein.

Aber es gehen trotzdem einige große Namen an den Start, deutsche Spitzenfahrer wie Sprinter Marcel Kittel sowieso, aber auch der walisische Tour-de-France-Sieger Geraint Thomas oder sein im Sommer ärgster Rivale Tom Dumoulin (Niederlande). Die werden zwar eher nicht um den Sieg mitfahren, aber um Aufmerksamkeit zu erzeugen, sind sie bestens geeignet. Und Aufmerksamkeit zu erzeugen, das ist das Hauptziel dieser Deutschland-Tour - und insbesondere des Ausrichters, der Amaury Sport Organisation (Aso).

Wie in keinem anderen Land hatte das chronische Dopingproblem des Sports in Deutschland nicht nur die Aufmerksamkeit und die Sympathie des Publikums, sondern auch viele Veranstaltungen weggespült. Nahezu alle Mehrtagesrennen wurden über die Jahre eingestellt, nicht nur die bundesweite Tour, sondern auch die durchaus angesehenen Rundfahrten durch Bayern, Rheinland-Pfalz oder Hessen. Andererseits sehen viele Protagonisten der Rad-Szene aber in Deutschland einen großen Markt, allen voran die Aso.

Die französische Organisation zählt traditionell zu den mächtigsten Protagonisten in der Rad-Welt. Sie steckt nicht nur hinter der Tour de France, dem wichtigsten Rennen des Jahres, sondern auch hinter diversen anderen Veranstaltungen, von der Spanien-Rundfahrt bis zum Kopfstein-Klassiker Paris - Roubaix. Und seit einigen Jahren fokussiert sich die Aso auch auf Deutschland. Im Vorjahr durfte Düsseldorf den Grand Depart und die erste Etappe der Frankreich-Rundfahrt austragen, nun folgt also die Deutschland-Tour. "Für uns ist Deutschland historisch ein sehr wichtiger Markt, es ist der zweitgrößte Markt nach Frankreich, und es ist ein Markt, in dem Sport vom Sport her lebt, wo es gerade eine goldene Generation an Fahrern gibt", sagt Claude Rach, ein gebürtiger Luxemburger, der als Aso-Verantwortlicher für die Deutschland-Tour fungiert.

Das Radsport-Image ist nach wie vor angeschlagen

Entsprechend umfangreich steigen sie auch ein. Einen "relativ hohen siebenstelligen Betrag" lasse sich seine Organisation die Angelegenheit kosten, sagt Rach. "Es ist uns bewusst, dass das ein Risiko ist, das wir von uns aus mittragen." In den vergangenen drei Jahren haben sie dabei mehrmals gespürt, dass der Radsport in Deutschland immer noch ein angeschlagenes Image hat, allen Erfolgen von Degenkolb, Kittel & Co. zum Trotz.

Die Sieger der Deutschland-Tour

Die Deutschland-Tour gab es in etlichen Anläufen seit 1911, als der Sossenheimer Hans Ludwig gewann. Meistens wurde sie sofort wieder eingestellt. Rundfahrten über einen längeren Zeitraum gab es von 1979 bis 1982 sowie von 1999 bis 2008. Die Sieger jener Austragungen:

1999 Jens Heppner (Gera)

2000 David Plaza (Spanien)

2001 Alexander Winokurow (Kasachstan)

2002 Igor Gonzalez de Galdeano (Spanien)

2003 Michael Rogers (Australien)

2004 Patrik Sinkewitz (Fulda)

2005 Levi Leipheimer (USA)

2006 Jens Voigt (Grevesmühlen)

2007 Jens Voigt (Grevesmühlen)

2008 Linus Gerdemann (Münster)

Beim Publikum gibt es noch immer eine weitverbreitete und gut fundierte Skepsis. Es war auch nicht so leicht, genügend interessierte Städte zu finden, die als Etappenort infrage kommen. Und die Sponsorensuche mag zuletzt zwar etwas einfacher gewesen sein als noch vor zwei, drei Jahren, aber einen wirklichen Hype hat niemand feststellen können, der sich damit befasste. Rach ist dennoch zufrieden. "Das ist ein Thema, das für alle Sportarten außerhalb vom Fußball immer schwieriger wird, der Radsport kommt mit seiner Vergangenheit dazu", sagt er.

Von daher ist noch unklar, was genau diese Rückkehr der Deutschland-Tour bedeutet. Die deutschen Fahrer hoffen auf einen neuen Schwung für ihre Sportart. "Es hat natürlich eine Strahlkraft, wenn eine solche deutsche Rundfahrt zurückkommt, allein das ist ein großes Zeichen", sagt etwa Sprinter Kittel, der zuletzt etwas außer Form war, aber am Donnerstag auf einen Etappensieg hoffen kann. Das Ziel der Aso wiederum ist es, mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen und eine gute Basis für die nächsten Jahre zu legen.

Auf zehn Jahre hat sie ihre Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Radfahrer angelegt, aber das heißt nicht zwangsläufig, dass es auch wirklich zehn Jahre lang eine Deutschland-Tour gibt. Und diejenigen Radsport-Fans und -Beobachter, die sich eine Rundfahrt mit mehr Etappen wünschen, wie vor 2008, dürfen nicht allzu große Hoffnungen haben. Eine Ausweitung der Schleife hat für Rach keine Priorität. Im Gegenteil, das kurze Format sei ein Vorteil, sagt er: "Das Konzept mit vier Tagen hat es uns ermöglicht, die Top-Fahrer an den Start zu schicken."

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