Rachid Azzouzi:"Für den Fußball ist es wunderbar, dass es ein Verein wie Fürth in die erste Bundesliga schafft"

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Rachid Azzouzi. (Foto: Herbert Rudel /imago)

Der Geschäftsführer Sport erklärt, wie die SpVgg Greuther Fürth das Wunder Klassenverbleib schaffen will, für welche Positionen er noch Verstärkungen sucht - und warum sich der Verein ein finanzielles Polster für die kommenden Jahre schaffen will, statt die erhöhten Einnahmen auszugeben.

Von Thomas Gröbner und Sebastian Leisgang

Es haben nicht viele Fürther verstanden, warum Rachid Azzouzi 2012 mitten in der großen Aufstiegseuphorie die Stadt verließ. Statt mit dem Kleeblatt 2012 in die Bundesliga aufzusteigen, zog es Rachid Azzouzi, mittlerweile 50, nach Hamburg zu St. Pauli, wo er mehr gestalten konnte als in Fürth unter dem inzwischen zurückgetretenen, allmächtigen Präsidenten Helmut Hack. Die Fürther Euphorie zerstob schnell, das Kleeblatt stieg ab, ohne einen Heimsieg. Azzouzi, der eingefleischte Fürther, der insgesamt 169 Zweitliga-Partien für die SpVgg spielte, kehrte 2017 zurück - und führte den Klub nun neun Jahre nach dem vergangenen Aufstieg wieder ins Oberhaus. Diesmal blieb er.

Herr Azzouzi, wie viel Spaß macht Ihnen bisher die Bundesliga-Saison?

Die Bundesliga macht großen Spaß. Und warum? Ich schaue mir die zweite Liga an und sehe so viele Mannschaften, die auch gerne da oben wären. Und wir sind es.

Die Rückkehr ins Oberhaus haben Sie sich aber gewiss anders vorgestellt: 1:5 in Stuttgart.

Natürlich hat das weh getan, wir haben uns ja vorher was ausgerechnet. Wir haben dann aber gemerkt, dass es ein bisschen rauer zugeht in der Bundesliga.

Bei den Buchmachern und Experten gilt Fürth als Absteiger Nummer eins. Einige äußern sich schon jetzt derart negativ, dass man meinen könnte, sie bräuchten gar nicht mehr antreten. Ärgert Sie das?

Wenn mich immer alles ärgern würde, was über die Spielvereinigung gedacht und geschrieben wird, dann würde ich aus dem Ärgern gar nicht mehr rauskommen. Aber wenn man sich unseren Etat anschaut, dann kann man ja auch zu keinem anderen Schluss kommen. Der ist, glaube ich, so groß wie die Reisekasse beim FC Bayern. Aber wir hatten letztes Jahr auch den drittkleinsten Etat - und sind trotzdem aufgestiegen. Wir werden uns den Klassenerhalt nicht erkaufen können, trotzdem können wir ihn schaffen.

Enttäuschung zum Auftakt: Der Fürther Innenverteidiger Maximilian Bauer tröstet seinen Mannschaftskollegen Gideon Jung nach dem 1:5 beim VfB Stuttgart. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/imago)

Zu Beginn des Jahres haben Sie im SZ-Gespräch eine Metapher bemüht und die Spielvereinigung mit einem Käfer verglichen, der es in der zweiten Liga mit Ferraris aufnehme. Wie ist das dann erst in der Bundesliga?

(Azzouzi dreht sich um und zeigt auf eine Zeichnung an der Wand, auf der Azzouzi im Kleinwagen einem feuerroten Sportwagen davonbraust, ein Geschenk einer Künstlerin). Wir sind immer noch der Käfer da an der Wand. Und die Konkurrenz sind mittlerweile Formel-1-Wägen.

Ihr Trainer Stefan Leitl hat gefordert, jetzt keine Transfers mehr "mit Fantasie" zu tätigen. Helfen nur noch Spieler, die ihre Klasse schon in der Bundesliga nachgewiesen haben?

Die Frage ist doch: Welchen bundesligaerfahrenen Spieler, der uns sofort weiterhelfen könnte, können wir finanzieren? Und wer passt und will überhaupt nach Fürth?

Es klaffen aber noch ziemliche Lücken im Kader.

Klar, wir suchen noch einen Linksverteidiger, weil wir mit Luca Itter nur einen haben. Wir wollen auch noch einen Innenverteidiger holen, und wir werden uns in der Offensive noch verstärken. Vielleicht mit Spielern, die einen kleinen Knicks in ihrer Karriere haben, aber es wird nicht ausreichen, Geld auszugeben, vielleicht zu viel Geld, und dann zu glauben, dass man sich damit den Klassenerhalt sichern kann. Das ist nicht machbar. Wir wollen wirtschaftlich gesund mit der Sache umgehen. Entscheidend ist dann sowieso, dass wir auf dem Platz die Moral und den Glauben haben, den wir uns über die letzten drei Jahre aufgebaut haben.

Der Aufstieg spült eine Menge Geld in die Kassen. Alleine die TV-Rechte bringen ein Plus von 20 Millionen, der Verkauf von U-21-Europameister Anton Stach nach Mainz hat nochmal über drei Millionen erlöst, und auf der Ausgabenseite stehen bislang nur die 750 000 Euro für Jeremy Dudziak, der aus Hamburg gekommen ist. Könnten Sie jetzt nicht doch mal tief in die Schatulle greifen?

Gegenfrage: Hertha hat seit 2019 375 Millionen bekommen ( von Investor Lars Windhorst, Anm. d. Red.), und was ist passiert? Sie haben gegen den Abstieg gespielt. Einen Kader zusammenzustellen, mit dem wir garantiert die Klasse halten, das werden wir nicht hinkriegen - nicht mal in 100 Jahren. Was wir können, ist, durch unsere Art, mit der wir letztes Jahr aufgestiegen sind, bis zum Schluss dabei zu sein und dann das Wunder zu vollbringen.

"Wenn wir in der zweiten Liga geblieben wären, hätten wir unseren Etat nochmal senken müssen."

Und wenn das Wunder ausbleibt?

Dann werden wir für die nächsten Jahre ein gewisses Polster aufgebaut haben. Wenn wir in der zweiten Liga geblieben wären, hätten wir viel größere Probleme bekommen. Da hätten wir unseren Etat nochmal senken müssen, und den einen oder anderen Spieler wie Hrgota oder Nielsen hätten wir wohl nicht halten können. Wir hätten also weniger Geld und mehr Fluktuation gehabt. Deshalb war der Aufstieg für den Verein wie ein Sechser im Lotto - egal, wie die Spiele jetzt ausgehen. Und nochmal: Wir alle haben den Glauben, dass wir es schaffen können.

Abgesehen vom Finanziellen: Was ändert sich für die Spielvereinigung durch den Aufstieg?

Wir werden jetzt ganz anders wahrgenommen als Bundesligist. Es ist für den Fußball doch wunderbar, dass es ein Verein wie wir überhaupt schafft, in die erste Liga aufzusteigen. Und jetzt werden wir versuchen, alle ein bisschen zu ärgern.

Wenn Sie den Aufstieg 2021 mit dem Aufstieg 2012 vergleichen: Worin liegen die Unterschiede?

Zum einen sind wir jetzt infrastrukturell viel weiter, zum anderen haben wir die Erfahrung aus dem ersten Bundesliga-Jahr mitgenommen. Von damals wissen die Leute im Verein: Wenn alle da draußen durchdrehen und wir selbst nervös werden, dann haben wir verloren. Wir sehen eine Chance, in der Liga zu bleiben - das werden wir aber nur schaffen, wenn wir ruhig bleiben. Wir dürfen ja auch nicht vergessen, woher wir kommen. 2018 wären wir fast in der dritten Liga gelandet.

"Franken haben viele gute Eigenschaften, aber manchmal würde ich mir ein Lächeln mehr wünschen."

Mit jeder weiteren Niederlage dürfte es immer schwerer werden, positiv zu bleiben.

Für manchen Franken schon (lacht). Ein paar hier neigen ja dazu, pessimistisch zu sein und schnell alles in Schutt und Asche zu reden. Aber wenn jeder hier mal zu sich ehrlich ist, dann muss er sagen: Ich bin einfach nur stolz, in der ersten Bundesliga zu sein. Für mich ist das ein bisschen leichter, mit dieser Einstellung durch die Welt zu gehen. Ich bin Marokkaner und im Rheinland aufgewachsen. Ich warte ja auch die ganze Zeit auf den Sommer. Wenn ich hier jetzt aber aus dem Fenster schaue, sehe ich nur Wolken und Regen. Aber wenn ich mir warme Sachen anziehe, kann ich doch trotzdem rausgehen. Was ich damit sagen will: Es gibt keinen Grund, Trübsal zu blasen - auch nicht nach einem 1:5 in Stuttgart.

Gut, dass Sie sich als Wahl-Franke Ihr rheinländisches Gemüt bewahrt haben.

Ich habe eine Fränkin als Frau, und die Menschen hier echt ins Herz geschlossen. Franken haben viele gute Eigenschaften, aber manchmal würde ich mir ein Lächeln mehr wünschen. Wenn ich wieder die Brücke zum Fußball schlage: Schauen Sie doch mal an, wie Mainz letztes Jahr die Klasse gehalten hat. Nach der Hinrunde hatten sie sieben Punkte, dann haben sie eine Rückrunde auf Champions-League-Niveau gespielt und sind drin geblieben. Mainz ist zwar nicht mit uns zu vergleichen, aber das Beispiel zeigt, wie viel sich mit Optimismus bewegen lässt.

Sie sprechen Mainz an. Ist das ein Vorbildverein für Fürth?

Natürlich. Freiburg und Augsburg genauso. Aber auch die sind mittlerweile enteilt. Diese Vereine spielen teilweise schon seit mehr als zehn Jahren in der Bundesliga und müssen trotzdem immer wieder aufpassen, dass sie nicht absteigen. Was sollen wir dann erst sagen? Man muss die Dinge immer richtig einordnen. Für mich ist es nichts Außergewöhnliches, was in Stuttgart passiert ist. Es wirft mich nicht aus der Bahn - und es ändert auch nicht mein Handeln oder meine Denkweise. Die Mannschaft wird sich entwickeln. Wir haben viele junge Spieler, die sich ans Tempo und an die mentalen Herausforderungen anpassen werden. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen.

Abschließende Frage, Herr Azzouzi: Warum widerlegt Fürth alle Kritiker und spielt auch 2022/23 in der Bundesliga?

Weil wir noch 33 Spieltage Zeit haben, um 35 plus x Punkte zu holen. Entscheidend wird sein, dass wir uns immer den Glauben bewahren. Ich glaube an uns - bis zum letzten Spieltag, wenn wir da noch die Möglichkeit haben sollten, in der Liga zu bleiben. Und das wird so sein.

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