Qualifying in Hockenheim:"Lewis, bist du o.k.?"

Mercedes Formula One driver Hamilton from Great Britain crashes his car during the qualifying of the German F1 Grand Prix at the Hockenheim racing circuit

Lewis Hamilton muss nach dem Unfall das Qualifying abbrechen.

(Foto: REUTERS)

Nico Rosberg holt die fünfte Pole Position der Saison, doch sie hat einen Beigeschmack. Der Deutsche profitiert vom Unfall von Lewis Hamilton, der von weit hinten starten muss. Das Qualifying zeigt: Es gibt nur ein Team, das Mercedes derzeit bezwingen kann - Mercedes selbst

Von Johannes Knuth, Hockenheim

Die Antwort ließ auf sich warten. "Lewis, bist du o.k.?", funkte der Kommandostand ins Cockpit des Mercedes-Piloten. Stille.

Sekunden zuvor war Lewis Hamilton von der Strecke geschlittert, wenige Meter vor der Sachs-Kurve hatte das linke Vorderrad blockiert, blauer Rauch schoss in die Luft. Hamilton drehte sich, rückwärts rauschte er in den Reifenstapel. 30 G, das dreißigfache seines Körpergewichts, habe er in diesem Moment aushalten müssen, sagte Hamiton später. Sein Auto prallte in die Reifen, dann plumpste es in den Kies.

Zweiter Versuch: "Lewis, bist du o.k.?" "Ja, alles gut", antwortete Hamilton endlich, er klang aufgewühlt. "Ich habe auf die Bremse getreten, und irgendwie...hat sie nicht funktioniert", stammelte der Brite. Die rechte Bremsscheibe hatte den Dienst verweigert, die Mercedes-Crew hatte sie kurz vor dem Qualifying eingebaut. Hamilton krabbelte aus dem Wagen, aus eigener Kraft.

Nico Rosberg sicherte sich am Samstagmittag im Backofen von Hockenheim seine fünfte Pole Position der Saison, wirklich erfreut war der WM-Führende aber nicht: "Ich bin etwas betrübt, ich hätte mich gerne mit Lewis um die Pole duelliert", sagte Rosberg nach dem Rennen. Statt Hamilton reihten sich die Williams-Piloten Valtteri Bottas und Felipe Massa hinter Rosberg ein, gefolgt von Kevin Magnussen (McLaren) sowie Daniel Ricciardo (Red Bull). Letzterer war mal wieder schneller als Teamkollege und Noch-Weltmeister Sebastian Vettel auf Platz sechs. Siebter wurde Ferrari-Pilot Fernando Alonso, Neunter Nico Hülkenberg im Force India, 17. Adrian Sutil im Sauber.

Rosberg hat am Sonntag nun erst einmal freie Fahrt, er hat zudem beste Chancen, seine zuletzt zusammengeschmolzene Führung in der Gesamtwertung wieder zu vergrößtern. Hamilton, derzeit vier Punkte hinter Rosberg im Klassement, wird den Großen Preis von Deutschland vom 15. Startplatz aus in Angriff nehmen, zu mehr reichte seine schnellste Runde aus dem ersten Qualifying-Abschnitt nicht (wegen der Rückversetzung von Esteban Gutierrez rückte der Brite noch einen Platz nach vorne).

Nach dem Unfall verkündete Hamilton, ihm gehe es gut, leichte Knieschmerzen, der Fuß sei geprellt. Dann lächelte er schief in die Kameras, während er durch das Fahrerlager wackelte. Wirklich rund war sein Gang nicht.

Mercedes - zu weit weg

Das Qualifying auf dem bis zu 60 Grad heißen Hockenheimring zeigte einmal mehr: Es gibt weiterhin nur eine Mannschaft, die Mercedes derzeit bezwingen kann - Mercedes selbst. Vor dem Wochenende hatten sich die Mannschaften darauf geeinigt, auf das umstrittene FRIC-System zu verzichten. Das System stellt eine hydraulische Verbindung zwischen Vorder- und Hinterachse her, Mercedes hatte die Installation offenbar besonders gewinnbringend installiert. Ohne FRIC, hoffte die Konkurrenz, würde man den Vorsprung der Silbernen vielleicht reduzieren. Die Hoffnung währte kurz. "Mercedes ist noch immer weit weg", stellte der Zweitplatzierte Bottas am Samstag fest.

Rosberg war nur einmal in Schwierigkeiten geraten, zu Beginn des Qualifyings. Während seiner ersten Runde verbremste er sich vor der Mercedes-Tribüne und rutschte von der Strecke. Dann schlitterte er nach der ersten Kurve über die Curbs. Kurz vor Ende des ersten Durchgangs hatte der 29-Jährige noch keine vorzeigbare Rennrunde verbucht. Rosberg hatte wie Hamilton kurz zuvor die Bremsscheiben getauscht. "Ich hatte das gesamte Qualifying über Probleme", sagte er später. Aber Rosbergs Bremsen hielten.

Im zweiten Durchgang preschte er im ersten Versuch nach vorne, der Rest folgte artig mit großem Rückstand. Jenson Button (11., McLaren) und Kimi Räikkönnen (12., Ferrari) wahrten unnötig großen Abstand, sie schieden noch vor dem dritten und letzten Abschnitt aus.

Rosberg konnte die Pole jetzt nur durch einen Fehler verspielen. Erster Anlauf, der Mercedes-Pilot preschte mit vollem Risiko durch die Ravenol-Kurve. "Ich habe alles gegeben, auch nach Lewis' Ausfall", sagte Rosberg später. Das Resultat war nach der Zieldurchfahrt zu bestaunen, 1:16,540 Minuten, schneller würde an diesem Nachmittag niemand mehr fahren. Rosberg winkte kurz Richtung Zuschauer, die meisten waren allerdings schon aus der Hitze in den Schatten geflüchtet.

Am Ende musste der Tagesbeste dann noch eine historische Einordnung vornehmen. Ein finnischer Reporter merkte an, dass zum ersten Mal überhaupt in der Formel 1 zwei Finnen in der ersten Startreihe stehen würden. Bottas und der Deutsche Rosberg, Sohn von Finnlands Weltmeister Keke Rosberg. "Eineinhalb Finnen", sagte Rosberg, "das ist doch noch immer ein Rekord, oder?"

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