Qualifikation zu den Olympischen Spielen:Deutschlands Problembälle

Nicht nur Dirk Nowitzki wird 2012 in London fehlen: Vier von zwölf möglichen deutschen Ballsport-Mannschaften sind bereits an der Qualifikation für die Olympischen Spiele gescheitert - und für die anderen wird der Weg auch nicht einfach. Ein Krisenbericht.

Boris Herrmann

Zu den beliebtesten Spielsachen in Deutschland gehören bis heute der Zauberwürfel und das Überraschungsei. Beide sind nicht rund, und vielleicht könnte das eine Erklärung sein, weshalb der Ball hierzulande gerade eine schwere Phase durchmacht. Vier von zwölf möglichen Ballsport-Mannschaften sind bereits an der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 gescheitert. Und für die anderen wird der Weg nach London auch nicht einfach. Ein Krisenbericht.

Dirk Nowitzki, Jonas Valanciunas

"Es war alleine meine Schuld": So ganz stimmte natürlich nicht, was Dirk Nowitzki nach dem Aus im Viertelfinale der EM sagte.

(Foto: AP)

Basketball

Die Fachwelt streitet noch, ob die deutschen Basketballer trotz oder wegen Dirk Nowitzki das Viertelfinale bei der EM in Litauen und damit auch die Olympia-Qualifikation verpasst haben. Wobei 99,9 Prozent der Fachwelt zur ersten Deutung tendiert. Alleine jene 0,1 Prozent der Fachwelt, die Dirk Nowitzki heißen, behaupten: "Es war alleine meine Schuld." Wenn das der mutmaßlich beste Spieler dieser Tage sagt, ist das aller Ehren wert, es deckt sich aber trotzdem nur unzulänglich mit Erkenntnissen aus der Frauensparte. Die deutschen Basketballerinnen haben bei der EM im Juni ganz ohne Nowitzkine ihre Chance auf London verspielt.

Fußball

Hinter der Heim-WM im Frühsommer steckte der Plan, den Frauenfußball in neue Sphären zu katapultieren. Das hat geklappt, wobei anzumerken ist, dass die alten Sphären aus deutscher Sicht deutlich glamouröser waren. Die einst kaum besiegbare Auswahl von Silvia Neid hat angesichts des allgemein gestiegenen Leistungsniveaus ja nicht nur ihr Viertelfinale gegen Japan verloren, sie hat damit auch erstmals die Qualifikation für Olympia verpasst. Im Gegensatz zu den Fußballerinnen kennen die zeitgenössischen deutschen Fußballer Olympia ohnehin nur als Fernsehereignis. Die vorübergehend weltweit gefürchtete U21 war letztmals bei den Spielen 1988 in Seoul dabei. Schon im August 2010 haben die amtierenden Europameister ihr Ticket für London kläglich verzockt, übrigens mit Spielern, denen man inzwischen schon ganz andere Aufgaben im A-Nationalteam zutraut: den Dortmundern Hummels, Großkreutz und Schmelzer, dem Schalker Höwedes, den Leverkusenern Sam und Lars Bender. Kann man mit solch einem Team 1:4 in Island verlieren und sich damit der letzten Qualifikationschancen berauben? Man kann. Wahrscheinlich aber nur dann, wenn beim Gegner ein Torschütze spielt, der Kolbein Sigthorsson heißt.

Handball

Nach dem blamablen elften Platz bei der WM in Schweden müssen die Handballer aus der angeblich "stärksten Liga der Welt" bei der EM im Januar in Serbien schon Europameister werden, um sicher in London dabei zu sein. Ansonsten wird es kompliziert, die Auswahl des neuen Bundestrainers Martin Heuberger müsste dann als eines der beiden besten noch nicht für Olympia oder die Olympia-Qualifikation qualifizierten Teams abschneiden, um bei einem der drei Qualifikations-Turniere einen der letzen sechs Qualifikations-Plätze zu ergattern. Das kann man sich weder merken noch kann man es wollen. Und wenn die Handballerinnen im Dezember in Brasilien etwas anderes als Weltmeister werden, erwartet sie als Strafe ein ähnliches Rechenspiel.

Volleyball, Hockey, Wasserball

Hockey

Hockey EM Niederlande - Deutschland

Auf die Hockeyspieler ist Verlass: Deutschland gewann das EM-Finale Ende August mit 4:2 gegen die Niederlande.

(Foto: dpa)

Wenn in diesem Land noch auf zwei Dinge Verlass ist, dann sind es ja wohl die Tatort-Kommissare und die Hockeyteams. Beide gewinnen am Ende fast immer. Selbstverständlich sind sowohl die Hockey-Frauen (EM-Zweite) als auch die Hockey-Männer (Europameister) in London dabei.

Volleyball

Mit der dritten satten Niederlage bei der EM in Prag hat sich am Montag auch der Volleyball in den Kreis der Problembälle begeben. Der Umweg nach London führt nun für die Männer über ein Vor-Qualifikationsturnier für ein Haupt-Qualifikationsturnier kommenden Mai in Bulgarien. Zur Not gäbe es auch noch ein Last-Minute-Qualifikationsturnier im Juni in Berlin. Die Frauen haben bei der EM in zwei Wochen die Gelegenheit, sich derartig verschlungene Pfade zu ersparen. Ansonsten wird die stolze Strandnation Deutschland an den Ufern der Themse wohl nur durch seine Beachvolleyballer vertreten sein.

Wasserball

Es soll mal niemand glauben, dass die Reise nach London nur auf dem Landweg weit wäre. Für die Wasserballer von Bundestrainer Hagen Stamm führt sie über Playoff-Spiele im Oktober gegen Malta zur EM im kommenden Januar in Eindhoven und von dort aus im besten Fall über ein Qualifikationsturnier in Edmonton in Kanada zurück nach England. Verglichen damit werden die Tickets für die Frauen schon fast im Londoner Umland, nämlich in Italien vergeben. Für diese Qualifikation müssten sich die deutschen Wasserballerinnen allerdings erst einmal - man ahnt es schon - qualifizieren.

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