Süddeutsche Zeitung

Qualifikation in Abu Dhabi:Rosberg dreht auf

Im letzten Qualifying gelingt dem WM-Zweiten eine "Wunderzeit" und lässt seinen Rivalen Hamilton weit hinter sich. Sebastian Vettel verkalkuliert sich und landet am Ende des Feldes.

Von Elmar Brümmer, Abu Dhabi

Nico Rosberg steht zum sechsten Mal in Serie mit seinem Silberpfeil in der ersten Startreihe, an seiner Seite beim Finale von Abu Dhabi Weltmeister Lewis Hamilton. Der Kampf um die Pole-Position auf Yas Marina Island war der vielleicht erbittertste der gesamten Saison, aber als es darauf ankam, wuchs Vize Rosberg über den Champ Hamilton hinaus - und unterbot dessen Zeiten jeweils deutlich. Selbst Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda fand keine besseren Worte als "unglaublich" und "Wunderzeit" für die Spätform, in der sich der deutsche Formel-1-Pilot befindet. 0,377 Sekunden Vorsprung an der Spitze, das ist eine Welt.

Rosberg selbst genießt die Genugtuung, erneut Hamiltons 50. Qualifikations-Bestzeit verhindert zu haben. Und er weiß um die mentale Kraft solcher Prestigeerfolge im internen Duell: "Als es gezählt hat, passte alles bei mir. Wenn ich daraus am Sonntag einen Sieg machen kann, dann hilft das vielleicht ein bisschen fürs nächste Jahr." Dann spielt er den Souveränen: "Ich habe nichts Neues erfunden. Ich habe einfach Fortschritte gemacht." Hamilton hingegen beklagt, dass sich einige Änderungen an seinem Rennwagen seit Wochen schon nicht zu seinem Vorteil auswirken würden.

Rennen ohne Stallorder

Im letzten Rennen sind die beiden silbernen Rivalen noch freier als sonst. Stallorder gibt es keine, aber ein allzu riskantes Duell mit etwaiger Kollision ist dennoch nicht unbedingt angeraten, schließlich ist der halbe Vorstand aus Stuttgart-Untertürkheim angereist. Von Sebastian Vettel, dem üblichen Verdächtigen unter den Herausforderern droht, wenn überhaupt, erst später Gefahr: Mit einer falschen Strategie schied der Heppenheimer auf Platz 16 schon in der ersten Qualifikationsrunde aus. "Verschätzt", lautete der Kommentar des Hessen. Er hätte nichts sagen müssen, sein Gesichtsausdruck sprach Bände.

Schweigen herrscht auch an der für die Zukunft der Formel 1 wichtigsten Front: dem Poker um Renault, Red Bull und die Motoren. Zuletzt schien alles in trockenen Tüchern. Red Bull schien sich mit dem ungeliebten französischen Partner einig, ein weiteres Übergangsjahr zu fahren und dann einen neuen Motor zu bekommen. Der würde dann wohl von Honda kommen. Denn um Billigaggregate zu verhindern, die vom Reglement her dann Vorteile hätten, hatten die Hersteller in dieser Woche zugestimmt, künftig für eine Komplettversorgung aller Teams zu sorgen. Für Abu Dhabi war daher die Ankündigung erwartet worden, das Renault den Lotus-Rennstall als Werksteam (wieder) übernimmt und Red Bull französische Antriebsstränge als No-Name-Produkt einsetzen darf.

Disput um Millionen-Forderungen

Stattdessen rief das für gewöhnlich sehr gut unterrichtete Fachblatt auto, motor und sport einen "Tag der Entscheidung" über die Formel-1-Zukunft aus. Renault-Boss Carlos Ghosn zögert trotz Absichtserklärung noch mit seinem "Oui". Denn er verlangt von Bernie Ecclestone Sonderzahlungen für das Weitermachen, angeblich im dreistelligen Millionen-Bereich. So kann Red-Bull-Teamchef Christian Horner zwar erklären, dass man einen Motor für 2016 sicher habe, doch dürfe er den Namen nicht nennen. Wenn Ghosn mit seiner Rückzugs-Drohung tatsächlich Ernst machen sollte, dann könnten auf einen Schlag drei Teams (Lotus, Red Bull, Toro Rosso) verschwinden.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff und Niki Lauda, die sich angesichts der Überlegenheit der Motoren mit Stern zurücklehnen konnten, haben es mit einer anderen Herausforderung zu tun. Im Fahrerlager halten sich hartnäckig die Gerüchte, die beiden Österreicher hätten sich wegen der Diskussion entzweit, ob Mercedes dem Rivalen Red Bull nicht doch Motoren leihen sollte. Da alle Dementis bislang nichts nutzten, liefen die beiden Händchen haltend durch das Fahrerlager in Abu Dhabi. Und das, obwohl dieser Liebesbeweis im Emirat eigentlich untersagt ist.

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Quelle:
SZ vom 29.11.2015
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