Qualifikation:Format für Blasenschwache

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Hingucker in Bahrain: Lewis Hamilton in Landestracht. (Foto: Kamran Jebreili/AP)

Der Streit geht in die nächste Runde: Die höchste Motorsportkategorie will ganz schnell einen ganz neuen Qualifikationsmodus finden.

Der Streit um das neue Qualifikationsformat in der Formel 1 geht weiter. Eine Rückkehr zu dem Modus des vergangenen Jahres scheitert an Chefpromoter Bernie Ecclestone und Weltverbandschef Jean Todt. "Wir sind zu keinem Ergebnis gekommen, wie wir weiter verfahren wollen", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff am Sonntag vor dem Grand Prix von Bahrain. Am Abend zuvor hatte der 44-Jährige nach dem neuerlichen Reinfall des neuen Formates gesagt: "Wer die Änderung des Modus blockiert, der gehört im Fahrerlager gekreuzigt. Man hält uns doch für Narren, wenn wir so weitermachen."

Mal zu hektisch, dann zu langweilig, im Ganzen kaum nachzuvollziehen - die Kritik am Eliminations-Rhythmus im 90-Sekunden-Takt ist eindeutig. "Man sitzt in der Box und verfolgt nur diese Linie, wer als nächstes rausfällt. Das ist ein Griff ins Klo", wetterte Niki Lauda, der Chef des Aufsichtsrats des Mercedes-Teams. Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel ist mittlerweile müde, immer wieder die Schwächen des Modus unverblümt anzusprechen, und flüchtete sich in Sarkasmus: "Es ist ein bisschen langweilig, wenn man keine schwache Blase hat."

Der alte Modus habe "super geklappt", sagte Mercedes-Pilot Nico Rosberg: "Warum nicht dahin zurückgehen?" Drei Qualifying-Abschnitte, an deren Ende erst abgerechnet wurde, brachten Spannung bis zur letzten Sekunde.

Statt einer Rückkehr zum alten System soll in dieser Woche nun aber ein komplett neues diskutiert werden. Am Donnerstag sollen die betreffenden Parteien zu einer weiteren Runde zusammenkommen. Am Sonntag diskutierten die Verantwort- lichen 90 Minuten lang. Tags zuvor hatte Jean Todt, der Präsident des Automobilweltverbandes FIA, noch die Hoffnung geäußert, es könnte eine einstimmige Entscheidung geben. Todt gilt als Urheber des Ausscheidungsfahrens, verteidigt sich aber: Die Idee zur Qualifying-Revolution sei erst auf Druck der Streckenbetreiber geboren worden.

Im März hatte Todt bereits einen ersten Versuch blockiert, das Ausscheidungsfahren in einer Last-minute-Aktion zu verhindern. Er habe beim neuen Qualifying "erst alle Verbesserungsmöglichkeiten ausschöpfen wollen", so der 70-Jährige, der für die Zukunft einen Mix aus dem bewährten Format der Vergangenheit und dem aktuellen Ausscheidungsfahren favorisiert.

Vermarkter Bernie Ecclestone ginge gern noch einen Schritt weiter. Er würde den erfolgreichen Fahrern am liebsten Zeitstrafen aufbürden. Sinn dieser Maßnahme soll letztlich sein, die Startaufstellung durcheinander zu wirbeln und so für spannendere Rennen zu sorgen. Im Gespräch mit der BBC meinte Ecclestone, dass die Formel 1 aktuell eine miserable Show liefere: "Es ist so, als ob man sich Tickets für ein Konzert der Rolling Stones kauft, aber Mick Jagger singt nicht und die anderen können die Instrumente nicht spielen. Da wären die Leute auch nicht happy. Sie würden sich beschweren, dass das, was ihnen für ihr Geld geboten wird, zu wenig ist."

Selbst Kimi Räikkönen macht den Mund auf: "Die Leute müssen uns für dumm halten."

Wenn nicht alle Beteiligten einstimmig einem neuen Vorschlag zustimmen, bleibt es bei dem bisher in dieser Saison angewandten Format, erklärte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Jeder sagt aber, dass das, was wir haben, nicht richtig ist", betonte er. Horner hatte sich in Australien für die Quali-Posse sogar entschuldigt.

Details des neuen Formates, das womöglich in zwei Wochen beim Großen Preis von China zum Einsatz kommen könnte, wurden am Sonntag vorerst nicht bekannt. Die Fahrer dürften sich damit in ihrer Meinung, dass Entscheidungsprozesse und Strukturen in der Formel 1 dringend überdacht und geändert werden müssen, bestärkt fühlen. Sie waren von Beginn an gegen das neue Qualifikationsformat, das erst wenige Wochen vor WM-Beginn beschlossen worden war.

"Es geht im Moment nur um Politik und anderen Bullshit. Die Leute müssen uns für dumm halten", sagt Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen. Auch Mercedes-Sportchef Wolff moniert, es gehe "zu 90 Prozent um Dinge abseits der Strecke". Deswegen forderte er: "Wir dürfen für Shanghai keine Experimente mehr machen." Den Weltmeister lässt die Dauerdiskussion dagegen kalt. "Für die Autos vorne", sagte Lewis Hamilton, "macht es keinerlei Unterschied."

© SZ vom 04.04.2016 / dpa, sid, SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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