Süddeutsche Zeitung

Fußball-Bundesliga:Pulisic ist Dortmunds nächster Transfer-Coup

  • Mit einer Ablösesumme von 64 Millionen Euro ist Christian Pulisic der bislang drittteuerste Bundesliga-Transfer. Im Sommer wechselt er zum FC Chelsea.
  • Sein Potenzial konnte der Offensivspieler zuletzt nicht ausschöpfen, die Konkurrenten im BVB-Kader sind ähnlich schnell und vielseitiger.
  • Es ist zu erwarten, dass sich die Dortmunder mit dem eingenommenen Geld im Sommer verstärken.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Ein neues Jahr, der alte Transfer-Wahnsinn: 64 Millionen Euro zahlt der FC Chelsea, der vom russischen Öl-Milliardär Roman Abramowitsch zumindest viele Jahre mit reichlich Spielgeld versorgt wurde, für Borussia Dortmunds Christian Pulisic. Der Wechsel gilt formal ab sofort, aber der 20-Jährige wird die Saison beim BVB zu Ende spielen, weil ein kostenfreies Leihgeschäft bis Juni 2019 vereinbart wurde. Es ist der zweitgrößte Transfer des BVB, nach Ousmane Dembélé, der im vorigen Jahr für einen dreistelligen Millionenbetrag zu FC Barcelona wechselte.

Dass Pulisic den BVB im kommenden Sommer verlassen wird, ist keine Überraschung. Der Amerikaner und seine Berater, vor allem sein Vater Mark, hatten Dortmunds Manager Michael Zorc schon im Frühjahr alle Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung abgeschlagen. Da sein Kontrakt beim BVB im Sommer 2020 ausläuft, war klar, dass Dortmund versuchen würde, Pulisic vor Vertragsende noch gewinnbringend abzugeben. Dass nun jemand für ein Jahr Restlaufzeit 64 Millionen Euro ausgeben würde, wie es Chelsea nun tut, hatte allerdings nicht einmal der geschickte Verhandler Zorc erwartet.

Auch der FC Chelsea profitiert von diesem kuriosen Deal

Für Chelsea war die Angelegenheit offenbar eilig. Der Klub muss ab Sommer wohl mit einer Transfersperre rechnen, wegen vermeintlicher Verstöße gegen Transferregularien. Im Detail geht es wohl um stautenwidrige Verpflichtungen von ausländischen Jungprofis unter 18 Jahren, die von der Fifa streng reglementiert sind. Um der Transfersperre zuvor zu kommen, wollten die Engländer den Wechsel jetzt abschließen. Pulisic kehrt dann im Sommer - transferjuristisch betrachtet - nur zu Chelsea zurück. So tricksen sich die Klubs um die Regularien des Geschäfts herum. Auf ähnliche Art hatte Paris Saint-Germain zuletzt Kylian Mbappé geholt.

Der eigentliche Marktwert von Pulisic wird auf 50 Millionen Euro taxiert. Das wurde zuletzt noch dadurch befeuert, dass er bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres in der Sonderwertung für U 21-Spieler den zweiten Platz belegte, nur übertroffen vom Wunderkind Mbappé. Außerdem gilt Pulisic, der mit 15 Jahren zum BVB wechselte, als bisher bester amerikanischer Spieler. Er hat in seiner Heimat sogar eine kleine Fußball-Euphorie ausgelöst. Da die USA einer der lukrativsten Sportartikelmärkte sind, ist Pulisic ein äußerst wertvoller Werbeträger. Dortmund hat dem unter anderem mit einer PR-Tour durch die USA Rechnung getragen.

Die fußballerischen Leistungen des 20-Jährigen erfüllten in Dortmund allerdings schon seit einiger Zeit nicht mehr die höchsten Erwartungen. Nach internen Einschätzungen ist Christian Pulisic im Dortmunder Kader derzeit "eher die Nummer 15 oder 16", ein Edelreservist, der in der jungen Truppe von Trainer Lucien Favre in der Hinrunde nur zu fünf Einsätzen in der Startelf kam. Jadon Sancho, Jakob Bruun-Larsen und zuletzt auch Raphael Guerreiro, allesamt ebenfalls noch jung, überholten Pulisic im letzten halben Jahr. Der soll damit extrem unzufrieden sein. Seine Stärke - der explosive Antritt - hat nicht mehr gereicht für einen Stammplatz in der offensiv extrem gut besetzten Mannschaft.

Pulisic wirkte immer wieder wie auf der Durchreise

Seine Konkurrenten um die Außenpositionen im BVB-Kader sind kaum weniger schnell, wirken aber vielseitiger, trickreicher, reifer und mit mehr Übersicht gesegnet als Pulisic, der es auf nur ein Tor und zwei Vorlagen in der Hinrunde gebracht hat. Seine Konkurrenten haben langfristige Verträge, zumindest Sancho und Bruun-Larsen scheinen sich auch stärker mit Dortmund zu identifizieren; Pulisic wirkte immer wie auf der Durchreise. Dass er jetzt für eine hohe Summe wechseln wird, erfreut deshalb manche Dortmunder.

Für die Borussia ist der Transfer nebst Halbjahres-Leihe jedenfalls ein weiterer Coup. Für Dembélé, der sich 2017 beim BVB regelrecht aus seinem Vertrag streikte, soll der Klub inzwischen rund 135 Millionen Euro kassiert haben, nebst diverser Bonuszahlungen, die peu à peu fällig wurden. Für Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang überwies der FC Arsenal fast jene 64 Millionen Euro, die nun Pulisic einbringt.

Kaufmännisch könnte es von Vorteil sein, dass die Transfersumme früh fließt und ins laufende Steuerjahr fällt. Die Steuer nimmt den Klubs in Deutschland ja große Anteile der Transfererlöse wieder weg, weil Einnahmen sofort versteuert werden, Transferausgaben aber über die Vertragsjahre abgeschrieben werden müssen. Trotzdem eröffnet das frühe Geschäft dem BVB mehr Handlungsoptionen. Weitere Spieler, darauf beharrt Sportdirektor Michael Zorc, sollen aber nicht abgegeben werden, auch nicht der umworbene Julian Weigl. Dortmund will mit den Pulisic-Millionen im Sommer selbst einkaufen. Wenn auch nicht mit Summen, wie Chelsea oder Paris sie verfeuern können.

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SZ vom 03.01.2019/thue/jki
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