Public Viewing:Bezahlt sie!

United States of America v Netherlands : Final - 2019 FIFA Women's World Cup France

Führungskraft: die Amerikanerin Alex Morgan (weißes Trikot) im Duell mit der Niederländerin Amouk Dekker.

(Foto: Robert Cianflone/Getty Images)

Auch in der Fußballkneipe "Underground" in L.A. kommt die Botschaft der US-Fußballerinnen an.

Von Jürgen Schmieder

Es wird viel gezählt und verglichen in diesen Tagen, und deshalb fällt gleich beim Betreten des Underground auf, dass der Frauenanteil bei ziemlich exakt 50 Prozent liegt. Die Kneipe im Süden von Los Angeles hat einst dem Fußballer und sehr maskulinen Sprücheklopfer George Best gehört; seit hier der erste US-Fußball-Fanclub gegründet wurde, gilt sie als Geburtsstätte der Soccer-Begeisterung im Land. 350 Leute sind an diesem Sonntagmorgen hier, um das Finale der Frauen-WM zu sehen, auf der Straße davor stehen noch einmal 100. Viele in rot-weiß-blau, und ein paar Kinder, auch Jungs, haben sich die Haare rapinoe-pink gefärbt.

"Wir lieben Gewinner in diesem Land", sagt Rose Rocchio, sie ist Managerin beim US-Jugendverband AYSO, "deshalb ist jetzt beim Finale so viel los." Das mag stimmen, aber hinzu kommt, dass es den Amerikanern nicht nur wichtig ist, dass einer gewinnt - sondern auch wie. Und das ist nun auch den Leuten in L.A. aufgefallen: wie viel Charakter diese US-Frauen abseits des Spielfeldes bewiesen. Megan Rapinoe, 34, wurde hier in den letzten Wochen zur Ikone. Wie sie sich mit Donald Trump anlegte, wie Trump dies als Steilvorlage nutzte für Attacken bei Twitter, wie Rapinoe darauf die beste aller Antworten gab: gewinnen. Ihre Haarfarbe, die nun viele Kinder imitieren, heißt im Friseursalon neben dem Underground tatsächlich: "rapinoe-pink".

"Wo ist eigentlich Trump?", fragt Rose Rocchio während der ersten Halbzeit. Nun, der Präsident hat eine Delegation nach Lyon entsandt, deren prominentestes Mitglied die stellvertretende Handelsministerin Karen Dunn Kelley ist. Er wird nach dem Finale auf Twitter gratulieren, aber es geht heute nicht um Trump.

Über 30 Fernseher ertönt die selbe Parole

Es geht um diese Frauen, und um viel mehr. Die US-Frauen haben im März ihren eigenen Verband verklagt, wegen Diskriminierung. Weil sie dem Verband in diesem Jahr laut Prognosen fünf Millionen Dollar in die Kassen spielen, die Männer ein Minus von einer Million - und trotzdem sollen die Frauen weniger Prämien kriegen? Als die Amerikanerinnen als Weltmeisterinnen feststehen, ist über die 30 Fernseher, die im Underground hängen, zu hören, dass die Leute im Stadion in Lyon "Equal Pay" rufen, die Forderung nach gleicher Bezahlung, und plötzlich brüllen auch die Leute in der Kneipe nicht "USA, USA", sondern: "Equal Pay!" Und: "Pay them!" Bezahlt sie!

Es wird viel gezählt gerade, vielleicht ist deshalb noch dies erwähnenswert: Megan Rapinoe hatte sich ja beschwert, dass am Sonntag nicht nur das Finale der Frauen stattfand, sondern auch die Endspiele der Männer beim Gold Cup (Nord-/Mittelamerika) und der Copa América (Südamerika), dass also wieder die Männer den Frauen die Show stehlen. Also: Mexiko gewinnt das Gold-Cup-Finale in Chicago mit 1:0 gegen die US-Elf von Gregg Berhalter (den man in Deutschland noch als Ex-Kapitän von Cottbus und 1860 kennt). Und im Underground, der Geburtsstätte der Fußballbegeisterung in diesem Land, sind zum Anpfiff um 18 Uhr gerade mal 150 Leute.

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