Trainer bei PSG:Die Kritik an Tuchel wächst

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Plötzlich bei PSG in der Kritik: Thomas Tuchel. (Foto: AFP)
  • Thomas Tuchel muss bei Paris Saint-Germain vermehrt Kritik ertragen.
  • Es heißt, der Trainer sei mit der Situation in Paris überfordert. Gerade hat Paris das Pokalfinale verloren.

Von Oliver Meiler

Auf den ersten Blick mögen die Bilder nicht so gut zusammenpassen: "Autopsie eines Schiffbruchs", titelt Le Parisien, als ließe sich der Kahn, von dem hier die Rede sein soll, so einfach auf ein Leichenbett legen und sezieren, Teil um Teil. Doch dann führt die französische Zeitung vor, wie das geht. Sogar einen Sportpsychiater zog sie heran, um das spektakuläre Kentern von PSG, dem katarisch finanzierten Verein der Hauptstadt, zum Ende der Saison zu erklären, einigermaßen wenigstens. Die ungewohnt vielen Niederlagen in Meisterschaft und Pokal, das Ausscheiden aus der Champions League, die Misstöne von Trainer und Spielern.

Eine Szene aus dem Stade de France, in dem die Pariser gegen Rennes am Wochenende das französische Pokal-Endspiel verloren haben, steht nun stellvertretend für die üble Stimmung, die den Verein umweht. Einige Sekunden ist sie nur lang, sie ging schnell viral. Man sieht Neymar, den brasilianischen Weltstar des Klubs, wie er mit seinen Kameraden die Treppen hochsteigt, um die Trostmedaille für die Finalteilnahme entgegenzunehmen.

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Plötzlich bleibt er stehen, dreht sich um und schlägt einem Fan von Rennes, den die Welt bald als Edouard kennenlernen sollte, 28 Jahre alt, Kurier aus Nantes, mit der Faust ins Gesicht. Edouard, so hört man, habe Neymar provoziert. "Hey, lern doch mal, Fußball zu spielen", soll er ihm zugeraunt haben. Kurz davor hatte Edouard schon Gianluigi Buffon, den zweiten Torwart der Pariser, als "bouffon" beschimpft, als Clown, als Hofnarr. Doch Buffon, mittlerweile 41, hat schon viel erlebt in seiner langen Karriere, er überhört so etwas mit eleganter Nonchalance.

Sogar Neymar sschaut düster drein

Neymar nicht, Neymar ist nervös. Nicht dass ihn das Schicksal des Vereins, der ihm jährlich 30 Millionen Euro netto überweist, sonderlich zu kümmern scheint. Aber seiner eigenen Karriere, der globalen Strahlkraft schadet ein Büßergang samt Beleidigung hinauf zum Trostpreis. So eine Karriere lebt nun mal von Titeln, Trophäen, Auszeichnungen, Rekorden. In Paris sollten sie sich in industrieller Quantität mehren, wie von selbst sozusagen.

Und nun also das.

Seit der Emir aus Katar den Verein 2011 gekauft hat, um damit alles zu gewinnen, waren die Pariser erst einmal weniger erfolgreich als in diesem Jahr, nämlich im zweiten Jahr. Die laufende Saison beschließt man nun mit nur zwei Titeln: dem französischen Supercup aus dem vergangenen Sommer, der wenig zählt, und die Meisterschaft der Ligue 1, das absolute Minimalziel. Das Budget von PSG, etwa 560 Millionen Euro, ist grotesk viel höher als das der nationalen Konkurrenz.

Neymar, der sonnige Leichtfuß aus Santos, schaut plötzlich recht düster drein. Nach der Faustschlagszene schob er auch noch eine Spitze gegen die jungen Spieler im Verein nach; die Jungen hätten keinen Respekt, nicht einmal vor dem Trainer. "Sie reden zuviel und hören nie zu", sagte er. In Paris glauben sie, dass er damit auch Kylian Mbappé meinte, den 20-jährigen Pariser Vorstadtjungen mit dem Potenzial eines Weltstars, seinen Sturmpartner und heimlichen Rivalen. Mbappé ist schon Weltmeister. Die Fans lieben ihn. Sein Marktwert übersteigt jenen Neymars. Real Madrid buhlt um beide, noch lieber wäre den Spaniern aber Mbappé.

Risse ziehen sich offenbar durch das Team. Die Franzosen im Team ärgern sich, dass man den Brasilianern, vor allem Neymar und Dani Alves, alle Unpünktlichkeiten durchgehen lässt, während sie selbst wie Schülerbuben behandelt würden. Mbappé kam mal fünf Minuten zu spät zum Training und wurde bestraft. Neymar aber darf sich in Rio von seiner Verletzung erholen, während des Karnevals. Der Sportpsychiater im Paris ien sagt, die Gruppe sei nicht "verschweißt", und das ist wohl eine Untertreibung.

Dafür gerät nun auch Trainer Thomas Tuchel in die Kritik. Er sei überfordert von der Situation, heißt es. Die erst kürzlich beschlossene Vertragsverlängerung solle ihn nicht in einer falschen Gewissheit wiegen: Die Katarer bewiesen in der Vergangenheit, dass sie sich nicht scheuen, richtig viel Geld in die Hand zu nehmen, um einen Angestellten aus einem laufenden Vertrag zu entlassen.

Mehr als 1,5 Milliarden Euro sind verpufft

Einer von Tuchels Vorgängern, der Franzose Laurent Blanc, erhielt eine Entschädigung von 22 Millionen Euro, als der Emir seine Freude an ihm verlor. Die Entschädigungsklausel war keine Bremse. Tuchel galt während drei Vierteln der Saison als herausragende Wahl, als innovativer Trainer, der sein Personal auch revolutionär umschulte, wenn das seinen Zielen dienten.

Nun sagt er selbst, die Mannschaft sei "mental fragil", es fehle ihr an Intensität, sie wirke manchmal wie abgeschaltet, das sei ihm unerklärlich. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil gerade die Nähe des Trainers zu seinem Starensemble als vorbildlich gegolten hatte, als übertrieben gut beinahe. In Paris fragt man sich, ob nicht etwas mehr Strenge gut täte. Auch der Sportdirektor und vereinsinterne Kontrahent Tuchels, der Portugiese Antero Henrique, gilt als Spielerversteher. Und Nasser al-Khelaifi, der Präsident aus Doha, hätschelt die Lieblinge im Team wie ein Fan, der sich den Traum seines Lebens erfüllt.

Neuerdings sieht man ihn nur noch selten in Paris. Al-Khelaifi hätte dem Emir ja längst die europäische Krone besorgen sollen, den Sieg in der Champions League. Fünf Jahre waren ausgemacht gewesen, für die Glorie Katars. Nun sind schon acht Jahre vorbei - und mehr als 1,5 Milliarden Euro verpufft.

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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