Süddeutsche Zeitung

Fußball in Frankreich:Miese Stimmung plagt PSG

Paris Saint-Germain schwächelt vor dem Champions-League-Kracher gegen Bayern: Im Januar gelingt in vier Ligaspielen nur ein Sieg, die Personaldecke ist dünn, die Atmosphäre schlecht - Transfers scheitern in letzter Sekunde.

Von Stefan Galler

Sonntagabend, die sechste Minute der Nachspielzeit näherte sich ihrem Ende, da stürzte das hochbezahlte Ensemble von Paris Saint-Germain vollends in die Krise: Reims-Stürmer Falorin Balogun steuerte alleine aufs PSG-Tor zu. Die Verteidiger Sergio Ramos und Marquinhos kamen nicht hinterher, Torhüter Gianluigi Donnarumma hatte gegen den Abschluss keine Chance - der 1:1-Ausgleich versetzte den Prinzenpark in Schockstarre.

Nur einen Sieg gegen das abgeschlagene Schlusslicht Angers, aber schon zwei Niederlagen hat die Mannschaft von Trainer Christophe Galtier in den ersten vier Ligaspielen des neuen Jahres verbucht, der Vorsprung auf die Verfolger Lens (drei Punkte) und Marseille (fünf) ist zuletzt erheblich geschmolzen. Der Coach wirkte nach der Partie, in der der Traditionsklub Reims vor allem vor der Pause in allen Belangen überlegen war, ratlos: "Ich glaube nicht, dass es am fehlenden Selbstvertrauen liegt. Es ist eher eine Krise, die auf Selbstzufriedenheit gründet", sagte Galtier. Er habe hochklassige Spieler, die es nicht akzeptieren sollten, seit Jahresbeginn auf diesem Niveau zu spielen.

In Paris schrillen zwei Wochen vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den FC Bayern alle Alarmglocken. Die Mannschaft hat offensichtlich keine innere Balance, und die Gegner legen die Schwächen gnadenlos offen. Grundproblem ist die konsequente Weigerung der Offensivstars Lionel Messi und Kylian Mbappé, sich an der Defensivarbeit zu beteiligen. Und auch Neymar geht nach Ballverlusten nur sporadisch ins Gegenpressing, was Reims-Kapitän Yunis Abdelhamid nach dem Remis vernichtend kommentierte: "Es war einfach, von hinten rauszuspielen. Die drei da vorne verteidigen einfach nicht."

Nicht die einzige Pariser Bredouille, die das Spiel gegen den Tabellenelften offenbarte: Da ist die notorische Unfairness von Schlüsselspieler Marco Verratti, der für eine brutale Grätsche gegen den Japaner Junya Ito nur eine Viertelstunde nach seiner Einwechslung glatt Rot sah. Der Mittelfeldstratege wird damit nach überstandener Verletzung erst mal wieder eine Sperre absitzen - von einem vernünftigen Spielrhythmus ist er weit entfernt. Auch die fehlenden fußballerischen Fähigkeiten von Torwart Donnarumma deckte Reims konsequent auf, immer wieder liefen die Männer aus der Champagne den Italiener ungestüm an, der ein ums andere Mal in Panik geriet. Auf seine Vorderleute ist derzeit auch kein Verlass, bei Ramos, 36, zeigen sich zunehmend Geschwindigkeits- und Aufmerksamkeitsdefizite, Marquinhos wirkt, als hätte er das Scheitern mit Brasilien bei der WM inklusive seines verschossenen Elfmeters gegen Kroatien noch nicht verarbeitet.

Deadline Day: Skriniar-Transfer auf Sommer verschoben

Die Krise bei PSG erscheint noch gravierender als bei den Bayern. Die Münchner schaffen es zumindest, ihre Gegner optisch in Schach zu halten. Paris jedoch war gegen Reims vor allem in der ersten Hälfte mit 1:9 Torabschlüssen absolut chancenlos. Und auch später brachten die großen drei bis auf Neymars glückliches 1:0 (51.) nichts zustande, verhedderten sich immer wieder in Einzelaktionen. Dem PSG-Kader fehlt es nach zahlreichen Weggängen im Sommer zudem an Tiefe, am letzten Transfertag scheiterte nun auch noch die anvisierte Verpflichtung von Verteidiger Milan Skriniar (Inter Mailand) - er kommt ablösefrei erst im Sommer. Und auch der Transfer von Außenbahnspieler Hakim Ziyech per Leihe vom FC Chelsea ging in letzter Sekunde schief. Immerhin gelang es, Ersatzkeeper Keylor Navas nach Nottingham zu verleihen.

Doch auch so bedeuten all die Bekanntheiten stets Eifersüchteleien. Zuletzt hatte es Ärger gegeben, als Trainer Galtier im Pokal gegen den Sechstligisten Pays de Cassel (7:0) Mbappé die Kapitänsbinde übertrug. Der aktuell verletzte Verteidiger Presnel Kimpembe beschwerte sich öffentlich, "nicht informiert" worden zu sein. Galtier räumte eine falsche Kommunikation ein, Verratti, Ramos, Kimpembe und Mbappé seien gleichberechtigte Vizekapitäne hinter Spielführer Marquinhos. Intern aber soll es gewaltig geknallt haben, Kimpembe musste angeblich zum Rapport bei Galtier und Sportdirektor Luís Campos.

Das Programm für PSG hat es weiterhin in sich, an diesem Mittwoch gastiert das Team ohne Neymar (muskuläre Probleme) in Montpellier, in einer Woche steht das emotionale Pokal-Achtelfinalspiel beim Erzrivalen Olympique Marseille an, dann folgt noch vor dem Hinspiel gegen Bayern die schwere Auswärtsaufgabe in der Liga bei AS Monaco.

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SZ/sjo/bek
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