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Prozessbeginn für Uli Hoeneß:Endspiel im Gerichtssaal

Was genau wird Uli Hoeneß vorgeworfen? Wie läuft der Prozess ab? Muss er am Ende ins Gefängnis? Von Montag an steht der Bayern-Präsident vor dem Landgericht München II. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Prozess.

Von Anna Fischhaber und Lisa Sonnabend

"Uli Hoeneß, du bist der beste Mann", das singen die Fans des FC Bayern gerne im Stadion. Doch das Lebenswerk von ihrem Vereinspräsidenten ist ins Wanken geraten. Im April 2013 wurde bekannt, dass Hoeneß ein Steuersünder ist. Nun beginnt am Montag der Prozess gegen den 62-Jährigen. Womöglich droht ihm eine Haftstrafe.

Was wird Uli Hoeneß genau vorgeworfen?

"Die Staatsanwaltschaft München II hat die Ermittlungen in dem Verfahren gegen Ulrich H. (...) abgeschlossen und (...) Anklage erhoben", hieß es in einer Pressemitteilung im Juli 2013. Nun beginnt am Montag vor dem Landgericht München II der Prozess gegen Ulrich H., bekannt als Uli Hoeneß. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Der Bayern-Präsident hatte sich im Januar 2013 beim Finanzamt selbst angezeigt, weil er die Kapitalerträge auf einem Konto bei der Züricher Privatbank Vontobel nicht versteuert hatte. Auf dem Konto 4028BEA lagerten über mehrere Jahre zweistellige Millionenbeträge für Aktien- und Devisengeschäfte. Hoeneß hoffte, mit der Selbstanzeige straffrei davonzukommen. Doch offenbar war diese fehlerhaft. Nun entscheidet das Gericht.

Wie reagiert Hoeneß auf die Vorwürfe?

Hoeneß stritt die Steuerhinterziehung nicht ab. Seine Verfehlungen begründete er damit, dass er süchtig nach dem Zocken an der Börse gewesen sei. Nach Bekanntwerden der Affäre sagte er in einem Zeit-Interview: "Ich fühlte mich in diesen Tagen auf die andere Seite der Gesellschaft katapultiert, ich gehöre nicht mehr dazu. Ich mache mir natürlich riesige Vorwürfe. Ich habe Riesenmist gebaut, aber ich bin kein schlechter Mensch." In der Öffentlichkeit nahm sich der Vereinspräsident zurück, nach Spielen seines FC Bayern beantwortete er nur selten Fragen, bei der Meisterfeier hielt er sich im Hintergrund.

Hoeneß war sich lange sicher, dass seine Selbstanzeige wirksam sei und es nicht zum Prozess kommen würde. "Ich bin zuversichtlich, dass es eine gute Lösung gibt", sagte er im Juli. Er hat sich getäuscht.

Landet Uli Hoeneß im Gefängnis?

Wer eine Million Euro an Steuern hinterzieht, muss in der Regel ins Gefängnis, so urteilten 2008 die Richter des Bundesgerichtshofes (BGH). Bei Hoeneß liegt die Summe deutlich höher, ausgegangen wird von 3,5 Millionen Euro Steuerschuld. Doch das heißt nicht automatisch, dass der Bayern-Präsident demnächst hinter Gitter wandert.

Im Fall Hoeneß muss zunächst geklärt werden: Ist die Selbstanzeige, die der Bayern-Präsident abgab, wirksam oder nicht? Es sieht danach aus, als seien beim überstürzten Verfassen Fehler gemacht worden. Das Gericht könnte sie womöglich für ungültig erklären, weil das Magazin Stern Recherchen nach einem "geheimen Fußballerkonto" anstellte - kurz bevor Hoeneß seine Selbstanzeige stellte. Der 62-Jährige musste womöglich Angst davor haben, enttarnt zu werden.

Zudem kommt die Eine-Million-Euro-Regelung des BGH in deutschen Gerichtssälen nicht oft zur Geltung. Meist wird gedealt, der Steuerschaden mit Tricks heruntergerechnet. So kommen die Betrüger oft mit Bewährungsstrafen davon. Möglich ist allerdings, dass das Gericht im Fall Hoeneß Deals vermeidet, da die Öffentlichkeit besonders genau hinschaut. Es könnte andererseits berücksichtigen, dass Hoeneß seit einem Jahr der Kritik der Medien ausgesetzt ist. Der Bayern-Präsident betonte mehrmals, wie sehr ihm das zusetze.

Falls Hoeneß zu einer Haftstrafe verurteilt werden sollte, gilt es als sicher, dass er in Revision gehen wird. Bis die nächste Instanz erneut über den Fall Ulrich H. entscheidet, würden Monate vergehen. Erst, wenn er dann noch einmal verurteilt werden sollte, müsste Hoeneß seine Zelle beziehen.

Wie läuft der Prozess ab?

Nur vier Tage sind für das Strafverfahren gegen Hoeneß eingeplant. Am ersten Tag wird vor Gericht die Anklage verlesen. Weil das Steuergeheimnis gilt, kennen bislang nur Gericht, Staatsanwälte und Verteidigung den genauen Inhalt. Deswegen kann es sein, dass teilweise auch die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen wird. Geladen sind vier Zeugen, drei aus der bayerischen Finanzverwaltung, einer aus einer Finanzbehörde in Baden-Württemberg.

Am ersten Prozesstag sollen bereits drei von ihnen vor Gericht erscheinen. Unter ihnen auch Herr Z., ein Münchner Steuerfahnder, der nun in Altersteilzeit ist. Er soll Hoeneß über einen Bekannten kennengelernt und ihm geholfen haben, seine Selbstanzeige zu formulieren. Wegen dieser Nachtsitzung im Januar 2013 läuft inzwischen ein Verfahren wegen des "Verdachts der unerlaubten Hilfeleistungen in Steuersachen" gegen ihn.

Am Dienstag ist die vierte Zeugin geladen. Außerdem sollen Urkunden verlesen werden - darunter dürfte auch die Selbstanzeige von Hoeneß sein. Der dritte Tag ist für die Plädoyers reserviert, bereits am nächsten Donnerstagvormittag soll das Urteil im Fall Ulrich H. mit dem Aktenzeichen 68 Js 3284/13 fallen.

Was ist vor dem Justizpalast los?

Weil im großen Sitzungssaal im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße der NSU-Prozess stattfindet, wurde der Hoeneß-Prozess in den Saal 134 im Münchner Justizpalast verlegt. Hier tagt ab und an das bayerische Verfassungsgericht, Zellen für Häftlinge gibt es nicht.

Reichen wird der Platz wohl auch hier nicht für alle Besucher und Journalisten. 100 Plätze gibt es - genau wie im NSU-Verfahren. 49 Sitze sind für Journalisten reserviert. Mehr als 450 Pressevertreter hatten sich versucht zu akkreditieren, doch bereits nach 27 Sekunden waren alle Presseplätze vergeben. Die restlichen 51 Sitze werden für Zuschauer freigehalten. Es dürfte wohl den ein oder anderen FC-Bayern-Freund oder Feind geben, der Interesse daran hat, den Präsidenten des erfolgreichsten deutschen Fußballklubs vor Gericht zu sehen. Wer einen Platz will, muss sich also früh anstellen: Um sieben Uhr morgens öffnet der Justizpalast.

Demonstrationen wurden bis Donnerstagabend bei der Münchner Polizei nicht angemeldet, dennoch werden Beamte am Montag da sein - allerdings deutlich weniger als beim Prozessauftakt gegen Beate Zschäpe. "Wir rechnen nicht mit einem Sicherheitsrisiko", sagt ein Polizeisprecher auf Anfrage. "Aber wir werden die Justiz unterstützen und wachsam sein."

Warum ist die Stimmung in der Bevölkerung so aufgeladen?

Uli Hoeneß spendete Millionen Euro für soziale Projekte, er engagierte sich für Leute aus seinem Umfeld, wenn diese in Schwierigkeiten gerieten. Er setzte sich in Talkshows und gab den Mahner, das gute Gewissen der Republik. Von ihm stammen Sätze wie: "Ich weiß, dass es doof ist, aber ich zahle volle Steuern." Seine Stellung als moralische Instanz hat Hoeneß mittlerweile verspielt. Nun gilt der Bayern-Präsident als Beispiel für Gier und Doppelmoral.

Zumindest bei einem Teil der Bevölkerung. Denn der größte Steuerprozess seit Jahren spaltet die Republik. Während gegnerische Fans in den Stadien "Hoeneß in den Knast" singen, gibt es auch zahlreiche Menschen, die Hoeneß stützen, vornehmlich Fans des FC Bayern. Sie sagen: Wer so viel Gutes getan hat, der kann auch einmal einen Fehler machen. Als Hoeneß bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern im November den Saal betrat, klatschten die Mitglieder frenetisch Beifall, sie besangen ihren Präsidenten minutenlang. Der weinte vor Rührung.

Wer urteilt über Ulrich Hoeneß?

Er wird über Hoeneß richten: Rupert Heindl. Und er ist "knallhart" - behauptet zumindest die Bild. Eine 75-jährige verurteilte er zu drei Jahren Haft, weil sie eine Frau um 250.000 Euro betrogen hatte. Einen Arzt ließ er durch die Polizei abholen, weil der nicht einsah, dass er zum Prozess persönlich erscheinen muss. Der 47-Jährige gilt als ebenso gründlicher wie strenger Richter, der sich von Tränen nicht beeindrucken lässt. Und der, wie er in dem ein oder anderen Prozess schon betont hat, keine Deals, keine Vergleiche mag.

Seit 2011 ist Heindl Vorsitzender Richter der fünften Strafkammer des Landgerichts München II, der Wirtschaftsstrafkammer. Viel mehr ist über ihn nicht bekannt, er will nicht, dass Details seiner Biografie in der Presse stehen. Neben dem Vorsitzenden Heindl werden vier weitere Richter über Hoeneß urteilen: zwei Berufsrichter und zwei Schöffen, also ehrenamtliche Richter.

Bleibt Hoeneß im Falle einer Verurteilung Präsident des FC Bayern?

Nach Ende seiner Fußballerkarriere stieg der 27-jährige Uli Hoeneß als Manager beim FC Bayern ein. Seit 2009 ist er Vereinspräsident, damit sitzt er automatisch auch im Aufsichtsrat. Im Klub läuft nichts mehr ohne ihn. Der 62-Jährige entscheidet bei Millionentransfers mit, aber auch bei Detailfragen, zum Beispiel wenn der Luftdruck der Trainingsbälle bestimmt wird. Für viele ist Hoeneß der FC Bayern.

"Wenn ich das Gefühl habe, dass meine Person dem Verein schadet", sagte er im Zeit-Interview im Mai 2013, "werde ich Konsequenzen ziehen". Doch nun - zehn Monate später - ist er weiterhin im Amt. Der Bayern-Aufsichtsrat votierte im November 2013 einstimmig dafür, dass Hoeneß bleiben soll. Damit handelte sich das Gremium viel Kritik ein. Es wurde diskutiert: Warum legen die im Bayern-Gremium sitzenden DAX-Unternehmen andere Maßstäbe an als in der eigenen Firma? Fest steht: Falls Hoeneß verurteilt wird, wird diese Frage die Aufsichtsräte erneut einholen.

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