Süddeutsche Zeitung

Prozess wegen Steuerhinterziehung:Wie Hoeneß die Fahnder vertröstete

Warum stellte Uli Hoeneß den Steuerfahndern seine Kontodaten so spät zur Verfügung? Fest steht: Vor allem die Devisentermingeschäfte des Bayern-Präsidenten waren kompliziert, immer wieder verwies er auf fehlende Unterlagen von seiner Bank - bis die Staatsanwaltschaft die Geduld verlor. Eine Chronologie der Ereignisse.

Aus dem Gericht von Bastian Brinkmann und Lisa Sonnabend

Am 17. Januar 2013 bekam das Finanzamt Miesbach Post. Uli Hoeneß brachte eine Selbstanzeige vorbei. Vor Gericht schilderte die für den Fall Hoeneß zuständige Fahnderin des Finanzamts Rosenheim, was danach passierte - nämlich sehr lange sehr wenig. Erst am 27. Februar 2014, mehr als ein Jahr nach der Selbstanzeige und wenige Tage vor Prozessbeginn, übergab Hoeneß alle Kontodaten an die Ermittler. Und dann auch noch in fast unlesbarer Form. Die Zeugenaussage der Fahnderin hilft, die Chronik der Ermittlungen nachzuzeichnen:

Nach dem Eingang der Selbstanzeige im Januar 2013 wird die Staatsanwaltschaft informiert. Das ist bei Selbstanzeigen üblich. Während die Ermittler sich die Unterlagen anschauen, werfen die Finanzbeamten einen ersten Blick auf Hoeneß' bis dato geheime Schweizer Konten. Sie finden Erträge in hoher Millionenhöhe. Wäre davon nichts steuerfrei, würde sich die Nachzahlung auf 70 Millionen Euro summieren, schätzen die Fahnder. Allerdings ist ihnen direkt klar: Nur mit den Jahresendständen der beiden Konten können sie nichts Belastbares berechnen. In Hoeneß' Schweizer Kasse befinden sich Aktien und fest verzinste Anlagen, deren Steuerschuld leichter zu berechnen ist - aber auch viele Derivatetermingeschäfte, die mal steuerfrei sind und mal nicht. Die Fahnder sehen, dass sie praktisch jede Transaktion prüfen müssen. Dafür brauchen sie detaillierte Kontoauszüge.

Spekulativ versus strategisch

Die Steuerfahnder geben Hoeneß bis Ende Februar Zeit, die nötigen Unterlagen beizubringen. Daraus wird nichts. Am 21. Februar 2013 besprechen sich die Staatsanwaltschaft München, die nun vor Gericht aussagende Steuerfahnderin und sein Steuerberater. Es wird geklärt, wo das Geld für Hoeneß' Zockergeschäfte herkommt, um auszuschließen, dass dort Schwarzgeld liegt. Hoeneß' Steuerberater erklärt mit Unterlagen der Bank, wie die Spekulationen im Allgemeinen abgelaufen sind. Wenn alle Geschäfte so abgelaufen sind, könnten viele steuerfrei sein, weil sie "strategisch" vorgenommen wurden. Damals mussten nur spekulative Finanztransaktionen versteuert werden, wenn Derivate beispielsweise kurzfristig gehandelt wurden. Doch wie die Devisentermingeschäfte abgelaufen sind, kann Hoeneß' Steuerberater noch nicht erklären - er habe keine Unterlagen dazu von der Bank.

Am 4. März 2013 übergibt Hoeneß' Steuerberater einen blauen Ordner. Darin finden sich zwei Anschreiben von der Schweizer Vontobel-Bank und eine Excel-Liste. Aus Sicht der Fahnder sind die Unterlagen nicht hilfreich und können nicht zur Aufklärung beitragen. Die Steuerfahnderin wird den Inhalt des Ordners nicht in ihren Bericht aufnehmen, aufgrund dessen der Staatsanwalt die Anklage formulieren wird.

Am 20. März fahren Polizeiwagen vor Hoeneß' Anwesen am Tegernsee vor. Auch die Steuerfahnderin und der Staatsanwalt sind dabei. Sie bleiben jedoch nicht lange, sondern bringen Hoeneß in die Nymphenburger Straße in München, ins Strafjustizzentrum. Die Steuerfahnderin lässt sich von Kollegen berichten, was bei der Durchsuchung herauskommt. Sie finden eine Vollmacht für Hoeneß' Ehefrau, Unterlagen zu der Zahlung an das Finanzamt Miesbach sowie Unterlagen, die den Finanzbeamten in Altersteilzeit erwähnen, der Hoeneß beim Anfertigen der Selbstanzeige geholfen hat. Dies hat zur Folge, dass gegen den Mann ermittelt wird. Einen Tag später ruft Hoeneß bei den Steuerfahndern an und bedankt sich für die diskrete Durchsuchung.

Die Steuerfahnderin und das Team Hoeneß' vereinbaren, weiterhin daran zu arbeiten, die Unterlagen auszuwerten. Die Steuerfahnderin schlägt vor, sich auf die ersten Jahre zu konzentrieren. In diesen hat Hoeneß am meisten Gewinn gemacht und somit die meisten Steuern hinterzogen. Die Fahnderin will die Jahre nach und nach auswerten. So könnte sie schneller an die Daten kommen, hofft sie.

Hoeneß' Anwalt meldet sich und berichtet von umfangreichen Ermittlungen in der Schweizer Bank. Die Staatsanwalt setzt eine neue Frist bis 10. Juni.

Schon Anfang Juni meldet sich Hoeneß' Verteidiger mit schlechten Nachrichten. Es gebe bis auf Weiteres keine neuen Unterlagen aus der Schweiz. Die Staatsanwaltschaft entscheidet, mit den nun vorliegenden Unterlagen eine Anklage einzureichen. Die geht im Juli bei Gericht ein. Zugleich macht sie weiter Druck auf Hoeneß, setzt immer weitere Fristen, zuletzt bis zum 28. Februar 2014 - wenige Tage vor Prozessbeginn am 10. März.

Im Februar meldet sich Hoeneß' Anwalt bei der Fahnderin. Er verspricht, die Unterlagen bald zu liefern. Die beiden machen einen Termin für den 27. Februar aus. Der Anwalt bringt einen USB-Stick mit. Darauf sind drei Ordner gespeichert. Einer enthält Dokumente der Bank, etwa die Kontobevollmächtigung von Hoeneß' Ehefrau Susi. Die beiden anderen Ordner enthalten je die Kontoauszüge für die beiden Schweizer Konten. Es sind 52 000 Seiten, berichtet die Steuerfahnderin. "Ein großer Schuhkarton", wirft der Richter ein. Allerdings kann die EDV-Abteilung des Finanzamts diese nicht in die Software der Ermittler einspielen. Die Bank hat PDF-Dateien geliefert, schräg über den Seiten prangt ein Hinweis auf das Copyright. Der verdeckt Inhalte, auch Zahlen auf den Kontodaten, was eine automatische Bearbeitung unmöglich macht. Die manuelle Eingabe würde Monate dauern.

Aussage zu 52 000 Seiten

Am 5. März, in der Woche vor dem Prozess, übergibt die Verteidigung zwei weitere USB-Sticks. Einer enthält erneut die gleichen Kontodaten als PDF - nur ohne den Copyright-Schriftzug über den Seiten. Die IT kann die Dateien nun maschinell auswerten. Auf dem zweiten USB-Stick, so der Verteidiger zur Steuerfahnderin, befinde sich eine interne Tabelle der Bank im Excel-Format, was leichter ausgewertet werden kann als PDF-Dateien. Die Tabelle sei Grundlage für die Abrechnung durch die Bank.

Die EDV des Finanzamts überprüft die USB-Sticks. Eine PDF-Datei auf dem ersten Stick vom 25. Februar 2014 ist schon im Januar 2013 angelegt worden - sie ist also mehr als ein Jahr alt. Jedoch sieht der Techniker des Finanzamts auch, dass im Februar 2014 die Dateien verändert wurden. Dabei könnten Seiten oder Inhalte ergänzt oder geändert worden sein. Was geändert wurde, ist im Nachhinein nur mithilfe der Datei nicht nachzuvollziehen. Hoeneß' Verteidigung betonte vor Gericht, dass die Bankunterlagen auf keinen Fall bereits im Januar 2013 vorgelegen hätten.

Am Dienstagnachmittag geht die Vernehmung der Steuerfahnderin weiter - dabei macht sie eine spektakuläre Angabe. Demnach beziffert sich Hoeneß' Steuerschuld auf etwa 26,3 Millionen Euro.

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