Süddeutsche Zeitung

Prozess gegen Uli Hoeneß:Das 15-Millionen-Euro-Rätsel

Der Staatsanwalt wirft Uli Hoeneß Steuerhinterziehung in Höhe von 3,5 Millionen Euro vor - und der Bayern-Präsident erklärt mal eben vor Gericht, dass es doch um eine zweistellige Millionensumme gehe. Warum macht er das? Welche Steuern hat er noch geprellt? Antworten auf die drängendsten Fragen.

Von Bastian Brinkmann

Uli Hoeneß hat Steuern hinterzogen. Das liest der Staatsanwalt vor, rechnet die Jahre zusammen, für die er den Präsidenten des FC Bayern München noch belangen kann und präsentiert eine Summe: Laut Anklage geht es um 3,5 Millionen Euro. Dann liest Hoeneß eine Erklärung vor (hier im Wortlaut) und präsentiert eine Überraschung: Er habe noch viel mehr Steuern hinterzogen - es gehe um eine zusätzliche Summe "im zweistelligen Millionenbereich". Sein Verteidiger Hanns Feigen nennt 15 Millionen Euro als eine grobe Schätzung.

Hoppla. Das ist deutlich mehr als die 3,5 Millionen, die ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legt. Wo kommt die zusätzliche Summe her?

Hoeneß hat bisher einen Teil seiner illegalen Einkommen verschwiegen. Er hatte zwei geheime Konten bei der Schweizer Bank Vontobel. Dort lag sein Spielgeld. Er zockte mit Währungen, tauschte Yen gegen Dollar gegen Schweizer Franken und hoffte, dass seine Wetten aufgingen - Devisentermingeschäfte. Sackte er einen Gewinn ein, legte er Teile des Überschusses in Aktien und anderen Finanzprodukten an, wo das Geld Zinsen einbrachte - aber eben nur einen Teil. Die Zinsen darauf, las Hoeneß vor Gericht vor, sind die 33,5 Millionen Euro Einkünfte, von denen in der Anklage die Rede sei. Auf diese Einkünfte habe er die 3,5 Millionen Euro Steuern geprellt. Doch manche Gewinne aus den Devisentermingeschäften habe er genutzt, um weiterzuzocken. Besonders in den Jahren 2002, 2003 und 2005 habe er so beträchtliche Spekulationsgewinne eingefahren, zusätzlich zu den Zinsen - die hätte er versteuern müssen.

Warum erfährt die Öffentlichkeit das erst jetzt?

Das ist die Strategie der Verteidigung. Hoeneß präsentiert sich als Geständiger, der viel mehr zugibt, als die Staatsanwaltschaft bis dato belegen konnte. Diese Strategie gilt jedoch als hochriskant (mehr dazu hier). Erst vor wenigen Tagen sind die gesamten Unterlagen der Bank Vontobel bei Staatsanwaltschaft und Gericht eingegangen. Aus den 70 000 Blatt sollen die Spekulationsgewinne erkenntlich werden. Bisher steht in der Anklage nur: "Ob und wenn ja, in welchem Umfange weitere Devisentermingeschäfte steuerpflichtig waren, ist nicht bekannt." Richter und Staatsanwalt haben kritisiert, dass Hoeneß das Material nicht früher geliefert hat. Sein Verteidiger Feigen gibt der Bank die Schuld.

Stand das nicht in der Selbstanzeige?

Hoeneß flickte Mitte Januar 2013 in einer Hauruck-Aktion eine Selbstanzeige zusammen. Dabei halfen ihm ein Steueranwalt, ein Steuerfahnder und sein Sohn. Wichtige Unterlagen der Bank fehlten allerdings - den Männern lagen nur Jahresendstände der Konten vor, da Hoeneß nie Unterlagen von der Bank haben wollte. Die Jahresendsaldi sagen aber nichts darüber aus, welche Achterbahnfahrten seine Gewinne im Verlauf des Jahres genommen haben. Nur eine komplette Selbstanzeige schützt vor einer Strafe. Hoeneß gibt sich vor Gericht zuversichtlich, dass das bei ihm der Fall ist: "Ich gehe davon aus, dass sich bei genauer Betrachtung herausstellen wird, dass die Angaben in der Selbstanzeige zutreffend waren", sagt er.

Wie hätte Hoeneß die Gewinne versteuern müssen?

Für das Gericht sind die Jahre 2003 bis 2009 relevant - und zwar zunächst jedes Jahr einzeln. Erst am Ende addiert der Staatsanwalt, um auf die gesamte Steuerschuld zu kommen. Die Steuergesetze haben sich in dem Zeitraum oft geändert. Bis 2009 galt die Spekulationsteuer für private Veräußerungsgeschäfte. Nicht jeder Verkauf einer Aktie war relevant, jeder Verkauf muss einzeln geprüft werden. Stand dem Finanzamt etwas zu, hätte Hoeneß einen Steuersatz in Höhe seines Einkommensteuersatz zahlen müssen. Für einen gutverdienenden Fußballmanager und Wurstfabrikbesitzer war dies wahrscheinlich der Höchstsatz. Auch der hat sich in dem Zeitraum mehrmals geändert. Seit 2009 gilt statt der Spekulationsteuer die Kapitalertragsteuer. Sie beträgt 25 Prozent und wird direkt von der Bank eingezogen und ans Finanzamt überwiesen, weshalb sie auch Quellensteuer heißt.

Warum könnte das Geständnis den Prozess verzögern?

Hoeneß' Steuerschuld zu berechnen ist aufwändig, nicht nur wegen der Gesetzesänderungen im fraglichen Zeitraum. Es geht um eine unglaublich große Anzahl von Transaktionen: Hoeneß selbst spricht von Zehntausenden Deals, die seine Bank für ihn ausgeführt habe. Dazu kommt, dass er nicht immer erfolgreich spekuliert hat. Verluste lassen sich manchmal ins folgende Jahr übertragen, manchmal nicht. Der Geständige darf auch alle Abschreibungsmöglichkeiten nutzen, die damals galten. Auch das wird bei einer Selbstanzeige berücksichtigt. Diese komplexe Kalkulation kostet Zeit.

Wie geht es weiter?

Der Verteidigung lagen die Unterlagen länger vor als der Staatsanwaltschaft — warum sie noch keine genaue Schadenssumme nennen kann, ist unklar. Sie hat auch noch keine genaue Aufschlüsselung präsentiert, wie hoch die Gewinne und Verluste sind, die Hoeneß eingefahren hat. An diesem Dienstag sagt die Steuerfahnderin aus, die für den Fall Hoeneß zuständig ist. Sie könnte die Sache erhellen. Der Richter könnte zudem aufgrund der neuen Informationen zusätzliche Prozesstage anberaumen. Bisher ist das Urteil für Donnerstag angesetzt.

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