Kein Hefeteig geht so schnell auf wie dieser Prozess. Würde er so weitergehen wie bisher, liefe er für Uli Hoeneß nicht nur auf einen persönlichen, sondern auch auf einen wirtschaftlichen Totalschaden hinaus. Binnen zweier Verhandlungstage wuchs die Summe der hinterzogenen Steuern um 23,7 Millionen Euro. Dies warf eigentlich die Frage auf, ob das laufende Strafverfahren noch das richtige Gefäß ist für die immer weiter aufquellende Steuerschuld.
Das Gericht scheint diese Frage zu bejahen. Es hat, ebenso wie die Verteidigung, die überschlägige Berechnung der Steuerfahndung akzeptiert. Das heißt offenbar: Bei der jetzigen Summe soll der Deckel drauf auf das Steuerstrafverfahren. Noch mehr soll nicht herauskommen, es soll nicht weiter recherchiert, es soll nicht weiter geforscht, es soll nicht weiter ermittelt werden. Das ist ein Deal.
Angeklagt ist Hoeneß wegen einer hinterzogenen Summe von nur 3,5 Millionen Euro. Der Prozessstoff ist explodiert. Es gibt natürlich rechtliche Möglichkeiten, die neuen Erkenntnisse und die neuen Summen in die laufende Verhandlung einzubeziehen. Das Gericht will diese Möglichkeiten nutzen - und sich zugleich mit dem zufrieden geben, was jetzt auf dem Tisch liegt.
Die Steuerfahnderin hat bei ihren Berechnungen und Schätzungen von einem "best case" für Hoeneß gesprochen. Dieser "best case" soll jetzt dem Urteil zugrunde gelegt werden. Sinn eines Strafverfahrens ist das eigentlich nicht. Der besteht in der Erforschung der Wahrheit.
"Best case" für Hoeneß
Gewiss: Kein Steuer- und Wirtschaftsprüfer kann in ein paar Tagen Hunderttausende Kontobewegungen mit der notwendigen Sorgfalt nachvollziehen - auf dass dann auf dieser Basis die finanzielle und strafrechtliche Schuld des Angeklagten ordentlich bemessen werde. Hoeneß und seine Bank haben ein Jahr gebraucht, um die Unterlagen - einmal dahingestellt, ob sie nun wirklich komplett sind - vorzulegen. Sie wurden nun husch, husch und Pi mal Daumen geprüft - "best case" für Hoeneß.
Das war offenbar die Prozess-Strategie der Verteidigung: Alles, was auch nur vage bekannt ist, einzubeziehen, die Summe der Steuerschuld zu deckeln - und dann ein für allemal Ruhe zu haben vor weiteren Ermittlungen. Was noch im Dunkel ist, soll im Dunkeln bleiben.
Sinnvoller wäre es gewesen, wenn das Gericht das Verfahren ein paar Monate ausgesetzt hätte und in dieser Zeit die Konten penibel hätte auswerten lassen. Dann hätte es die Verhandlung ganz neu ansetzen können, auf der Basis von neuen, stabilen Erkenntnissen. Diese Chance hat das Gericht wohl verpasst.