Probleme des FC Bayern:Schimpfen, abwinken, resignieren

Der FC Bayern im Jahr 2012: Gelingt kein früher Treffer, werden die Spieler unsicher und hektisch - richtig aufbäumen kann sich keiner. Das 0:1 in Basel zeigt erneut, dass die aktuelle Bayern-Krise auch eine Frage der richtigen Einstellung ist. Nur der Trainer sieht keinen Anlass zur Sorge.

Jürgen Schmieder, Basel

Die Spieler des FC Bayern können froh sein, dass Oliver Kahn seine Karriere längst beendet hat. Dem Torwart wäre so eine Situation wie nach dem 0:1 in der 86. Minute durch Valentin Stocker nicht untergekommen: Kahn hätte sich kurz geschüttelt, dann hätte er seine Kollegen mit patschenden Händen und Gebrüll angefeuert. Am Ende hätte er den Ball zur Mittellinie geworfen, zur Not hätte er das Spielgerät ins gegnerische Tor geboxt und einen Mitspieler hinterhergeworfen.

FC Basel 1893 v FC Bayern Muenchen - UEFA Champions League Round of 16

Ratlos in Basel: Bayern-Angestellte Müller, Robben (von links).

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Im Tor der Münchner steht jedoch seit dieser Saison Manuel Neuer, und der holte das Spielgerät resigniert aus dem Tor und kegelte es nach vorne, gerade mal bis kurz hinter die Strafraumgrenze. Seine Kollegen winkten derweil kollektiv ab oder schimpften miteinander. Vorne stand Mario Gomez, stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf.

So verhielt sich der FC Bayern nach dem Gegentor: Jeder war sauer auf den anderen und irgendwie auch auf sich selbst. Aber kaum einer dachte daran, dass da noch einige Minuten zu spielen waren - und keiner teilte das den Kollegen mit. Es gibt derzeit keinen Akteur, der die anderen mitzureißen vermag, ob nun durch sportliche oder verbale Aktionen.

Wäre Basels Trainer Heiko Vogel ein gehässiger Mensch, dann hätte er später gesagt, dass er sich bei der Betrachtung der Münchner Spieler hätte sicher sein können, dass nach diesem späten Treffer nichts mehr würde passieren können.

Vogel ist jedoch alles andere als ein gehässiger Mensch, also sagte er: "Wir haben gewusst, dass der FC Bayern mit aller Wucht kommt und loslegen wird wie die Feuerwehr. Diesem Druck mussten wir standhalten - danach konnten wir den ein oder anderen gefährlichen Nadelstich setzen."

"Ribery hat mir den Handschlag nicht verwehrt"

Der FC Bayern begann das Spiel tatsächlich wuchtig und mit der Schnelligkeit der Feuerwehr, Robben umdribbelte zu Beginn alles, was sich umdribbeln ließ. Die Elf erspielte sich sehenswert zwei Gelegenheiten, bei denen Franck Ribéry jeweils am herausragend reagierenden Yann Sommer scheiterte. Danach wirkte Ribéry genervt - genauso wie Robben, nachdem einige Flanken im Toraus und ein Schuss auf dem obersten Rang der Tribüne gelandet waren.

"Uns fehlt derzeit die Sicherheit im Abschluss", sagte Trainer Jupp Heynckes nach dem Spiel, "wenn Franck eine der beiden Chancen verwertet, dann kann das Spiel anders laufen." Philipp Lahm ergänzte: "Uns hat im Abschluss auch das Glück gefehlt." Manuel Neuers Analyse war ähnlich, er wählte nur drastischere Worte: "Wenn wir nicht in Führung gehen, dann müssen wir wenigstens zu null spielen."

"Was ist eigentlich passiert zwischen Weihnachten und heute?", fragte Karl-Heinz Rummenigge auf dem Bankett im Hotel. So banal es auch klingen mag: In der Hinserie hatte der FC Bayern meist ein recht schnelles Tor erzielt, anschließend den Gegner müde gespielt und war danach mit flinken Kontern gefährlich. Derzeit fehlt dieser erste Treffer - und die Münchner Akteure werden erst ungeduldig, dann werden sie hektisch, schließlich werden sie wütend. Ungeduld, Hektik und Wut sind nicht unbedingt die Attribute, die zu präzisen Angriffen und selbstbewussten Torschüssen führen.

Deshalb durfte der FC Basel an diesem Abend vorführen, wie der FC Bayern derzeit zu besiegen ist: Man muss die erste Welle überstehen, notfalls auch mit Glück und einem herausragenden Torhüter. Dann muss man sie ein bisschen ärgern, und dass die ansonsten stabile Münchner Abwehr bei schnellen Angriffen nur mangelhaft verschiebt und dann bisweilen orientierungslos daherkommt, das ist mittlerweile bekannt.

Nur: Wie erklärt man einer Mannschaft, die ohnehin genervt und verunsichert ist, dass sie unbedingt das erste Tor erzielen muss, ohne sie weiter zu nerven oder zu verunsichern? Heyckes wählte am Mittwochabend den pädagogischen Weg. Er verwies auf die starken Trainingsleistungen seiner Elf und darauf, dass er als Trainer genügend Erfahrung mit derartigen Situationen habe. "Es ist nur eine Frage der Zeit", versicherte er. Auch versuchte Heynckes, Luft aus der entfachten Handschlag-Diskussion um Franck Ribéry zu nehmen. "Ribery hat mir den Handschlag nicht verwehrt, er ist einfach grußlos vorbeigegangen", erklärte Heynckes: "Es ist doch klar, dass man enttäuscht ist, wenn man ausgewechselt wird, dem messe ich nicht viel bei."

Viel Zeit jedoch bleibt dem FC Bayern nicht, sonst entgleitet dem Verein erneut eine Saison. Am Sonntag muss die Elf gegen Schalke antreten, dann folgen die Partien in Leverkusen und gegen Hoffenheim - danach findet das Rückspiel gegen den FC Basel statt.

Uli Hoeneß hat derzeit richtig schlechte Laune, das sollte die Mannschaft schleunigst korrigieren, denn einen Uli Hoeneß mit richtig schlechter Laune mag niemand erleben. Rummenigge bemühte deshalb gar Sepp Herberger: "Ihr müsst euch an seine Worte halten: Einer für alle, alle für einen!" So ein Satz allerdings könnte auch von Oliver Kahn stammen.

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