Probleme beim FC Bayern:Wie Jupp Heynckes die Eitelkeiten moderiert

Erklärungsansätze für die Bayern-Schwächephase führen in alle Richtungen: zum verunsicherten Team - und zu Trainer Jupp Heynckes. Mit demonstrativer Gelassenheit und viel Überzeugungsarbeit versucht er, den Klub durch die aktuelle Krise zu manövrieren. Doch im Zentrum der Mannschaft scheinen bereits anstrengende Debatten zu gären.

Andreas Burkert

Louis van Gaal wäre sofort aufgesprungen. Er hätte mit einem Satz die erste Sitzreihe überwunden und sich vor diesem Flegel aufgebaut. Vermutlich hätte er ihn dann geschüttelt und gerührt, zumindest aber hätte er den Mann aus nächster Nähe angeblafft. Als Affront hätte der holländische Trainer jene Frage aufgefasst, die sein Nachfolger Jupp Heynckes soeben in der Presserunde zur Begrüßung vernommen hat:

Training FC Bayern Muenchen

Mit Ruhe und Gelassenheit: Jupp Heynckes bleibt angesichts der aktuellen Bayern-Krise cool.

(Foto: dapd)

"Herr Heynckes, sind Sie nächstes Jahr noch Trainer des FC Bayern?"

Doch Heynckes? Ihn amüsiert dieses Spielchen. Er sei ja lange im Geschäft, "ich weiß, wie die Automatismen funktionieren, vor allem im Boulevard", sagt er. Irgendwie perlt in diesen Minuten jede subtile Provokation an seinem frisch eingecremten Antlitz ab.

Ich habe Vertrag hier"

Seit dieser Saison ist Josef "Jupp" Heynckes, 66, ausgestattet mit einem Vertrag bis 2013, wieder Trainer in München, während der vor knapp einem Jahr entlassene Vorgänger van Gaal vermutlich heiter Rotwein trinkt, im Feriendomizil in Portugal, in Holland und manchmal sogar in München. Denn die nächste Trainerdebatte hat Besitz ergriffen vom Rekordmeister, der nach dem Wintertitel immer weniger Punkte sammelte, der das Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League beim vermeintlichen Winzling Basel verlor (0:1) und zuletzt 0:2 bei jenen Leverkusenern, die soeben beim 1:7 in Barcelona das körperlose Spiel in den Fußball einführten.

Sieben Punkte hinter Dortmund, das hat intern für Debatten gesorgt und draußen für Spekulationen, die der Klub mittwochs per Presseerklärung ("FC Bayern verurteilt ,Gerüchte-Journalismus'") geißelte. Ein bislang einmaliger Vorgang, der vom Verlust einer gewissen Souveränität zeugt.

Aber Heynckes, dem Mann vom Niederrhein, der sich selbst Altersmilde zuspricht, ihn kann das alles nicht aus der Fassung bringen. "Ich weiß, dass wir das Blatt wenden werden", sagt er, und nach weiteren Spitzen aus dem Auditorium spricht er den Satz aus, den er aussprechen muss und der nun bis auf weiteres so stehen bleiben wird: "Ich habe Vertrag hier, und gehen Sie mal davon aus, dass ich den Vertrag erfüllen werde."

Dieser lässige Umgang mit dem Alltag ist es wohl, der Heynckes aus Sicht des FC Bayern für eine dritte Münchner Amtszeit prädestinierte; einen ausgleichenden Moderator benötigten sie nach dem sehr klugen Fußballlehrer van Gaal, der dummerweise auch ein sturer Großkotz sein wollte im größten deutschen Familienbetrieb. Das Problem ist nur: Mit seiner Art, auf Menschen, speziell auf berühmte Profis zuzugehen, stößt Heynckes zurzeit an Grenzen.

Wer sich in dieser ersten heftigen Krisenwoche des FC Bayern umgehört hat, wie es angehen kann, mit diesem erlesenen Kader so weit hinter Dortmund und den eigenen Erwartungen zurückzuliegen, der stößt zwangsläufig auch auf seinen Namen. Aus dem Zentrum der Mannschaft ist zu vernehmen, womöglich müsse der Trainer mehr mit der Mannschaft arbeiten, womit keine Sprints und Torschussübungen gemeint sind, die diese Woche wegen der vielen Fehlversuche in Leverkusen im Plan standen.

Die sogenannten modernen Trainer verfeinern ja heutzutage quasi in Handarbeit ihre Systeme, indem sie die Spieler wie Schachfiguren übers Feld schieben. Heynckes schiebt eher selten sein 4-3-3 herum.

Heynckes lächelt mild

Das ist die eine, subjektive Sicht. Doch da gibt es auch andere Erklärungsansätze, sie werden vornehmlich im Zentrum des Klubs debattiert: Es werde zu wenig gelaufen und geackert, heißt es dort ganz simpel. Thomas Müller sei so ein Beispiel, nicht ganz zufällig habe der junge Mann zuletzt mit diversen Kollegen im Clinch gelegen. Auch dem glücklosen Stürmer Mario Gomez und Toni Kroos, dem Spieler der Hinrunde, fehle es in der bisher ernüchternden Rückserie an der letzten Bereitschaft. So könne man keinen Druck auf Dortmund ausüben.

So in etwa stellt sich die Gemengelage bei den Bayern dar. Ein Trainer, der Mensch ist, aber womöglich eine gewisse Wandlungsfähigkeit nicht mehr vollziehen kann. Und eine Gruppe, in der Eitelkeiten und Unsicherheit dominieren.

Was ist denn bisher passiert?"

Und was sagt Heynckes? Lächelt mild. Er lese von diesen Geschichten nicht viele, erklärt er und betont, bis Oktober habe man "doch Fußball gezeigt, der in München lange Jahre nicht mehr gespielt wurde" (was der Champions-League-Finalist van Gaal davon hält, wäre interessant zu wissen).

Die Stimmung im Team sei bestens, ergänzt Heynckes, nur "größeres Engagement vor dem Tor" empfehle er. Und dann fragt er in die Runde: "Was ist denn bisher passiert?" Verloren sei in keinem Wettbewerb irgendetwas.

Am Samstag kommt Hoffenheim. Am Dienstag kommt Basel. Rafinha sei erkältet und falle wohl fürs Wochenende aus, berichtet Heynckes, dafür hoffe er auf Bastian Schweinsteigers Rückkehr in den Kader.

Und dann sagt er kurz vor seinem Abschied beiläufig noch einen Satz, der die Brisanz der Debatten plötzlich doch auf den Punkt bringt und seine enorme Gelassenheit als kleines Kunststück erscheinen lässt. "Die nächsten zwei Spiele", findet Jupp Heynckes, "die sind eminent wichtig."

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