Probleme bei Cristiano Ronaldo:Gepiesackt von lauter Messis

Vergebene Chancen und jetzt auch noch Häme: Schadenfrohe Fans anderer EM-Nationen erlauben sich Späße mit dem bisher erfolglosen Portugiesen Cristiano Ronaldo - indem sie ihn erinnern, dass er nicht der beste Spieler der Welt ist. Noch scheint der sonst so eitle Real-Profi das zu ertragen.

Claudio Catuogno

Es gibt womöglich wichtigere Fragen im Leben, als die, ob Cristiano Ronaldo der beste Fußballer dieses Planeten ist. Für Portugals Nationalelf sowieso - aber auch für Cristiano Ronaldo. So beschäftigte Portugals Nationalelf bei dieser EM zunächst die Frage, wie man in einem Spiel mit ungefähr tausend Torchancen kein Tor erzielen kann. Das war beim 0:1 gegen Deutschland ihr Problem gewesen. Gegen Dänemark sind es am Mittwoch dann drei Treffer geworden - Problem gelöst.

Denmark vs Portugal

Narziss und Goldjunge: Cristiano Ronaldo gelang bei dieser EM bisher kein Treffer.

(Foto: dpa)

Aber leider auch zwei Gegentreffer. Deshalb denkt der Nationaltrainer Paulo Bento jetzt darüber nach, "wie wir unsere Organisation verbessern, wie wir unsere Spieler am effektivsten einsetzen, wie wir unsere Schwachpunkte kaschieren, wie wir bestmöglich regenerieren" bis zum Entscheidungsspiel gegen die Niederlande am Sonntag. Solche Dinge. Cristiano Ronaldo? Bento zuckt mit den Schultern. Was soll es zu Ronaldo zu sagen geben?

Für Cristiano Ronaldo ist die Frage nach dem Besten der Welt auch irrelevant. Schließlich ist sie längst abschließend geklärt. Ronaldo sitzt da sozusagen empirisch an der Quelle. Ergebnis: Einen großartigeren Fußballer als ihn hat die Natur nicht vorgesehen. Interessant wird es immer dann, wenn dieses Selbstbild von der Realität herausgefordert wird.

Zwar waren auch am Mittwochabend in Lemberg einige Dinge wie immer. Etwa, dass von Ronaldo nicht in erster Linie Antworten erwartet werden, wenn er nach dem Spiel den Medienbereich betritt. Sondern Autogramme. Journalisten reckten ihm ihre Akkreditierungs-Plaketten entgegen, auch die Volunteer-Mädchen stürzten sich kreischend ins Getümmel, bis ein Uefa-Aufpasser herbeistürmte und alle Beteiligten an ihre beruflichen Pflichten erinnerte.

Soweit also nichts Ungewöhnliches. Dass ihn die Verklärung auf Schritt und Tritt verfolgt, nimmt Ronaldo inzwischen so widerspruchslos zur Kenntnis wie ein Seefahrer die Tatsache, dass ihm auf dem Ozean hin und wieder mal eine Welle begegnet. Aha, eine Welle. Was auch sonst.

Cristiano", mit diesem Satz hatte ihn ein portugiesischer Reporter gleich nach der Landung in der Ukraine willkommen geheißen, am Abend vor dem Auftaktspiel gegen die Deutschen, "ich habe gerade schon Thomas Müller gefragt, wer der beste Spieler der Welt ist, du oder Lionel Messi. Müller wollte sich da nicht festlegen. Ist das nicht eine Beleidigung für dich?"

Ronaldo war das, was Thomas Müller gesagt hat, aber ziemlich egal. "Also für mich bist du der beste der Welt", setzte der Portugiese nach, "und jeder weiß, dass du der beste Spieler bei diesem Turnier sein wirst. Und nun meine Frage: Wie geht es dir?" Tja, wie geht es ihm?

Er hat bisher kein Tor geschossen. Nicht gegen die Deutschen, auch nicht gegen die Dänen. Da brauchte es einen Kopfball des Innenverteidigers Pepe (24.), einen Präzisionsschuss von Hélder Postiga (36.), und schließlich den Joker Silvestre Varela, um den Sieg herauszuschießen. Ohne Varelas Last-Minute-Treffer (87.) wäre Portugal schon so gut wie ausgeschieden. "Ich schieße kein Tor, aber wir gewinnen", kommentierte Ronaldo, "das ist okay, das unterschreibe ich gerne."

Ronaldo? Oder eine Verwechslung?

Aber entspricht es auch seinem Selbstverständnis? Natürlich nicht. Zwei Jahre nacheinander hat er in der spanischen Liga jetzt mehr als 40 Saisontore geschossen für Real Madrid. Doch wer am Mittwochabend in Lemberg zugeschaut hat, wie grotesk Ronaldo den Ball entweder neben das Tor, über die Latte oder in die Arme des Schlussmannes Stephan Andersen stolperte, der musste an eine Verwechslung glauben.

Gegen die DFB-Elf war wenigstens sein Einfluss auf das Offensivspiel prägend gewesen. Diesmal lief es über weite Strecken an ihm vorbei. Und wenn Ronaldo doch mal den Ball hatte, trug das zumindest nicht dazu bei, seinen Ruhm zu mehren. Die dänischen Fans riefen: "Messi! Messi! Messi!" Und jetzt führen sie rund um Portugals Nationalelf wieder genau die Debatte, vor der sie sich immer so fürchten bei den großen Turnieren.

Cristiano! Sie haben wieder Messi gerufen! "Ja", sagt Ronaldo, "hab' ich gehört." Was sagst du dazu? "Wisst ihr", das sagt Ronaldo dazu, "wo Messi letztes Jahr war? Bei der Copa América." Die Copa América, das ist quasi die Europameisterschaft der Südamerikaner. "Und was hat er da gemacht? Er ist mit Argentinien in der ersten Runde rausgeflogen. Bei der Copa América, die zu Hause bei ihm in Argentinien stattfand. Trotzdem gibt es Leute, die sagen, er sei der Beste."

Genau genommen ist Lionel Messi damals im Viertelfinale ausgeschieden, der gleiche Messi übrigens, dem in einem Testspiel gegen Brasilien gerade ein Hattrick gelang, der erste gegen die Seleção seit dreißig Jahren, und auch der gleiche Messi, der in der Primera Division für Barcelona dieses Jahr noch ein paar Tore mehr erzielt hat als Ronaldo für Madrid.

Jener Messi aber auch, der wiederum nicht so akkurat frisiert ist und auch nicht so hübsche Ohrsteckerchen trägt. Ach, es ist müßig - wer ist der Schönste, wer ist der Beste, wer kriegt die tollsten Frauen? Aber es wird das portugiesische Team noch beschäftigen. Weil es Cristiano Ronaldo beschäftigt.

Schon vor dem ersten Gruppenspiel, Deutschland gegen Portugal, war eine Gruppe deutscher Schlachtenbummler in Lemberg vor das Hotel der Portugiesen gezogen und hatte "Messi"-Sprechchöre angestimmt. Eine ganze Weile geht das jetzt schon so, wenn der stolze Portugiese irgendwo auftaucht. Es ist ein infantiler Spaß, den sich Fußballfans da erlauben. Aber er zielt treffsicher auf den Kern jener großen Fragen, die keinen interessieren.

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