Probleme am EM-Austragungsort Lemberg:Nur der Duschvorhang glänzt bereits

Baurückstände, Auftragsstreit, Korruptionsvorwürfe: Rund um das EM-Stadion in Lemberg, dem ukrainischen Spielort zweier deutscher Vorrundenspiele, gibt es viele Merkwürdigkeiten. Der Veranstalter scheint noch viel Arbeit vor sich zu haben - bisher existiert nicht einmal eine geteerte Zufahrtsstraße zur Arena.

Johannes Aumüller und Boris Herrmann

Die Kabine ist im Prinzip in Ordnung. Die Inneneinrichtung aus Plastik und Holzimitat mag vielleicht nicht besonders geschmackvoll sein, dafür setzt der Duschvorhang interessante optische Akzente. Er ist blau-weiß gestreift, kontrastiert prima mit den lehmfarbenen Kacheln und - er ist mit Seesternchen bemalt.

EURO 2012 STADIUMS - LVIV

Nichts gegen altmodische Neubauten, aber rund um das EM-Stadion in Lemberg läuft noch nicht alles glatt.

(Foto: REUTERS)

Nichts gegen Seesternchen-Muster. Nichts gegen altmodische Neubauten. Einfachen Ansprüchen genügen diese Umkleideräume im Fußballstadion von Lemberg (Lwiw) allemal. Allerdings wurden für diese frisch eröffnete Spielstätte der Fußball-Europameisterschaft 2012 angeblich 220 Millionen Euro verbaut. Und vor diesem Hintergrund ist es doch erstaunlich, dass es nicht zu etwas mehr Komfort im Nassbereich gereicht hat.

Zumal bald Teams einziehen, die nicht unbedingt für ihre bescheidenen Ansprüche berühmt sind. Am 9. Juni wird sich hier die deutsche Nationalelf vor ihrem ersten EM-Spiel gegen Portugal umziehen. Gut möglich, dass einige der Jungmillionäre solch eine Kabine nicht mehr gesehen haben, seit sie einst ihren Heimatverein verließen. Im Übrigen wäre es bestimmt interessant, das Gesicht von Cristiano Ronaldo zu fotografieren, wenn er den Seesternchen-Vorhang erblickt.

Das Stadion, die sogenannte Lviv-Arena, gilt auch jenseits des Duschtraktes als eines der größten Problemkinder der polnisch-ukrainischen Fußball-EM. Zwischenzeitlich sah es sogar so aus, als würde Lemberg den Gastgeber-Status verlieren, weil aus der Baustelle partout kein Stadion werden wollte. Im vergangenen Oktober organisierte die Stadt endlich eine Eröffnungsparty, inklusive eines Auftritts der amerikanischen Pop-Sängerin Anastacia. Danach rollten wieder die Bagger an.

Nun, kurz vor dem Beginn der EM, sieht dieser Ort auf ganz seltsame Weise sowohl fertig als auch unfertig aus. Es existiert noch immer keine geteerte Zufahrtsstraße. Aber gleich neben dem VIP-Eingang, in der "Bodyguard Waiting Lounge", warten bereits Polstermöbel und Zimmerpflänzchen auf die Leibwächter ukrainischer Oligarchen. Es gibt auch noch keine Parkplätze. Es steht in der Kabine aber schon eine Taktiktafel samt drei Filzstiften bereit.

Wer sich an dem Ort der deutschen Gruppenspiele gegen Portugal und Dänemark umschaut, der findet weiterhin viele Baustellen - und viele Merkwürdigkeiten. Exemplarisch dafür steht das Problem der fehlenden Zufahrtsstraße und der fehlenden Parkplätze. Ursprünglich waren an diesem Teilprojekt auch die Münchner Firma Nanosky und deren ukrainisches Partnerunternehmen Spezdorbud beteiligt. Nanosky hat aus Polymeren, Latex und Siliziumdioxid ein Nano-Spezialgemisch entwickelt, das den Straßenuntergrund gut verdichtet und das sich auch bei Minus-Temperaturen problemlos verarbeiten lässt. Im November 2010 erhielt das Unternehmen den Auftrag für Arbeiten am Lemberger Stadion, doch verbaut wird das Nano-Gemisch dort nicht.

Sergej Dikij von Spezdorbud erklärt das so: Im Mai 2011 habe er von einem Mitarbeiter der zuständigen Tochterfirma des Generalauftragnehmers einen Anruf bekommen und vernehmen müssen, dass die Abmachung nicht mehr gültig sei - weil er und Nanosky "nicht zur Familie" zählen würden.

Die "Familie" hat alles im Griff

Wenn in der Ukraine derzeit von der "Familie" die Rede ist, dann geht es in der Regel um jene einflussreichen Geschäftsmänner aus der ostukrainischen Stadt Donezk, die über gute Kontakte zu dem ebenfalls aus Donezk stammenden Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch verfügen und an vielen EM-Projekten mitwirken - und das mittlerweile nicht mehr nur in ihrer Heimatregion. Dazu zählt zum Beispiel das Firmenkonglomerat Altkom, das über Altkomkiewbud als Generalauftragnehmer für das Lemberger EM-Stadion wirkt.

General view of the West Ukrainian city of Lviv.

Auch in Lemberg fiebert man der EM entgegen - und zählt schon mal die Tage.

(Foto: dpa)

Aus der Ukraine ist zu vernehmen, es gebe keinen Auftrag von Altkomkiewbud an die deutsche Firma Nanosky und dessen Partner. Doch so einfach ist die Sachlage nicht. Es gibt eine Abmachung mit Donspezmontasch - einer Tochterfirma von Altkom, die es versteht, im Verborgenen zu bleiben. Wer telefonisch Kontakt aufnehmen will, wird vertröstet. Eine eigene E-Mail-Adresse hat die Firma zwar nicht, aber sie existiert. In der Firmen-Zeitung Altkom Segodnja heißt es einmal, Donspezmontasch sei eine Untereinheit von Altkom-Investstroj, einer Tochterfirma von Altkom.

Es ging bei dem Auftrag für Nanosky nur um 400 000 Euro, keine große Summe angesichts dessen, dass in der Ukraine für die EM insgesamt rund zehn Milliarden Euro investiert wurden. Aber der Fall steht beispielhaft für die bisweilen schwer durchschaubaren Abläufe und Konstruktionen rund um die dortige EM-Vorbereitung.

Als die Uefa das Turnier 2007 an Polen und die Ukraine vergab, hofften viele westliche Unternehmen auf gute Deals. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nur bedingt. Manche kamen zum Zuge, aber zahlreiche der lukrativsten Aufträge gingen an das Geflecht der großen ukrainischen Firmengruppen, deren wahre Besitzverhältnisse sich bisweilen irgendwo zwischen Zypern, Belize und den Virgin Islands verlieren. Diese profitierten unter anderem von einem Regierungsbeschluss, wonach Aufträge für Stadion- oder Infrastrukturprojekte auch ohne öffentliche Ausschreibung vergeben werden können.

Laut der ukrainischen Zeitung Prawda hat der aus Donezk stammende Vize-Premierminister Boris Kolesnikow auch einem Unternehmen, an dem er selbst beteiligt ist, Aufträge zugeschustert. Kolesnikow weist das strikt zurück. Zahlreiche Beobachter wie der Boxer und Oppositionspolitiker Vitali Klitschko oder der Jurist Wolfram Rehbock vom deutschen Wirtschaftsklub in Kiew sind sich indes einig, dass genau diese Art der Korruption in der Ukraine Systemcharakter hat.

Tatsächlich gibt es starke Indizien, dass im Zuge der ukrainischen EM-Vorbereitungen nur ein Teil der offiziellen Investitions-Summen tatsächlich verbaut wurde. Der Rest des Geldes ist offenbar auf den Konten ausländischer Scheinfirmen versickert. "Das fließt dann irgendwann wieder in die Ukraine zurück", mutmaßt Rehbock.

Dazu passt auch, dass die Firma Eurobalt Limited aus der Familie des Lemberger Stadionbauers Altkom zumindest zeitweise von einer gewissen Lana Zamba geführt wurde, einer Yoga-Lehrerin aus dem zyprischen Limassol. Laut Recherchen der Kiew Post hatte die Dame mit Eurobalt jedoch gar nichts zu tun und war - gegen eine kleine Aufwandsentschädigung - lediglich als Schein-Direktorin eingesetzt worden. Der Journalist, der den Fall öffentlich machte, sagte der SZ, er habe aus höchsten politischen Kreisen in Kiew Drohungen erhalten. Lana Zamba wurde wenige Tage später als Direktorin von Eurobalt abgelöst. Zufälle gibt es.

Vermutlich ist es auch nur ein blöder Zufall, dass die EM-Arena in Lemberg etwa drei Mal so teuer war wie herkömmliche Stadien dieser Kategorie - und dass die Kabineneinrichtung trotzdem aussieht, als stamme sie vom Flohmarkt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: