Pressekonferenz vor EM-Halbfinale:Körperspannung, Herr Schweinsteiger!

Die unbeliebteste Pressekonferenz ist die vor einem großen Spiel: Joachim Löw erklärt mit Pokerface, dass ihn die historische Niederlagen-Serie gegen Halbfinalgegner Italien nicht interessiere. Der Bundestrainer wirkt entschlossen. Der Mittelfeldspieler, den er mitgebracht hat, könnte allerdings ruhig etwas überzeugender rüberkommen.

Thomas Hummel

Medienarbeit gehört heutzutage zum Job von Fußballtrainern und Fußballspielern. Die Fernsehkameras, die Radiomikrofone, die schreibenden Journalisten tragen die Geschichten der großen Fußballturniere hinaus in die Welt, sie mehren deren Aufmerksamkeit und damit auch Werbeträchtigkeit. Trainer und Spieler wissen das und fügen sich mal freudiger, mal widerwilliger der Zeremonie. Aber dieser Termin am Abend vor einem Spiel ist dann doch der unbeliebteste.

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Bundestrainer Joachim Löw (li., neben ihm Bastian Schweinsteiger) gibt sich vor dem Halbfinale gegen Italien selbstbewusst.

(Foto: AFP)

Die veranstaltenden Fußballverbände haben eingeführt, dass sich einen Tag vor jedem Turnierspiel der Trainer und ein Spieler der beteiligten Mannschaften im Stadion der internationalen Presse stellen müssen. Es ist ein netter, aber zumeist überflüssiger Termin, weil kein Trainer der Welt handfeste Anhaltspunkte liefern will, wie er seine Mannschaft am kommenden Tag spielen lässt.

Bundestrainer Joachim Löw versucht bisweilen, sich dieser Pflicht zu entziehen. In Südafrika bei der WM schickte er vor dem Achtelfinale gegen England seinen Torwarttrainer Andreas Köpke, die englischen Reporter reagierten not amused. Eine Missachtung der Etikette sei das, und außerdem: Andreas Köpke! Einer dieser deutschen Torhüter, die ihnen im Elfmeterschießen schon mächtig den Spaß verdorben hatten! Es kam zu einem kleinen Aufruhr.

Vor dem letzten Gruppenspiel dieser EM in Lemberg gegen Dänemark wollte Löw wieder nur einen Ersatz-Conferencier schicken. Manager Oliver Bierhoff sollte den Termin übernehmen. Doch dieses Mal übte die Europäische Fußball-Union Uefa Druck aus, Löw musste erscheinen.

Vor dem EM-Halbfinale in Warschau beugte sich der Bundestrainer freiwillig. Er stieg am Mittwoch pünktlich um 17:15 Uhr auf das Podium und begann sogleich die Dinge zu sagen, die man eben als Trainer so sagt, 27 Stunden vor einem wichtigen Spiel. Die besten vier Mannschaften seien im Halbfinale, die Luft werde nun dünn, das Niveau der Teams sei sehr ausgeglichen. "Man braucht vielleicht auch ein bisschen Glück." So wie die Spanier später beim ersten Halbfinale, hätte er sagen könne. Aber das wusste er in diesem Moment noch nicht.

Die Italiener im Saal ritten ein wenig auf der Historie herum, dass Italien noch jedes wichtige Spiel gegen Deutschland gewonnen habe. Sie träumten wohl von der Antwort: Der Mannschaft geht nun tatsächlich die Düse und sie würde am liebsten gar nicht antreten. Dieser Satz hätte schöne Schlagzeilen produziert, doch in Wirklichkeit sagte Löw: "Für die heutige Generation hat das keine Bewandtnis. Es hat keinen Einfluss auf unsere Vorbereitung, ich werde das auch nicht thematisieren."

Doch ob Joachim Löw wollte oder nicht, die Fragerunde dauert so lange, dass er irgendwann doch seine Gefühlslage offenbarte. Vor dem Halbfinale der WM 2010 war bald klar, dass sein Respekt vor den Spaniern fast übermächtig ist und er kein wirkliches Rezept hatte. Auch diesmal konnte man dem Bundestrainer in einigen Momenten ins Gemüt blicken, von dort kamen eindeutige Signale: Joachim Löw ist sich sehr sicher, dass sein Team in diesem Halbfinale gegen Italien einen wasserdichten Plan hat und das Spiel gewinnen wird - zumindest, wenn nicht alles schief geht.

Gleich zu Beginn verkündete er: "Wir sind uns unserer Stärken bewusst, wir haben eine sehr starke Mannschaft und sind in der Lage, ins Finale einzuziehen." Später fügte er an: "Unsere Mannschaft ist in der Lage, gegen alle Mannschaften auf dieser Welt zu gewinnen." Er saß dabei mit geradem Rücken auf dem Stuhl, seine Stimme war fest und überzeugend. Joachim Löw sah angriffslustig aus. Er muss sich seiner Sache sehr sicher sein.

"Wir können auch den nächsten großen Gegner schlagen"

Löw war nicht alleine auf dem Podium. Zwischen den Pressevertretern der Uefa und des Deutschen Fußball-Bundes saß auch Bastian Schweinsteiger. Er sollte ein Zeichen senden in die Fußballwelt: Der Mittelfeldspieler wird trotz aller Probleme im Halbfinale spielen. "Ich bin hundertprozentig fit und freue mich sehr auf den Klassiker", sagte Schweinsteiger.

Nach seinem schwachen Auftritt gegen Griechenland im Viertelfinale hatte er in Interviews seine Sorge um den lädierten Knöchel kundgetan, und berichtet, dass ihm eventuell die letzte Fitness fehle. Das sei nun anders: "Das Interview war einen Tag nach dem Spiel, da fühlte ich mich nicht ideal. Aber jetzt konnte ich zweimal voll trainieren und fühle mich gut."

Spielt Schweinsteiger allerdings mit der Körperspannung, mit der er am Mittwochnachmittag auf dem Podium im Warschauer Pressesaal saß, bedeutet das nichts Gutes für die deutsche Mannschaft. Neben dem angriffslustigen Löw kauerte Schweinsteiger im Stuhl, ließ die Schultern hängen und sprach mit auffallend leiser Stimme. Mit seinen Worten verkündete er zwar Selbstbewusstsein: "Ich habe das Gefühl, dass wir auch den nächsten großen Gegner schlagen können. Wir haben Argentinien, England, Brasilien, Holland besiegt, als Nächstes sollen die Italiener dran glauben." Doch er sprach müde und angestrengt, vielleicht auch gelangweilt von der halbstündigen Prozedur.

Zwei Stunden nach Löw und Schweinsteiger begann der Auftritt der Italiener. Auch hier trat ein Wackelkandidat auf, Mittelfeldspieler Daniele De Rossi durfte sagen, dass er alles tun werde, trotz Rückenproblemen am Donnerstagabend dabei zu sein. Sein Trainer Cesare Prandelli erklärte, dass die Geschichte der deutsch-italienischen Spiele auch für ihn keine Rolle spiele. Dass sich sein Stürmer Mario Balotelli gerne mit dem Bruder am Rande des Trainings unterhalten dürfe und seine Mannschaft selbstverständlich bestens auf die Deutschen vorbereitet sei.

Immerhin, ein vielleicht entscheidendes Detail kam noch zu Tage: Der Trainer der Squadra Azzurra verriet, dass er trotz der Anspannung am Donnerstag noch ein Mittagsschläfchen halten werde. Auf Nachfrage berichtete er: "Wenn ich die Augen schließe, dann habe ich fast immer sehr schöne Träume. Ich hoffe, dass ich von einem großartigen Abend träumen werde."

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