Premier League:Zwei Fäuste und drei Finger

Premier League - Chelsea v Manchester United

Vor sich selbst geschützt: Zwei Sicherheitskräfte waren vonnöten, um Manchesters aufgebrachten Trainer José Mourinho zu stoppen.

(Foto: Dylan Martinez/Reuters)

Der Fußball rückt beim bisher besten Spiel der Saison in England in den Hintergrund - weil Manchesters Coach José Mourinho kurz vor Schluss mit Chelseas Assistenztrainer heftig aneinandergerät.

Von Sven Haist, London

Was als Nächstes passieren würde, war abzusehen. Und so richtete sich die Aufmerksamkeit natürlich nicht auf Ross Barkley, den Torschützen, der in der sechsten Minute der Nachspielzeit für den FC Chelsea das 2:2 gegen Manchester United sicherte. Sondern auf José Mourinho, dessen bloße Anwesenheit als Gasttrainer schon ausreicht, um seinen ehemaligen Arbeitgeber emotional aus der Contenance zu bringen. In der Vorschau auf seine vierte Rückkehr zu Chelsea im Dienst des englischen Rekordmeisters provozierte Mourinho, indem er diesmal nicht provozierte.

Seine Ankündigung, sich am Spieltag nichts nachsagen lassen zu wollen, was gegen die Etikette verstoßen würde, setzte er zunächst in die Tat um. Nach beiden Treffern für Manchester United durch Anthony Martial (55./73.) blieb Mourinho auf seinem Platz sitzen, die Füße auf der Brüstung und die Hände am Körper. Sein selbstauferlegtes Jubelverbot genügte, um Chelseas Trainerriege um Maurizio Sarri schlecht aussehen zu lassen.

Aus dem Affekt heraus lief Sarri, 59, nach dem späten Treffer feiernd an Mourinho vorbei, seine rechte Faust schwang er durch die Luft. Als Sarri sich an der Seitenlinie beruhigt hatte, bahnte sich aus der zweiten Reihe sein zweiter Assistent Marco Ianni den Weg nach vorne. Auch Ianni stürmte an Mourinho vorbei und schwang seine rechte Faust. Im Gegensatz zu seinem Chef suchte Ianni jedoch Blickkontakt zu Mourinho und begann seine Ausholbewegung auf Kopfhöhe des Portugiesen - als wolle er ihm einen Kinnhaken verpassen. Bei der Rückkehr legte Ianni verbal gegen Mourinho nach, der daraufhin die Verfolgung aufnahm. Gerade noch so rettete sich Ianni vor Mourinho, der durch die Sicherheitskräfte gestoppt wurde, in den Kabinengang. Mehrere Ordnungshüter versperrten dem 55-Jährigen den Zugang zum Spielertunnel. Die Auflösung des Tumults nahm Zeit in Anspruch, das Spiel dauerte länger als 100 Minuten. Die Situation war erst unter Kontrolle, nachdem Sarri deeskalierend auf Mourinho einwirkte.

In der Aufarbeitung der Geschehnisse sah Chelsea ein, dass sich das Vertuschen und Verharmlosen des Vorfalls aufgrund der offensichtlichen Beweislage nicht lohnte. "Ich habe sofort eingesehen, dass wir in dieser Sache falschliegen und habe meinen Assistenten angewiesen, sich bei Mourinho zu entschuldigen. Wir haben einen großen Fehler gemacht", sagte Sarri. Den Fauxpas nutzte Mourinho für sich, indem er seine italienischen Trainerkontrahenten auf der Pressekonferenz vorführte. "Ich habe die Entschuldigung akzeptiert, als er zu mir kam, und ihm mitgeteilt: Ich habe auch Fehler gemacht, als ich so alt war wie du. Wegen dem einen Mal werde ich dich nicht umbringen." Dem gänzlich unbekannten Ianni, 32, der im Sommer mit seinem Vorgesetzten aus Neapel zu Chelsea kam, unterstellte Mourinho "schlechte Erziehung". Und Sarri brachte er in die Bredouille mit der Anmerkung, dass der ihm versichert habe, sich intern der Sache anzunehmen. Über eine mögliche Sanktion seines Assistenten wollte Sarri keine Auskunft geben, kündigte aber eine weitere Aussprache an.

Der jüngste Zoff um Mourinho setzt die Reihe seiner persönlichen Fehden seit seiner zweiten Entlassung bei Chelsea im Dezember 2015 fort. Bei seiner ersten Heimkehr nach London im Herbst 2016 mit Manchester United ereiferte sich Mourinho über den Jubel des damaligen Chelsea-Trainers Antonio Conte. Im Viertelfinale des FA-Cups im März 2017 verunglimpfte ihn das Publikum als "Judas". Am Samstag waren erneut Schimpftiraden nach Abpfiff zu hören, die Mourinho durch drei Finger seiner rechten Hand konterte: ein Hinweis auf seine drei mit Chelsea gewonnenen Ligatitel (2005, 2006, 2015). "Mit Respekt behandelt? Ich finde nicht", sagte Mourinho, "aber die Reaktion ist die Entscheidung der Fans - nicht meine."

Mal wieder rückten die Kontroversen um Mourinho das Geschehen auf dem Spielfeld in den Hintergrund. Dabei war das Unentschieden zwischen Chelsea und Manchester United das bisher beste Saisonspiel der Premier League. Mit einer massiven Defensivtaktik ermüdete Mourinho das gegnerische Kurzpassspiel nach dem Rückstand durch Antonio Rüdiger (21.), Manchester sah schon wie der sichere Sieger aus, der finale Treffer für Chelsea war nicht abzusehen - anders als das, was im Anschluss daran passierte.

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