Premier League:"We want the Special One!"

Lesezeit: 3 min

Im ersten Spiel nach José Mourinho gewinnt Chelsea 3:1, doch die Fans feiern den geschassten Trainer. Der tritt derweil gegen seinen Ex-Klub nach - und wird beim Rivalen ins Gespräch gebracht.

Von Filippo Cataldo, London/München

Etwas mehr als 100 Kilometer sind es von London ins südenglische Strandbad Brighton. Nah genug für einen entspannenden Kurztrip nach einer unschönen Trennung, aber definitiv zu weit, um die wehmütigen Liebesbekundungen der Treuesten noch direkt zu vernehmen. José Mourinho, am Donnerstag praktisch während der laufenden Weihnachtsfeier beim FC Chelsea vor die Tür gesetzt, war am Samstag in Brighton, der Trainer im Wartestand sah sich die Zweitligapartie zwischen Brighton & Hove Albion und Middlesborough an.

Währenddessen fand in Mourinhos alter Heimat an der Stamford Bridge das Spiel eins des FC Chelsea nach Mourinho statt. Gegner des unter dem Portugiesen rätselhaft auf Platz 16 abgestürzten Meisters war der FC Sunderland - den die Blues mit 3:1 aus dem Stadion fegten. Bereits nach 13 Minuten führte Chelsea mit 2:0, damit hatten die Chelsea-Spieler genauso viele Tore erzielt wie in den letzten fünf Premier-League-Spielen unter Mourinho. Die Fans applaudierten und stimmten Helden-Gesänge an, natürlich. Doch nicht etwa den Spielern. Sondern: Mourinho.

Mourinho teilt Chelsea seine Meinung mit - in der dritten Person

"We want the Special One", skandierten die Fans, unmittelbar bevor Branislav Ivanovic in der 5. Minute das 1:0 erzielte. Auch danach, nach dem 2:0 durch Pedro (13.), dem 3:1 durch Oscar (50.), huldigten die Zuschauer dem geschassten Ex-Coach, der in Brighton ein sang- und klangloses 0:3 der Heimmannschaft sah. Als in London Diego Costa und Cesc Fabregas ausgewechselt wurden, ging zudem ein lautes Pfeifkonzert durchs Stadion. Die beiden sollen sich zuletzt nicht so wirklich mit Mourinho verstanden haben.

Spätestens da war das Spiel zur Demonstration der Anhänger für den geschassten Trainer geworden. Mourinho hatte wenige Stunden vor Anpfiff die Gelegenheit genutzt, der Klubführung - unsubtil wie eh und je - seine Meinung über die Trennung mitzuteilen. Über seine amerikanische Agentur CAA hatte Mourinho, ganz Weltmann in dritter Person, verlauten lassen: "Während seiner Karriere hat José sich manchmal entschieden, einen Klub zu verlassen, aber nur in Chelsea hat der Klub beschlossen, dass er gehen müsse".

Mourinho, so hieß es weiter, "ist unglaublich stolz auf die acht Titel, die er für Chelsea gewonnen hat und dankt den Fans für ihre Unterstützung". Der Trainer werde mit seiner Familie außerdem zunächst weiter in London leben und wolle auch kein Sabbatical einlegen. "Er ist nicht müde, und er braucht es nicht. Er denkt positiv und schaut nach vorn. Allerdings wolle er "keine Spitzenspiele besuchen, weil er keine Spekulationen über seine Zukunft schüren möchte."

Hiddink trainiert jetzt Chelsea - und was wird aus van Gaal?

Das hat ein José Mourinho wahrlich nicht nötig. Das stand zwar nicht in der Mitteilung, ist aber so. Denn Mourinho war nur der erste Stein, der unfreiwillig das große Trainerdomino in Gang gesetzt hat, das den europäischen Spitzenfußball in den kommenden Wochen beschäftigen wird. Momentan sind ja erstaunlich viele Elitevereine nicht ganz (Real Madrid, Manchester City, Milan) oder überhaupt nicht zufrieden (Manchester United, AS Rom) mit ihren Übungsleitern, zudem hat Bayerns Coach Pep Guardiola bereits eine recht einsame Entscheidung für sich selbst getroffen, die Manuel Pellegrini zu einem anderen, noch zu findenden Klub führen könnte. Das große Stühlerücken hat bereits begonnen. Mourinho ist auf dem Markt, sein Nachfolger bei Chelsea für einen noch zu definierenden Übergang saß am Samstag bereits auf der Tribüne: Es ist Guus Hiddink, der Chelsea zum zweiten Mal übernehmen wird, womöglich gemeinsam mit Bayern-Schreck Didier Drogba.

Durch Hiddinks Verpflichtung bei Chelsea ist einerseits der Weg frei für Carlo Ancelotti - der diese Saison ja gefühlt bei jedem Spitzenklub außer Barcelona Begehrlichkeiten geweckt hat und an dem auch der FC Chelsea interessiert war - zum FC Bayern, und andererseits könnte auch Mourinhos unmittelbare Zukunftsplanung bereits feststehen. Denn Hiddink war in den letzten Tagen auch in Manchester als Kandidat genannt worden für den Fall, dass sein Landsmann Louis van Gaal bei Manchester United nicht die Kehrtwende schaffen sollte. Nun, Manchester United verlor am Samstag mit 1:2 gegen gegen Norwich City und liegt nach dem vierten sieglosen Spiel hintereinander nur noch auf Rang fünf. Noch während der ersten Halbzeit, United lag bereits 0:2 zurück, fühlte sich der englische Alt-Internationale und Branchenkenner Gary Lineker darum zu diesem naheliegenden, aber dafür nicht minder schönen Tweet verleitet: "Manchester United are losing at home to Norwich. Mourinho for United anyone?"

© SZ vom 20.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: