Premier League:Warum Chelsea es nicht mehr mit Mourinho aushält

Von Raphael Honigstein, London

José Mourinhos Rauswurf beim FC Chelsea kam im September 2007 auch für ranghohe Mitarbeiter sehr überraschend. Der Pressesprecher wurde mitten in der Nacht von Reportern aus dem Bett geklingelt, er wusste von nichts. In der Folge firmierte der in der Branche nicht sehr wohlgelittene Mann bei Journalisten nur noch unter dem Spitznamen "Pyjama".

Die zweite Demission des Portugiesen lief im Gegensatz dazu am Donnerstagnachmittag geregelt. Klubbesitzer Roman Abramowitsch hat ja mittlerweile Übung: Mourinho war, diverse Interimstrainer inbegriffen, der achte Coach in acht Jahren, der an der Stamford Bridge sein Amt verlor. Außerdem hatte sich die Kündigung in den vergangenen Tagen angedeutet.

Mit neun Niederlagen in 16 Ligaspielen und Platz 16 in der Tabelle (ein Punkt vor den Abstiegsplätzen) ist die erste Saisonhälfte des Vorjahresmeisters zum Desaster geraten; nichts wies bis zuletzt auf eine baldige Besserung der Lage hin. Mourinho hatte zwar nach dem 1:2 bei Tabellenführer Leicester City am Montagabend die Schuld recht unerwartet bei sich selbst gesucht, allerdings in einer Weise, die grandios anmaßend klang.

Das Problem sei wohl, dass er die Mannschaft in der vorigen Saison mit seiner "phänomenalen Arbeit" zu Leistungen animiert hatte, die "höher als ihr tatsächliches Niveau" ausgefallen sei, erklärte der 52-Jährige. Garniert wurde das dürftig verpackte Eigenlob mit dem Vorwurf des Hochverrats: Aus der Kabine seien Aufstellungen an den Gegner weitergegeben worden, deutete Mourinho an, darüberhinaus hätten einige Spieler auf dem Platz wohl absichtlich seine Vorgaben sabotiert.

Wer im Angesicht des dramatischen Qualitätsverfalls an der Stamford Bridge so redet, muss entweder an einem "Gott-Komplex" leiden, wie die Times vermutet - oder seinen Rausschmiss provozieren. Abramowitsch, der für seine Verhältnisse viel Geduld bewiesen hatte, konnte jedenfalls der Farce nicht mehr länger zusehen. Die einstige Kampfmaschine hatte sich bei der Überraschungself aus Leicester völlig kaputt präsentiert, gar nicht mehr versucht, dem Gegner die eigene Spielidee aufzudrängen. Flügelstürmer Eden Hazard, der Spieler des Jahres in der Vorsaison, ließ sich dazu nach einem kleinen Zusammenstoß "binnen zehn Sekunden" verletzt auswechseln, wie Mourinho verächtlich bemerkte. Der Belgier war dem sehr auf Defensivdienst Wert legenden Coach stets zu sehr Künstler, nicht genügend Soldat. Auch mit anderen Technikern im Kadern gab es Probleme. Dass Mourinho sich keineswegs an die Vorgabe hielt, Spielern aus dem eigenen Nachwuchs den Weg in die erste Elf zu bahnen, befeuerte zusätzlich den Unmut des Vorstands.

Ton gegenüber seiner Truppe stark verschärft

In seiner erfolgreichen Karriere hat es der Autodidakt aus dem Städtchen Setúbal nie länger als drei volle Spielzeiten bei einem Klub ausgehalten, beziehungsweise kein Klub mit ihm. Mourinhos aggressive Methoden muten Spielern, Vorgesetzten und Medienvertreten eine Menge zu. Niemand nahm ihm nach seiner Rückkehr zu den West-Londonern im Sommer 2013 ab, dass er nun als "The Happy One", als der Glückliche, mit mehr Gelassenheit ans Werk gehen würde.

Tatsächlich hat es Mourinho in der laufenden Saison wie an keiner seiner Stationen zuvor geschafft, nahezu die komplette Mannschaft gegen sich aufzubringen. Bereits im Sommer unterstellte er einigen Leistungsträgern öffentlich verminderten Einsatz und demontierte im Training Größen wie Mittelfeld-Stabilisator Nemanja Matic. Die Physiotherapeutin des Teams, Eva Carneiro, wurde in beschämender Manier aus dem Amt gedrängt. Sie war für den Geschmack des Trainers in einer Partie zu schnell auf den Rasen gelaufen, um den verletzten Hazard zu behandeln. Carneiro hat mittlerweile Mourinho und den Klub auf Entschädigung verklagt.

Kurz nach Saisonbeginn verlängerte Chelsea Mourinhos Vertrag bis 2020, die Abfindung soll nun aber bloß ein Jahresgehalt betragen, umgerechnet 16,5 Millionen Euro. Noch bevor die Tage an der Themse merklich kürzer wurden, hatte Mourinho den Ton gegenüber seiner Truppe so stark verschärft, dass später keine Steigerung mehr möglich war.

Chelsea kam nun zu dem Schluss, dass ein Wechsel auf der Bank unabdingbar war. Es sei eine "Trennung im gegenseitigem Einvernehmen" und "im Guten", teilte der Klub am Nachmittag mit, Mourinho würde für immer eine "viel geliebte, respektierte und signifikante Chelsea-Person" bleiben. Nun sei es aber an der Zeit, dass das Team wieder sein Potenzial erreiche.

Dem Vernehmen nach soll das der Niederländer Guus Hiddink, ein Vertrauter von Abramowitsch, auf Interimsbasis erledigen. Auch für den 69-Jährigen wäre dies das zweite Mal. Er gewann 2009 als Aushilfstrainer den FA-Pokal mit dem Klub.

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