Namenswitze sind auch auf der Insel verpönt, "no jokes with names", sagt der Brite. Andererseits: Wie soll man die Frage umschiffen, ob es wirklich Not tat, dass Thomas Tuchel, Trainer beim FC Chelsea, und sein Tottenham-Kollege Antonio Conte die, nun ja, Contenance verlieren? Beide gehen ihrer Beschäftigung mit einiger Leidenschaft nach. Doch die Art und Weise, wie sie einander an der Seitenlinie begegneten, wies eine enge Verwandtschaft zum Musical "West Side Story" auf.
Das Spiel im Westen Londons (nicht Manhattans) geriet am Sonntag so hitzig, dass die Zeitung The Guardian am Montag gar die Existenz von "Klimakrisen-Fußball" bescheinigte, wegen einer Reihe von Scharmützeln am Spielfeldrand. Die Führung für Chelsea durch Kalidou Koulibaly (19.) ging geräuschlos über die Bühne, nach dem 1:1 durch Pierre-Emile Hojbjerg brannten die ersten Sicherungen durch (68.).
Conte jubelte ostentativ gen Chelsea-Bank - bis ihn Tuchel an der Seitenlinie stellte und einnordete. Zur Eskalation hätte es schon kommen können, als Reece James das zwischenzeitliche 2:1 erzielte (77.). Denn da lief Tuchel an der Bank der Spurs vorbei, "hätte ich das gesehen, hätte ich dich umgetreten", sollte Conte später, mit Smileys versehen, in ein soziales Netzwerk schreiben. Die Zuschauer wurden aber noch entschädigt - nach dem Ausgleich durch Harry Kane in der letzten Minute der Nachspielzeit.
Tuchel war pikiert, weil Conte ihm beim Handshake nicht in die Augen geschaut hatte
Als abgepfiffen war, liefen Tuchel und Conte auf dem Rasen aufeinander zu und gaben einander auch die Hand. Nur hielt Tuchel Conte so lange fest, dass der Italiener plötzlich dastand wie eine Tänzerin nach einer Drehung mit Platzwechsel. Tuchel war pikiert, weil Conte ihm nicht in die Augen geschaut hatte; ob er ihm erklärte, dass derlei in seiner deutschen Heimat unter Umständen mit sieben Jahren Unglück oder gar mit sieben Jahren schlechtem Sex in Verbindung gebracht wird, war trotz der Lautstärke nicht herauszuhören. Ein Rudel aus Ordnern, Mitarbeitern und Spielern hatten Mühe, die Trainer auseinanderzuschrauben. Immerhin: "Wir haben uns nicht beleidigt und nicht geschlagen", sagte Tuchel, "es war Fun." Viel mehr als über Conte regte er sich über den Referee Taylor auf. Beiden Treffern der Spurs waren Regelwidrigkeiten vorangegangen. Gesperrt werden nun aber Conte und Tuchel, die nach dem Spiel noch die rote Karte sahen.

Derweil wird in England der Vorschlag des Preisboxers Jake Paul debattiert, die beiden boxen zu lassen. "Tuch gloves!", wortspielte umgehend The Sun - und stellte erste Vergleiche an. Bei Alter, Gewicht, Titel, Preisgelder sind die Differenzen nicht so groß. Bei "Haartransplantationen" liegt Conte aber klar in Front. Tuchel jedenfalls wäre bereit: In der Pressekonferenz schob er den Ärmel seines T-Shirts hoch - und spannte den Bizeps an. Boxer Paul würde auf Tuchel setzen: "Wer die Augen schließt, hat Angst."