Premier League:Null zu null verloren

Premier League - Liverpool vs Manchester United

Zum Haare raufen: Liverpools Trainer Jürgen Klopp ist genervt vom 0:0 gegen Manchester United.

(Foto: Action Images via Reuters)

Von Sven Haist, Liverpool

Die Komplexität des Fußballs hat dazu geführt, dass ein Spiel zwischen zwei Klubs kaum mehr dem eines früheren Aufeinandertreffens gleicht. Ständig verändert sich das Personal, mit jedem Trainerwechsel gar die sportliche Ausrichtung. Bei der Suche nach immer neuen taktischen Kniffen hält eine Strategie statt für eine Saison manchmal nur noch für eine Partie. Und oft auch nicht mal mehr das, wenn inmitten des Spiels dann umgestellt wird.

Dem Trend widersetzte sich am Samstagmittag die prestigeträchtigste Verabredung im englischen Fußball, das Duell zwischen dem ehemaligen Rekordmeister FC Liverpool und dem aktuellen Rekordmeister Manchester United. Die beiden Teams zeigten in Anfield eine Wiederholung des Spielverlaufs von vor einem Jahr - Liverpool wollte unbedingt ein Tor schießen, ManUnited unbedingt keines kassieren - was folgerichtig zu einer Wiederholung des Ergebnisses führte: 0:0. Die Statistik wies bei ManUnited am Ende einen Schuss aufs Tor und sechs Ballberührungen im gegnerischen Strafraum aus; als Gewinner durften sich die Gäste trotzdem fühlen. Ihre sieben Punkte Guthaben in der Tabelle auf den Konkurrenten aus Liverpool bleiben bestehen.

Liverpools stärkster Angriff erfolgt nach dem Spiel - vom Trainer

Dieses Polster hatte Manchesters Trainer José Mourinho keinen Anlass geboten, bei seinem Plan fürs Spiel ins Risiko zu gehen. Er stellte seinem deutschen Rivalen Jürgen Klopp dieselbe Anordnung aus der vergangenen Spielzeit entgegen, bestehend aus einer Verteidigungsreihe mit sechs Profis, einem Duo im defensiven Mittelfeld und zwei Offensivakteuren. Die beiden sogenannten Angreifer waren in erster Linie dafür abgestellt, eine Spieleröffnung des Gegners ins Zentrum zu verhindern.

Erstaunlich war bei dieser destruktiven Herangehensweise vor allem, dass Liverpool auch im zweiten Anlauf von keiner Lösung beseelt wurde, obwohl mittlerweile 362 Tage seit dem Treffen am 17. Oktober 2016 vergangen waren. Die größte Attacke auf Uniteds Konstrukt erfolgte nach dem Spiel, vom gegnerischen Trainer: "Ich bin mir sicher, dass wir bei Liverpool so nicht spielen lassen könnten", sagte Klopp. "Aber für United ist das offensichtlich okay."

Der Frust steigt beim Tabellensiebten, weil das Fortkommen der Reds unter Klopp weiter stagniert. Liverpools Formkurve führt bloß einen Sieg aus den vergangenen acht Spielen. Aus dem Ligapokal hat sich der Verein bereits verabschiedet, und in der Premier League beobachten sie das Titelrennen schon im Herbst mit großem Sicherheitsabstand, dank neun Zählern Rückstand auf Spitzenreiter Manchester City. Selbst der FC Burnley ist mittlerweile in der Tabelle vorbeigezogen. Eine ähnliche Punktekonstellation hatte Liverpools Bosse vor zwei Jahren dazu bewogen, Klopps Vorgänger Brendan Rodgers zu entlassen.

Klopps Zwischenbilanz nach zwei Jahren fällt durchwachsen aus

Um seinen Arbeitsplatz muss sich Klopp derzeit nicht sorgen, er ist bei den Fans nach wie vor beliebt. In Liverpool sprechen sie gerne von einem langfristig angelegten Projekt. Die Etappenziele sind jedoch nicht publik. Die Beobachter interpretieren das unterschiedlich, die vorherrschende Stimmung in der Stadt spiegelte sich in Klopps Analyse auf der Pressekonferenz am Freitag: "Ich bin nicht übermäßig glücklich. Wenn mir zu meinen zwei Jahren bei Liverpool gratuliert worden wäre, hätte ich nicht sofort eine Flasche Champagner geöffnet. Es war keine große Party."

Klopp hatte in seiner ersten Saison gleich zwei Endspiele erreicht, beide verlor Liverpool, im League Cup und in der Europa League. Diese Niederlagen hängen dem Klub noch immer nach, weil sich der Erfolgszwang vergrößert, der Überraschungseffekt beim Gegner aber gleichzeitig abgenommen hat, der anfangs durch Klopps überfallartige Spielidee bestand. Die Reds setzen in der Offensive auf einen Geschwindigkeitsüberschuss; wenn es der Gegner allerdings, wie es immer häufiger zu sehen ist, nicht zu einem Sprintduell kommen lässt, fehlt ein anderes Konzept. Liverpool leistet sich bislang keinen kopfballstarken Angreifer, nicht einmal einen handelsüblichen Torjäger. Der zentrale Angreifer Roberto Firmino steht nach acht Spieltagen bei zwei Treffern. An einem Individualisten mangelt es ebenfalls, der gelegentlich eine durchschnittliche Leistung mit einem Siegtreffer kaschieren könnte.

Liverpools sportlicher Leitung feht es offenbar an Ideen

Dabei kann Liverpool finanziell, auf dem Transfermarkt, mit der Konkurrenz durchaus mithalten. Im vergangenen Sommer bot der Verein jeweils eine hohe zweistellige Millionensumme auf, um Innenverteidiger Virgil van Dijk (FC Southampton) und Naby Keita (RB Leipzig) zu verpflichten. Dazu leistete sich der Klub den Luxus, ein absurd hohes Angebot des FC Barcelona für Spielmacher Philippe Coutinho abzulehnen. Das lässt den Rückschluss zu, dass es der sportlichen Leitung an Ideen für Transfers mangelt, die das Gebilde stärken würden. Bei Borussia Dortmund profitierte Klopp von der Marktexpertise des Sportdirektors Michael Zorc und Kaderplaners Sven Mislintat. Nun ist er weitgehend auf seine eigenen Kenntnisse angewiesen.

Bei Manchester United hinterlässt das torlose Unentschieden hingegen die Unklarheit, ob das Team bei einem möglichen Rückstand in der Lage gewesen wäre, selbst einen zielgerichteten Offensivfußball zu präsentieren. Den wird es benötigen in den nächsten Wochen, um mit dem Stadtrivalen Manchester City im Kampf um die Meisterschaft mithalten zu können. Bislang lagen die Red Devils lediglich einmal zurück: für drei Minuten gegen Stoke City.

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