So hat sich die Premier League das Topspiel zwischen dem FC Arsenal und Newcastle United sicher nicht vorgestellt. Seit jeher nimmt die Liga für sich in Anspruch, mindestens die ereignisreichste, hochwertigste und attraktivste Spielklasse des Universums zu sein. Wann immer es ein Match im Ausland quasi wagt, die Aufmerksamkeit, und sei es nur für 90 Minuten, auf sich zu ziehen, schlägt sie meist sofort zurück: mit irgendeinem Aufeinandertreffen ihrer Spitzenvereine, das meistens hält, was es verspricht.
In den vergangenen Tagen stand der Inselfußball vor einer besonderen Herausforderung. Es galt, das verstärkt in den Markt drängende Saudi-Arabien in die Schranken zu weisen. Rund um den Jahreswechsel hatte der Wüstenstaat mit der Verpflichtung des fünfmaligen Weltfußballers Cristiano Ronaldo zum Al-Nassr FC die Schlagzeilen beherrscht. Dabei reklamiert England die Zeitspanne um Weihnachten und Neujahr mit dem traditionellen Feiertagsfußball mehr oder weniger für sich.
Daher dürfte es der Premier League gelegen gekommen sein, Tabellenführer Arsenal am Dienstagabend mit von der Partie gehabt zu haben, um die Deutungshoheit zurückzuerlangen. Kürzlich, am Boxing Day, dem zweiten Weihnachtstag, ließ sich sogar Arsenals Ewigkeitstrainer Arsène Wenger überraschend erstmals nach seinem Abschied im Sommer 2018 bei einem Heimspiel der Gunners blicken. Sein früherer Klub fertigte West Ham trotz Rückstands 3:1 ab, alle Arsenal-Tore fielen dicht nacheinander. Die Emotionen kochten entsprechend über, die Fans verehrten Wenger ("There's only one Arsène Wenger") - und der besungene Grandseigneur musste sich auf der Tribüne schwer zusammenreißen, um keine Tränen der Rührung zu zeigen.
Eine solche Dramaturgie sollte gegen Newcastle erneut her, sie sollte die Verhältnisse klären. Und dann dies: Arsenal und Newcastle trennten sich torlos, 0:0. Eine trübe Nummer, die nicht der Rede wert war. Nicht mal, als Arsenal-Trainer Mikel Arteta in der Endphase seinen Kollegen Eddie Howe am Seitenrand verbal anging und hinterher polterte, seiner Mannschaft seien "zwei skandalöse Elfmeter" verwehrt worden.
Ist das alles echt? Die Prozedur mit Lichtershow und Feuerwerk im Stadion ist makellos durchinszeniert und -produziert
Verantwortlich für das Patt auf dem Platz war das ziemlich clever verteidigende Newcastle, das damit den beachtlichen dritten Rang festigte, neun Punkte hinter dem enteilten Arsenal. Während des Matches wirkte es fast durchweg, als wollten die Magpies gar kein Tor schießen, so defensiv richtete Coach Howe seine Spieler aus. Die Pointe dahinter: Spielverderber Newcastle untersteht seit einem Jahr zu 80 Prozent den Saudis, die ihre Klubanteile über den eigenen Staatsfonds halten.
Und die Saudis dürfte an diesem Tag nichts mehr gefreut haben, als dass Ronaldos pompöse Vorstellung das fast gleichzeitig stattfindende Premier-League-Spitzenspiel bei Weitem übertraf. Es war teils sogar beängstigend, wie die Handlungsstränge zusammenfielen - so, als hätten sie nicht nur im heimischen Riad, sondern auch im fernen London die Fäden gezogen.
Cristiano Ronaldo in Saudi-Arabien:"In Europa ist mein Job erledigt"
Während der Begrüßung bei seinem neuen Klub Al-Nassr bezeichnet sich Cristiano Ronaldo als "einzigartigen" Spieler. Kurzzeitig verliert er die Orientierung und verwechselt Saudi-Arabien mit Südafrika.
Die Begrüßung des Weltstars Ronaldo auf saudischem Boden glich einem Staatsakt. Die Prozedur mit Lichtershow und Feuerwerk im Stadion war derart makellos durchinszeniert und -produziert, dass man sich als Zuseher manchmal wunderte, ob das alles wirklich echt sei. An mehreren Stellen sahen die Aufnahmen aus wie Animationen. Bei der Soundkulisse war es nicht anders, erst recht vor dem Hintergrund, dass die Kapazität der Spielstätte bei gerade mal 25 000 Besuchern liegt. Die Fans himmelten Cristiano Ronaldo mit Sprechchören an. Und auch die Vertreter der autokratischen Herrscherfamilie des Landes huldigten ihm auf eine Weise, dass man sich wünschte, sie würden so viel Liebe und Zuneigung auch mal ihrem eigenen Volk zuteilwerden lassen.
Im Gegenzug bedankte sich Ronaldo für den Empfang. Er sagte sinngemäß, was die Saudis wohl von ihm hören wollten: dass er "wirklich, wirklich glücklich" sei, in Saudi-Arabien zu sein, und dafür Angebote aus aller Welt abgelehnt habe, unter anderem, weil er seine Arbeit in Europa als "getan" empfinde. Mit seinem Auftritt stahl er vor allem der Premier League, seiner alten Heimat, die ihm zuletzt die kalte Schulter gezeigt hatte, in gewisser Weise die Show. Ganz nach dem Geschmack der Saudis.