Premier League:In England grätschen die gefährdeten Klubs dazwischen

James Tarkowski of Burnley makes a last ditch tackle on Alexandre Lacazette of Arsenal as he prepares to shoot during th; Premier League Grätsche

Die Klubs der Premier League streiten derzeit nicht auf dem Platz, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

(Foto: imago images/Sportimage)

Die Premier League arbeitet am "Project Restart". Manche Vereine erkennen aber einen Vorteil darin, wenn die Saison nicht mehr angepfiffen würde.

Von Sven Haist, London

Außer dem menschenleeren JFK-Flughafen in New York war auf dem Kurzvideo, das Christian Fuchs, 34, am Montag auf sein Twitter-Profil stellte, nicht viel zu sehen. Das genügte jedoch zur Dokumentation, dass sich der österreichische Verteidiger von Leicester City, dessen Familie mittlerweile in den Vereinigten Staaten lebt, auf der Rückreise nach England befindet. Die Vereine der Premier League hatten es ihren ausländischen Profispielern und Trainern gestattet, die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Mannschaftstrainings bei ihren Angehörigen verbringen dürfen, nachdem die Liga am 13. März unterbrochen wurde.

Nun aber beordern die Klubs ihre über mehrere Kontinente verteilten Fußballer mit wachsender Vehemenz zurück. Auslöser für die klare Ansage ist die plötzliche Zeitnot, nachdem bekannt wurde, dass die Regierung in Erwägung zieht, alle ins Vereinigte Königreich einreisenden Personen für zwei Wochen zur häuslichen Quarantäne zu verpflichten. Noch greift diese Regelung nicht, und falls sie jetzt schon umgesetzt worden wäre, hätte das für die Premier League nach den öffentlichen Streitereien über Gehaltskürzungen die nächste Unannehmlichkeit zur Folge. Schon länger spekulieren die Vereine darauf, in der kommenden Woche mit dem Training in Kleingruppen beginnen zu können. Peinlich wäre es dann gewesen, wenn es fürs erste Training eine Erlaubnis gäbe, aber etliche Profis fehlen würden, weil die Klubs sie zu spät zurück beorderten. Denkbar ist dies nach wie vor: Manchester City und Manchester United zum Beispiel lassen ihrem Personal weiterhin etwas Spielraum bei der Rückkehr.

Zirka Mitte Juni könnte es losgehen - falls sich alle einig sind

Nach fast zwei Monaten ohne gemeinsame Übungseinheit ist davon auszugehen, dass die Teams in England noch mehrere Wochen benötigen, um sich in Form zu bringen für die verbleibenden neun Spieltage. Als Neustart hat die Premier League das zweite Juni-Wochenende avisiert - vorausgesetzt natürlich, die Vereine werden sich einig, ob und wie weitergespielt werden soll. Denn trotz ständiger Treffen der Klubvertreter fehlt der Konsens. Die unterschiedlichen Debattenbeiträge stellen sogar die Frage, wie ernst es einigen Klubs und ihren schwerreichen Besitzern ist mit einer Saison-Fortsetzung. Die soll eigentlich eine drohende Rückzahlung von zirka 750 Millionen Pfund an die TV-Rechteinhaber verhindern.

Die Realisierung des "Project Restart" hat Englands Regierung an die Bedingung geknüpft, die verbleibenden 92 Spiele ohne Zuschauer an einem neutralen Ort auszutragen. Dafür sollen nun rund zehn Stadien ausgewählt werden, die möglichst modern sind und außerhalb der Städte liegen, damit sich Hygienevorschriften einhalten lassen und die Polizei das Gebiet weiträumig absperren kann, um Ansammlungen von Fans zu verhindern. Wozu es wohl kommen würde, sobald der überlegene Tabellenerste FC Liverpool erstmals nach 30 Jahren die Meisterschaft gewinnt - ob im eigenen Stadion oder anderswo. Aus diesem Grund stehen Spielstätten nicht zur Wahl, die nahe von Wohnquartieren liegen - wie beispielsweise die Stamford Bridge in London oder Liverpools Anfield Road. Einhergehend mit den neuen Plänen ist für alle Klubs der Verlust ihres Heimrechts, keine Mannschaft wird Spiele im gewohnten Milieu austragen dürfen.

Das Stimmverhalten ist von egoistischen Interessen geleitet

Trotz aller Absichtserklärungen, die Saison sportlich fair über die Runden bringen zu wollen, grätschen besonders die Vereine am Tabellenende dazwischen. In einem öffentlichen Statement lehnte Paul Barber, Geschäftsführer von Brighton & Hove Albion, die Idee vom Verlust auf Heimrecht ab mit dem Argument, der Wettbewerb sei dann verzerrt. Und dies, obwohl sein Klub zu Hause bislang nur die drittwenigsten Punkte sammeln konnte. Eine öffentliche Absage ans Modell kam auch von Aston Villa, dem Vorletzten. Ähnlich sieht es bei West Ham United aus, das nur noch um vier Tore vor dem AFC Bournemouth (18.), Aston Villa (19.) und Norwich City (20.) liegt. Dieses Trio liegt auf den Abstiegsplätzen. Ein Sturz in die Zweitklassigkeit würde die noch davor stehenden Klubs aus Brighton (15.), West Ham (16.) oder Watford (17.) nun wesentlich teurer kommen als die Rückzahlung ihres Anteils von zirka 30 Millionen Pfund aus dem Topf der Fernsehgelder - sowie der Verzicht auf Bonuszahlungen ihrer Sponsoren. Einnahmen aus einem Ticketverkauf fallen ohnehin weg.

Worauf sich hingegen alle Klubs verständigen könnten, wäre, die Saison fortzusetzen, aber den Abstieg auszusetzen. Doch da dürften sich sofort die Fernsehsender in den Weg stellen, weil viele Partien dann sportlich belanglos wären. Eine Aufstockung der Premier League mit Aufsteigern aus der zweiten Liga wird auch schwierig, der Spielplan ist schon heute eng getaktet, zudem würde der TV-Topf nicht mehr nur durch 20, sondern 23 Klubs geteilt.

Konsens herrscht bei dieser Frage: den Abstieg auszusetzen

Um eine Regeländerung wie den Verzicht auf Heimspiele durchzusetzen, benötigt es in der Premier League eine Zweidreimittelmehrheit (mindestens 14 der 20 Klubs). Doch nicht nur das Stimmverhalten am Tabellenende ist von egoistischen Interessen geleitet. Weiter oben würden vorrangig Leicester City (3.) und der FC Chelsea (4.) von einem Abbruch profitieren, deren Qualifikation zur Champions League quasi sicher wäre. Liverpool (1.) ist durch, Manchester City (2.) auf einem guten Weg. Der europäische Fußballverband Uefa hat die Ligen angewiesen, die internationalen Startplätze nach der bei Abbruch geltenden Tabelle zu vergeben.

Und dann wären da noch die Profis selbst. Zum einen könnten die Klubs ihre Angestellten kaum zwingen, bei einem turnusgemäß Ende Juni auslaufenden Vertrag noch weiterzuspielen. Zum anderen müssten die Klubs es wohl akzeptieren, wenn sich Profis einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs widersetzen, unter Verweis auf die Gesundheitsrisiken. Auch dieses Argument könnten Vereine nutzen, um ihr Interesse am Abbruch zu forcieren.

Fußballspielen wäre theoretisch wieder möglich - die meisten Spieler sind zurück im Land. Wie es praktisch in England weitergeht, ist völlig offen.

Zur SZ-Startseite
2. Bundesliga Symbolbild

Bundesliga
:Anpfiff am 15. Mai

Nach der Genehmigung von Geisterspielen durch Bund und Länder handelt das Präsidium der Deutschen Fußball Liga schnell und setzt den Starttermin fest - gegen den Widerstand einiger Vereine.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: