Premier League: ManUnited vs. Chelsea:Aus dem Winterschlaf erwacht

Manchester United kann kommen: Der FC Chelsea ist rechtzeitig zum Spitzenspiel der englischen Liga in Schwung. Trotz vieler ungelöster Probleme könnten die Londoner die Meisterschaft noch einmal spannend machen. Der Trainer hat dafür eine ungewöhnliche Erklärung.

R. Honigstein

Dass Michael Essien gerne etwas länger im Bett bleibt, war in England allgemein bekannt; er schlafe "am liebsten 14 Stunden am Tag", hatte der Chelsea-Mittelfeldspieler der Sun bereits vor vier Jahren erzählt. Neu und potentiell verstörender als das in seiner Branche nicht untypische Hobby sind dagegen Berichte über die kulinarischen Vorlieben des 28 Jahre alten Ghanaers. "Diese Saison ist wie ein Sandwich", sagte Essien vor dem Spitzenspiel gegen Manchester United am Sonntag: "Süßes Brot oben, saure Füllung in der Mitte, mehr süßes Brot unten."

Chelsea FC vs Tottenham Hotspur

Chelseas Frank Lampard feiert. Jetzt geht es im Spitzenspiel es gegen Manchester United.

(Foto: dpa)

Mit dem britischen Nationalgericht treibt man solche Scherze nicht, "eine bizarre Analogie", echauffierte sich der Daily Mirror. Neutrale Beobachter können aber grundsätzlich wenig gegen Essiens Analyse einwenden. Chelsea erlebt in der Tat eine seltsam dreigeteilte Spielzeit. Der imposanten Auftaktphase mit acht Siegen in zehn Partien folgte ein über mehrere Monate ausgedehnter "Winterschlaf" (so Trainer Carlo Ancelotti), der die leicht überalterte Elf auf Platz vier zurückfallen ließ.

Doch zuletzt holte der Meister mit dem gewohnten Kraftfußball 22 von 24 möglichen Zählern, während den Tabellenführer Manchester United ein wenig die Frühjahrsmüdigkeit erfasste. Vor dem Spitzenspiel im Old Trafford haben die Blues nur noch drei Punkte Rückstand, zwei Spiele verbleiben danach bis zum Ende einer äußerst kapriziösen Saison.

"Am Anfang waren sie zehn Punkte vor uns, dann waren wir fünfzehn Punkte vorne, jetzt sind sie wieder da", wundert sich Uniteds Routinier Ryan Giggs, der nicht vergessen hat, dass die West-Londoner mit einem 2:1-Auswärtssieg bei den Red Devils vor 13 Monaten das vorentscheidende Spiel um den Titel gewinnen konnten. 2Es ist für uns zu gefährlich, auf ein Unentschieden zu spielen", sagt der Waliser.

Chelseas Rückkehr zur alten Stärke lässt sich dabei gar nicht so einfach erklären, denn die Mehrzahl jener Probleme, die das Team vor Monaten als hoffnungsloses Auslaufmodell erschienen ließ, sind keineswegs behoben. Im Mittelfeld, dem einstigen Prunkstück, spielen die von verschleppten Blessuren geplagten Essien und Frank Lampard immer noch weit unter Bestform, im Sturm macht Ancelotti die Integration von Fernando Torres kontinuierlich zu schaffen. Der von Klub-Besitzer Roman Abramowitsch in Eigenregie vom FC Liverpool verpflichtete Spanier hat zwar beim 3:0 gegen West Ham vor zwei Wochen endlich sein erstes Tor für seinen neuen Klub erzielt, wirklich besser ist das Verständnis mit den Kollegen dadurch allerdings nicht geworden.

Gegen Tottenham Hotspur (2:1) am vergangenen Samstag war Torres ein Totalausfall. Chelsea benötigte zwei äußerst glückliche, weil irreguläre Treffer, um zum Sieg zu kommen.

Ancelotti scheint die Renaissance seiner Elf ebenfalls nicht ganz geheuer zu sein. "Das klingt vielleicht komisch, aber ich denke, dass wir besser spielen, wenn die Sonne scheint und es wärmer ist", sagte der 51-Jährige. Chelsea, eine Schönwetter-Truppe? Wahrscheinlich muss man die Gründe - obwohl es zunächst kaum plausibel klingt - auch in den zwei Champions-League-Niederlagen gegen United im Viertelfinale suchen, die nach Expertenmeinung Ancelottis Rausschmiss zum Saisonende besiegelten.

Der Mann aus der Emilia Romagna wirkt nach dem Aus im europäischen Wettbewerb entspannter als je zuvor im Amt. Vielleicht weil er mit der blauen Episode schon abgeschlossen hat? "Überhaupt kein Problem" habe er damit, falls Abramowitsch ihn loswerden wolle, erklärte er während der Woche cool. Er sah dabei wirklich aus, als ob er das genau so meinte. Exakt jene Gelassenheit auf der Bank, mit der Interimstrainer Guus Hiddink den FC Chelsea 2009 zum Pokalsieg und um ein Haar ins Champions-League-Finale führte - der norwegische Schiedsrichter Tom Henning Ovrebo hatte andere Pläne - scheint auch in diesem Jahr die Mannschaft zu beflügeln.

Mittlerweile ist nicht einmal mehr ausgeschlossen, dass sich Roman Abramowitsch die Sache in Ermangelung von Alternativen doch noch anders überlegt. Zusammen mit seiner hinter den Kulissen zu einer der wichtigsten Entscheidungsträgern im Verein aufgestiegenen Privatsekretärin Marina Granovskaia fahndete der Russe bisher vergeblich nach einem Coach, der wie Ancelotti züchtiges Ja-Sagertum und große Expertise auf sich vereint. Ein süßes, blaues Brötchen à la Essien am Sonntag könnte bei dem Oligarchen die Erkenntnis reifen lassen, dass der perfekte Trainer schon da ist.

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