Premier League:Hochgenuss-Remis mit zwei Gewinnern

Premier League: Liverpool-Torwart Alisson Becker fliegt hoch, doch City-Stürmer Gabriel Jesus schwebt bei seinem Tor über den Dingen.

Liverpool-Torwart Alisson Becker fliegt hoch, doch City-Stürmer Gabriel Jesus schwebt bei seinem Tor über den Dingen.

(Foto: Carl Recine/Action Images/Reuters)

Das atemlose, immerzu hochklassige Spitzenspiel zwischen Manchester City und Liverpool endet mit einem spektakulären 2:2. Im Titelkampf bahnt sich ein spannender Zielspurt an.

Von Sven Haist, Manchester

Statt eines leistungsgerechten Unentschiedens hätte das Gipfeltreffen der Premier League zwischen Manchester City und dem FC Liverpool am Sonntagabend eigentlich zwei Sieger verdient gehabt. Das atemlose, immerzu hochklassige Duell der beiden Titelrivalen hielt allen Erwartungen, die vor dem Spiel in kaum noch erfüllbare Höhen gestiegen waren, mehr als 90 Minuten lang stand. Zu keiner Zeit bot der intensive Schlagabtausch die Gelegenheit, mal kurz nicht aufs Spielfeld zu blicken - so dicht reihte sich ein Ereignis ans nächste. Um kein Detail zu übersehen, müssten sich selbst geübte Analytiker das Spiel wohl noch mehrmals in voller Länge anschauen.

Durch die Punkteteilung beim 2:2 (2:1) bleibt der Ausgang des Kopf-an-Kopf-Duells um die englische Meisterschaft sieben Spieltage vor Saisonende weiter ungewiss. Eine Entscheidung wird womöglich erst am letzten Spieltag fallen, was wiederum eine angemessene Würdigung für dieses bemerkenswerte Titelrennen wäre. Mit einem Punkt mehr führt City (74) weiterhin die Tabelle vor Liverpool an. Sicher dürfte aufgrund des riesigen Vorsprungs auf den Tabellendritten Chelsea schon jetzt sein, dass der Premier-League-Meister zum fünften Mal in Serie einer der beiden Dauerkontrahenten sein wird.

Als hätte die tabellarische Brisanz dieses Premiumspiels nicht schon für sich gesprochen, versuchten vor allem ausländische Medien mit teils maßlosen Überhöhungen die Auseinandersetzung in den vergangenen Tagen zur Überpartie aufzublasen. Die Verklärung des sportlichen Duells zwischen den Himmelblauen und den Roten dürfte insbesondere den City-Eigentümer Scheich Mansour in seinem Öl-Reich am Persischen Golf gefallen haben. Denn der Zweck seiner Investitionen, die seit seinem Einstieg 2008 auf mehr als zwei Milliarden Euro veranschlagt werden, besteht ja darin, sich im Lichte solcher Hochglanzpartien als Gutmensch zu präsentieren.

Kein Genuss, sondern Hochgenuss

Dabei existierte die inzwischen entstandene sportliche Fehde zwischen City und Liverpool vor der Ankunft ihrer jeweiligen Trainer, Pep Guardiola und Jürgen Klopp, auf der Insel überhaupt nicht - und sie wird sich vermutlich nach dem in absehbarer Zeit bevorstehenden Abschied dieser Hauptprotagonisten auch kaum in dieser Zuspitzung fortsetzen. Daher schrieb die Times, dass sich die Fans jetzt "an dieser flüchtigen Konstellation des Schicksals" erfreuen sollten. Ähnlich bewertete der Telegraph die Lage, indem er seinen Lesern am Spieltag die Schlagzeile zurief: "Just enjoy it!" - Genießt einfach das Spiel!

Damit war der angemessene Ton gesetzt für ein Spiel, das dann tatsächlich kein Genuss wurde, sondern ein Hochgenuss. Die Spielzüge beider Teams besaßen eine Dynamik und Feinabstimmung, die in den meisten Fällen für die gegnerische Abwehr schwer aufzuhalten war. Schon allein die Anfangsviertelstunde belegte - mit dem 1:0 (5.) für City nach einem abgefälschten Distanzschuss des überragenden Mittelfeldstrategen Kevin De Bruyne und mit dem fast unverzüglichen 1:1 (13.) durch Liverpools Angreifer Diogo Jota - die Ausnahmestellung beider Mannschaften.

Ähnlich chancenreich gestaltete sich der weitere Verlauf der ersten Halbzeit, weil Liverpool mit der kaum funktionierenden Strategie, weder früh anzugreifen noch sich weit zurückzuziehen, keinen Zugriff auf Manchesters gefürchtete Ballzirkulation bekam. So konnte sich City oftmals ohne Bedrängnis mit gezielten Flugpässen über die gegnerische Abwehr hochkarätige Möglichkeiten erspielen. Doch nacheinander vergaben De Bruyne (29.) und João Cancelo (34.). Besser machte es Teamkollege Gabriel Jesus, dem mit einem der wunderbar getimten Laufwege aus der Tiefe die erneute Führung gelang (2:1/36.).

Vor Begeisterung riss Guardiola seine Hände in die Luft und stimulierte - fast im gewohnten Stile seines Gegenübers Klopp - auch das Publikum. Zuvor entledigte sich der Katalane im nasskalten Manchester seiner Edeljacke, um volksnah im Hoodie mit Klubemblem weiterzucoachen.

"Wir haben Liverpool am Leben gelassen", sagt Guardiola

Doch die Kraftanstrengung des beeindruckenden Powerplays von City wurde nach dem Seitenwechsel offensichtlich. Schon in der 46. Minute kam Liverpool nach seinem ersten Pausenrückstand der gesamten Saison durch Torjäger Sadio Mané zum 2:2 - und hätte kurz darauf durch Jota sogar in Führung gehen können.

In der Schlussphase entwickelte sich ein berauschendes Hin und Her. In der 90. Minute zirkelte für City der eingewechselte Riyad Mahrez einen Freistoß an den Außenpfosten, in der Nachspielzeit lupfte erneut Mahrez frei vor Liverpools Torwart Alisson Becker drüber. Guardiolas Fazit fiel entsprechend aus: "Wir haben Liverpool am Leben gelassen." Nur einen Sieger hätte dieses Spiel aber auch nicht verdient gehabt.

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