„The winner takes it all“: Selten hat der Songtitel der Musikgruppe Abba besser zu einem Fußballspiel gepasst als zum diesjährigen Finale in der Europa League. Denn der Sieger, Tottenham Hotspur, nahm sich durch ein 1:0 (1:0) gegen Manchester United, das aus einem Eigentor von Abwehrspieler Luke Shaw in der 42. Spielminute resultierte, tatsächlich alles: den Pokal, den Startplatz für die Champions League, die Millioneneinnahmen und die Glorie.

All das ist für Tottenham, zuvor seit 2008 ungekrönt, quasi die Entschädigung für die gründlich missratene Ligasaison; während United für das genauso schwache Abschneiden in der Premier League nun gewissermaßen selbst aufkommen muss. Die Niederlage, die für Manchester United eine kommende Saison ohne internationalen Fußball besiegelte, ähnelt einem Blick in den am Stadion vorbeifließenden Fluss Nervión. Dessen Wasser sieht so trüb aus wie die Aussichten des Klubs.

FC Bayern in Hoffenheim:Müllers kritische Worte zum Abschied
Trotz der Ibiza-Reise gewinnt der FC Bayern das letzte Saisonspiel souverän 4:0 in Hoffenheim. Thomas Müller wird erst vom ganzen Stadion beklatscht – dann muss er noch eine Botschaft loswerden.
Dass es für Tottenham ausgerechnet jetzt klappte, passte insofern, als der ehemals langjährige Weltklassetorjäger des Klubs, Harry Kane, in dieser Saison ebenfalls mit der Meisterschaft beim FC Bayern seinen ersten Titel als Profi feierte. Damit löste auch Spurs-Trainer Ange Postecoglou sein Versprechen ein, in seiner Laufbahn stets in den ersten zwei Saisons mindestens einen Pokal zu holen. Der Australier war im Sommer 2023 zu den Spurs gekommen. Nach Abpfiff kannte der Jubel der Spurs kein Ende – es wirkte, als wäre vom Klub ein Fluch abgefallen.
49 224 fast ausschließlich britische Zuschauer bildeten einen würdigen Finalrahmen in Bilbaos Stadion San Mamés. Beide Fanlager nahmen tagsüber die für Autos abgesperrte Innenstadt in Besitz, als wäre Bilbao eine englische Exklave. Sie tranken, aßen und feierten in den vielen wunderbaren Pinchos-Bars, wie die Häppchen im Baskenland genannt werden – auch im Bewusstsein, dass es für einen der beiden Klubs auf absehbare Zeit eher keinen Anlass für Feste mehr geben würde. Der bis dahin makellose Sonnenhimmel über Bilbao zog dann ein paar Stunden vor Spielbeginn zusammen, als könnte das Wetter erahnen, dass sich zwei Dauerkrisenvereine im Stadion San Mamés verabredet hatten. Es wurde windig und grau.
Das kuriose Eigentor passte zum Spielverlauf
Zwar verharrten Regen, Blitz und Donner letztlich in der Wolkendecke, aber dafür ging es auf dem Platz zur Sache. Die erste Halbzeit war gezeichnet von einer Aneinanderreihung an Fouls, Unterbrechungen und Standards. Beide Teams vermieden das Risiko und unterbanden jeweils frühzeitig die Ambitionen des Gegners – wie so häufig in dieser Europa-League-Saison. Dazu kam die Nervosität der Spieler im Finale, die sich in untypischen leichten technischen Fehlern ausdrückte. So war der auffälligste Akteur in diesem zerfahrenen Match bisweilen der souveräne Spielleiter Felix Zwayer, der immer wieder beruhigend auf die Spieler einwirken musste. Er war der erste deutsche Finalschiedsrichter in der Europa League seit Felix Brych, der das Endspiel vor elf Jahren geleitet hatte.
Das Hin und Her im Spielverlauf spiegelte die Saison der zwei Klubs. Die einzige echte Chance vor dem Seitenwechsel ergab sich für United nach einem Eckball, als Rechtsaußen Amad Diallo im Nachsetzen knapp vorbei zielte (16. Minute). Dass Tottenham dennoch zur Pause vorn lag, lag am kuriosen Eigentor von Shaw (42.). Der Engländer lenkte den Ball aus kurzer Distanz versehentlich mit dem Oberarm ins Netz, nachdem dieser nach einer vorherigen Flanke direkt vor ihm vom gegnerischen Angreifer Brennan Johnson mit der Fußsohle abgefälscht worden war. Die Art des Treffers fasste das Spiel pointiert zusammen.
Der Rückstand zwang Manchester nach Wiederbeginn, die Geschwindigkeit der Partie zu erhöhen. Die Elf von Trainer Rúben Amorim baute den Ballbesitzanteil auf mehr als 65 Prozent aus, drängte die Spurs an den Strafraum zurück – aber gelungene Abschlusssituationen ergaben sich aus dem Spiel heraus weiterhin kaum. Am gefährlichsten wurde es erneut nach einem Standard, als Uniteds Stürmer Rasmus Højlund nach einem Missverständnis auf das leere Tor köpfelte. Doch Spurs-Verteidiger Micky van de Ven rettete für seinen geschlagenen Keeper (68.).
In den Schlussminuten warf Manchester United alles nach vorn. Aber diesmal gab es nicht wie zuletzt immer wieder einen späten Treffer. Stattdessen brach nach Abpfiff die große Fassungslosigkeit über die schlechteste Saison des Klubs seit Menschengedenken aus. Zu derlei schrieb die Abba-Gruppe einst, der Verlierer müsse fallen.