Premier League:Obszönitäten gegen Jürgen Klopp

Lesezeit: 3 Min.

Eine Szene aus dem Juli 2020: Liverpools Trainer Jürgen Klopp (links) diskutiert mit Schiedsrichter David Coote. (Foto: Phil Noble/Pool via Reuters)

In England taucht ein Video auf, in dem Liverpools langjähriger Trainer von Referee David Coote massiv beleidigt wird. Ein Versuch, die Veröffentlichung des 74-sekündigen Clips zu verhindern, misslingt.

Von Sven Haist, London

In der Premier League herrscht zwischen den Spielern, Trainern, Funktionären und Schiedsrichtern bekanntlich ein rauer Umgangston: Es wird geschimpft, geflucht und gepöbelt. In der Regel bekommen die Referees am meisten ab. Sie können zwar ungebührliches Verhalten mit gelben und roten Karten sanktionieren, aber als moralische Instanz sind sie gleichzeitig angehalten, sich selbst in allen Situationen unter Kontrolle zu haben. Sie können sich nicht so impulsiv und schroff benehmen, wie das bisweilen die Protagonisten auf Klubseite tun.

Allerdings rechtfertigt das in keiner Weise die peinliche Entgleisung, die sich der seit der Saison 2017/2018 in der Premier League aktive Unparteiische David Coote geleistet hat. Seine Äußerungen haben selbst im hart gesottenen England für einen handfesten Skandal gesorgt: Coote verstieg sich gewaltig in seiner Wortwahl – und beleidigte den FC Liverpool und vor allem deren langjährigen Trainer Jürgen Klopp. Dies belegt ein am Montag in den sozialen Netzwerken aufgetauchtes, undatiertes Video, das mutmaßlich aus der Corona-Saison 2020/21 stammt.

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Darin ist der heute 42-jährige Engländer auf einem Sofa zu sehen, der Raum ist spärlich dekoriert. Neben ihm sitzt ein Mann, der das Gespräch wohl mit einer Handykamera aufzeichnet. Er fragt Coote, was er nach seinem kürzlichen Einsatz als vierter Offizieller bei einem Liverpool-Spiel (mutmaßlich dem 2:7 bei Aston Villa im Oktober 2020) vom Verein und Klopp halte. Cootes Antwort: Liverpool sei „scheiße“ und Klopp eine „deutsche Fo***“. Die Obszönität gegenüber Klopp wiederholt er mehrmals im 74-sekündigen Clip.

Von der englischen Referee-Vereinigung wird Coote sofort suspendiert

Des Weiteren beschuldigt Coote Klopp der Lüge, er bezieht sich dabei auf das Liga-Match Liverpool-Burnley (1:1), das er im Juli 2020 hauptverantwortlich geleitet hatte. Er habe „absolut kein Interesse, mit jemandem zu sprechen, der verdammt arrogant“ sei, kritisiert Coote. Dann hält er ein Foto auf seinem Handy in die Kamera, darauf steht er mit Gesichtsmaske neben Klopp und dessen Spieler James Milner beim Villa-Spiel. „Sozialer Abstand“, spottet er und sagt sarkastisch zu seinem direkt neben ihm platzierten Nebenmann: „Wir sind zwei Meter auseinander.“ Zum Gesprächsende fasst die andere Person zusammen: „Lange Rede, kurzer Sinn: Jürgen Klopp ist eine Fo***, Liverpool ein verdammtes Arschloch und wir hassen Scousers.“ Als Scousers werden die Menschen in Liverpool bezeichnet.

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Auf einer anderen Aufnahme verlangt Coote, dass das ursprüngliche Video niemals geteilt werde und an die Öffentlichkeit gelange. „Um das klarzustellen, das letzte Video kann nirgendwo hingehen, ernsthaft“, verfügt er. Jemand anders ergänzt: „Er ist ein Premier-League-Schiedsrichter, lasst uns nicht die Karriere eines Mannes ruinieren. So schlecht sind wir nicht.“ Auf den nun doch an die Öffentlichkeit weitergegebenen Vorfall reagierte umgehend die englische Referee-Vereinigung PGMOL. Sie teilte mit, Coote werde „mit sofortiger Wirkung bis zum Abschluss einer umfassenden Untersuchung suspendiert“. Bis der Prozess abgeschlossen sei, werde es „keine weiteren Kommentare“ geben.

Nach dem Auftauchen des Videos kursierte in England das Gerücht, der Clip könnte von künstlicher Intelligenz generiert worden sein. Dem widerspricht die Boulevardzeitung Sun: Sie schreibt, Coote habe die Echtheit der Aufzeichnung „gegenüber anderen Schiedsrichtern eingeräumt“. Allerdings könne er sich an die Sachverhalte laut des Artikels in der Sun „nicht mehr erinnern“. Eine Stellungnahme von Coote zu den Vorwürfen gab es bis Dienstagnachmittag nicht. Auch Liverpool und Klopp sahen bis dahin von einer Erklärung ab.

In seiner Premier-League-Zeit von 2015 bis 2024 ist Klopp mit Liverpool wiederkehrend Coote begegnet. Nicht immer verliefen die Spiele reibungsfrei: Am Spieltag nach dem einstigen Villa-Debakel war Coote als Videoassistent beim Lokalderby auswärts gegen Everton (2:2) zugegen. Damals wurde Liverpools Verteidiger Virgil van Dijk im Strafraum brutal gefoult, er riss sich das Kreuzband und fiel lange aus. Bei der Aktion, die wohl einen Elfmeter und eine rote Karte erfordert hätte, kam Evertons Torwart Jordan Pickford ungestraft davon. Auch im vergangenen Dezember gab es Ungereimtheiten. Beim Heimspiel gegen Arsenal verweigerte Coote Liverpool als Hauptreferee einen Handelfmeter. Später bestätigte PGMOL-Chef Howard Webb die Fehlentscheidung.

Von den acht von Coote geleiteten Liverpool-Spielen unter Klopp gewann dessen Mannschaft fünf, zwei gingen verloren. Einen Verdacht, dass Coote nach seiner wüsten Schimpftirade absichtlich gegen Liverpool entschieden hätte, besteht derzeit nicht. Die Angelegenheit wirkt eher wie eine völlig misslungene Abrechnung mit Jürgen Klopp – der es seinerzeit den Schiedsrichtern auch nicht immer einfach gemacht hat. Aber von solchen vulgären und gehaltlosen Beschimpfungen war er immer weit entfernt.

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