Süddeutsche Zeitung

Premier League:Jürgen Klopp: "Was reimt sich auf Flop?"

Von Sven Haist, London

Der Kopf von Slaven Bilic richtet sich auf, seine Augen leuchten jetzt, weil seine Ohren in der Pressekonferenz den Namen Zeljko Buvac erhört haben, den er mit den Anfängen seiner Karriere verbindet. Er beginnt von gemeinsamen Zeiten zu erzählen, ehe die Frage überhaupt zu Ende gestellt ist. Als 19-jähriges Talent wechselte Bilic, mittlerweile Trainer von West Ham United in der Premier League, einst von HNK Hajduk Split in die zweite jugoslawische Spielklasse. "Zeljko sei der Star der Liga gewesen", sagt Bilic. "danach haben wir den Kontakt verloren. Für mich war es schön, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen."

Der Klang seiner Stimme verrät die Wertschätzung, die er gegenüber Buvac, dem ewigen Assistenten von Liverpools Trainer Jürgen Klopp, empfindet. Zwischen der ersten Begegnung und der herzlichen Begrüßung der beiden vor der Partie im östlich von London gelegenen Upton Park liegen mittlerweile 27 Jahre. Vielleicht hat die beiden die marode Stadionapparatur an die Vergangenheit in der Heimat erinnert. Immerhin zieht West Ham im Sommer ins Olympiastadion um. Als Antrittsgeschenk für die neue Umgebung möchten die Hammers die Saison auf einem Tabellenplatz beenden, der für einen internationalen Wettbewerb berechtigt.

Dieses ambitionierte Vorhaben hat durch das 2:0 nach Toren von Michail Antonio (10.) und Andy Carroll (55.) in seinem 150. Ligaspiel gegen den FC Liverpool an Seriosität gewonnen. Seit sieben Partien ist West Ham nun ungeschlagen in der Premier League und musste unter Bilic überhaupt nur vier Niederlagen hinnehmen. Der Lohn: Tabellenplatz sechs mit 32 Punkten. Liverpool dagegen zeigt auch unter Klopp höchst schwankende Leistungen und kommt in der Tabelle nicht recht voran. Aktuell ist Liverpool mit 30 Punkten Achter. "Heute ist kein Tag, um enttäuscht, sondern um ärgerlich zu sein", sagte Klopp - und vermittelte damit den Eindruck, mit sich selbst am meisten in Rage zu sein. Am Samstagmittag genügte Klopps Gegenpart ein einfaches taktisches Stilmittel, um sein Team auszumanövrieren.

Bilic hatte es auf die beiden Außenverteidiger Liverpools abgesehen. Die Einleitung zu beiden Treffern erfolgte jeweils über die linke Abwehrseite der Gäste, die Alberto Moreno mit seinem unbändigen Offensivdrang allzu oft entblößte. West Hams Manuel Lanzini und Kapitän Mark Noble zielten dann mit ihren Flanken auf den ballentfernten Pfosten, weil die Abnehmer dort im Duell mit Rechtsverteidiger Nathaniel Clyne einen Größenvorteil besaßen. Unterstützt wurden sie von der Schlafmützigkeit des Innenverteidigers Dejan Lovren und des Torwarts Simon Mignolet. "Wer will 90 Prozent sehen?", ächzte Klopp, um die Antwort gleich selbst zu geben: "Keiner möchte das sehen! Ich mag das nicht." Lediglich Buvac besaß auf der Bank die richtige Körperspannung, als er Klopp im Gegensatz zu den eigenen Profis einen druckvollen Kopfball vorführte.

Hinterher wollte jemand Klopp etwas tückisch für die Verfehlungen seiner Defensivabteilung in Schutz nehmen. Die Anspielung, dass Klopp ja noch nicht so lange auf der Insel sei, um auf dieses urbritische Flanke-Kopfball-Tor-Vorgehen der Gegner vorbereitet zu sein, kratzte an der Ehre. "Wir haben Christian Benteke", sagte Klopp schnippisch. Liverpools Stürmer hat ähhnliche Körpermaße wie Caroll, Klopp wollte damit wohl sagen, dass er sehr wohl auf diese Spielweise vorbereitet war. Er vielleicht, seine Spieler weniger.

Benteke warf sich vor 34 977 Zuschauern für seine Mannschaft nur dezent auf den aufgeweichten Platz. Sein Trikot war nach der Partie genauso weiß wie zuvor. "Ich war ein Verteidiger. Es ist ein schöner Teil des Spiels", sagte Klopp, "man macht sich schmutzig, aber hinterher muss man die Spielkleidung ja nicht selbst waschen."

Slaven Bilic hat auch eine Spielerkarriere als Abwehrstratege hinter sich. Während des Spiels arbeitete er sich in seiner Coaching-Zone ab, so dass der Untergrund gegen Ende des Spiels der Glattheit von Schmierseife ähnelte, so dass seine Lederschuhe kaum mehr Halt fanden. Nicht selten wich er deswegen auf das Gebiet von Klopp aus, um von dort die Lücken seiner Defensivreihen quasi in Handarbeit zu schließen. Der Kroate gehört zu den gewieftesten Könnern in England, aber auch zu denjenigen, die bislang im Schatten der prominenten Medienfiguren stehen.

Genauso verhält es sich mit West Ham. Allerdings bestätigt der erfolgreiche Jahresauftakt einmal mehr die Tendenz, dass der Klub gerade gegen die Topteams zu beachtlicher Form aufläuft. Nacheinander servierten die Hammers Spitzenreiter FC Arsenal, Manchester City und den FC Chelsea ab, Liverpool nun schon zum zweiten Mal in dieser Saison. Zuletzt gelang West Ham das im Jahr 1964. Erinnerungen an diese Spiele hat Bilic keine - er war zu dieser Zeit noch nicht auf der Welt.

Schöne Verse gegen Klopp

Während die Fans von West Ham United sich nach goldeneren Zeiten sehnen können, twitterte sich Englands Alt-Internationale und Fußballkommentor Gary Lineker, eigentlich ein Fan Klopps, schon mal in Form. "Sieht nicht gut aus für Klopp, sehr viele Fehler müssen aufhören, um sicherzustellen, dass der Deutsche kein Flop ist, der Rodgers folgt und Hiebe bekommt", schrieb er.

Wobei die deutsche Übersetzung den größten Teil vom Charme des Originals klaut. Denn Linekers Tweet bestand aus formvollendeten Knittelversen. Den wichtigsten aber behält auch die Übersetzung: Was reimt sich auf Flop? Klopp sollte seine Mannschaft in die Spur kriegen, bevor Lineker und seinen Kollegen noch andere Verse einfallen.

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SZ vom 03.01.2016/schma
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