Premier League:Im Stil von 1999

Premier League - Fulham v Manchester United

Übergangs-Manager Ole-Gunnar Solskjaer feiert den Erfolg seiner Mannschaft Manchester United.

(Foto: Andrew Couldridge/Reuters)

Elf Spiele ungeschlagen, Tabellenvierter: Interimstrainer Ole-Gunnar Solksjaer hat Manchester United wieder stark gemacht. Doch seine Zukunft ist unsicher - und seine schwerste Prüfung folgt in der Champions League.

Von Sven Haist, London

Jedes der drei Tore für Manchester United gegen den FC Fulham am Samstag hätte auch Ole-Gunnar Solskjaer erzielen können. Dem ehemaligen Angreifer wird nachgesagt, während seiner Karriere im gegnerischen Strafraum ein regelrechter Stratege gewesen zu sein. Kein anderer Stürmer in der ruhmreichen Historie des Vereins soll über jene Fähigkeiten des Norwegers verfügt haben, der mit seinem gummiähnlichen Fußgelenk in der Lage war, beinahe aus jeder Stellung heraus den Ball aufs Tor zu bringen. So gelangen ihm eine Vielzahl seiner 126 Treffer für United zwischen 1996 und 2007. Als Interimstrainer des Rekordmeisters kann er zwar jetzt kein Tor mehr schießen - dafür die Anleitung zum Torschießen liefern, die sein Team so dringend benötigte.

So wie es Solksjaer, 45, am liebsten hat - instinktiv und nervenstark, was ihm den Rufnamen der "Killer mit dem Babygesicht" einbrachte - ging seine Mannschaft beim Aufsteiger aus Fulham vor. Aus einem unangenehmen Winkel knallte Paul Pogba, der später noch einen Elfmeter verwandelte (65.), den ersten Schuss aufs gegnerische Tor ins Tor (14.) und Anthony Martial gleich auch noch den zweiten nach einem sehenswerten Kontersolo (23.). Jeweils mit nur einer Ballberührung im Strafraum, was dem Prinzip des Instinkts folgte, auf den Solskjaer stets zurückgriff, um seine Unterlegenheit in Schnelligkeit und Kraft auszugleichen. Ohne hingucken zu müssen, wusste er meistens, wo das Tor stand. Bei seinem Einstand im Trikot der Red Devils traf er nach sechs Minuten.

Durch den zehnten Sieg im elften Pflichtspiel bei 28:7 Toren bleibt Solskjaer als Nachfolger des entlassenen José Mourinho weiter ungeschlagen und hat den Rückstand bei seinem Amtsantritt kurz vor Weihnachten von elf Punkten auf den ersten zur Teilnahme an der Champions League berechtigenden Platz fast aufgeholt. Das 3:0 über Fulham verhilft Manchester United mit dem vorübergehenden Vorrücken um einen Zähler auf den vierten Rang - am Sonntag könnte Chelsea mit einem Erfolg gegen Manchester City wieder vorbeiziehen - zur besten Platzierung seit dem ersten Spieltag. Damals eröffnete der Vizemeister der Vorsaison die neue Spielzeit mit einem Sieg, wodurch sich United für eine Nacht als Tabellenführer unter den ersten vier Vereinen der Liga befand. "Der vierte Platz ist eine super Sache. Lass uns hoffen, dass wir dort ein bisschen verweilen können. Nicht zu lange natürlich, weil wir weiter nach oben möchten", sagte Solskjaer.

"Geh da hin, genieß es - und komm nicht wieder", sagten sie Solksjaer bei seinem Klub Molde

Nach einer Reihe an Punktgewinnen gegen schwächer besetzte Mannschaften steht für Solskjaer die erste große Prüfung seines bisherigen Wirkens allerdings noch an. Am Dienstag empfängt Manchester United das von Thomas Tuchel trainierte Paris Saint-Germain im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League, bevor es im Achtelfinale des englischen Pokals zum Duell mit dem FC Chelsea kommt und in der Liga danach der FC Liverpool wartet. Das Fortkommen in den drei Wettbewerben, speziell das Abschneiden in der Liga und der Königsklasse, wird über den Plan des Vereins bei der zukünftigen Besetzung des Trainerpostens entscheiden. Ausgeliehen aus Molde besitzt Solskjaer bei ManUnited eine Zusage bis Saisonende, dann würde nach bisheriger Vereinbarung wieder sein bis 2021 laufender Vertrag mit den Norwegern greifen. Sofern die United-Klubbosse um Geschäftsführer Ed Woodward eine Festanstellung mit Solskjaer über die ursprüngliche Idee der Verpflichtung von Mauricio Pochettino (Tottenham Hotspur) stellen, würden sich die Chefs bei Molde nicht querstellen. Kürzlich sagte Solskjaer auf der Pressekonferenz, dass ihn seine Vorgesetzten mit folgenden Worten nach Manchester verabschiedet hätten: "Geh da hin, genieß es - und komm nicht wieder!"

Nach dem Rücktritt der Trainerlegende Alex Ferguson nach 27 Spielzeiten im Sommer 2013 hat Manchester United nahezu jeden Trainertypus ausprobiert. Infolge der Entlassung des überforderten David Moyes versuchte sich mit Ryan Giggs für mehrere Wochen schon einmal ein Ex-United-Profi. Für ihn übernahm der niederländische Ballbesitzprediger Louis van Gaal, dessen Spielausrichtung nach zwei Jahren durch Mourinho konterkariert wurde. In den vergangenen anderthalb Monaten hat sich Solksjaer nun an der Arbeitsweise seines Mentors Ferguson orientiert und versucht, dessen Grundsätze zu reinstallieren: den Verein als Familie sehen, mit Power angreifen, sich beim Kontern nicht umschauen (so wie Martial bei seinem Tor gegen Fulham), den Comeback-Spirit pflegen (unter Mourinho schon vorhanden) und immer an die Zukunft denken. Wie sich die Ergebnisse unter Solskjær entwickeln, wird nebenbei Einfluss haben auf das Ansehen seiner Kollegen, die mit ihm 1999 das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League gewannen. Acht Mitspieler, darunter Ryan Giggs und Gary Neville, haben bisher ins Trainerwesen gewechselt, der Erfolg hat sich jedoch bei keinem von ihnen bis hierhin dauerhaft eingestellt.

Die Akzeptanz der Spieler hat sich der Trainernovize Solksjaer, der einst mit Cardiff City aus der Premier League abstieg, durch seine Zurückhaltung erarbeitet. Im Gegensatz zum streitlustigen Mourinho tritt er als Friedensstifter bei United auf, der bereit ist, Verantwortung aufs Team zu übertragen. Die offensivere Stellung auf dem Spielfeld bietet seinen Profis mehr Freilauf, die eigenen Fähigkeiten zur Schau zu stellen. Aufgrund seiner häufigen Reservistenrolle in früheren Teams kann sich Solksjaer in die Gefühlslage so ziemlich jeden seiner hochbezahlten Profis hineinversetzen. Gegen Fulham wechselte er seine Startelf auf sechs Positionen aus, um möglichst vielen Spielern die Chance zu geben, sich für das Duell mit Paris zu empfehlen. Nach einer Saisonhälfte, in der die Fans die Spielweise ihres Vereins nicht widererkannten, ist Manchester United durch Ole-Gunnar Solskjaer wieder vorzeigbar geworden.

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