Premier League:Hunger auf Burger

Premier League - Fulham v Southampton

Zurück im Blitzlichtgewitter: Claudio Ranieri ist wieder im Geschäft und feierte mit dem FC Fulham einen 3:2-Einstandssieg.

(Foto: Andrew Couldridge/Action Images via Reuters)

Claudio Ranieri, 2016 überraschend Meister mit Leicester, kehrt mit einem Sieg in die Premier League zurück. Als Trainer des FC Fulham soll er das Team mit der schwächsten Defensive vor dem Abstieg retten. Er wendet altbewährte Mittel an.

Von Sven Haist, London

Den englischen Fußballvereinen, die bei der Trainersuche das Träumen anfangen, kommt der Italiener Claudio Ranieri als erstes in den Sinn. Durch seinen Meistertitel mit Leicester City, bei dem Ranieri gegen die 5000:1-Wettquote der Buchmacher triumphierte, umgibt ihn auf der Insel die Aura des Wunderarbeiters. Für ihn erscheint keine Aufgabe zu herausfordernd. Makellos für die Ewigkeit hätte sich Ranieri ja nach dem unverwechselbaren Coup in der Saison 2015/16 aus der Fußballwelt verabschieden können. Aber die Anziehungskraft, in diesem verlockenden Gewerbe nach dem erfolglosen Gastspiel in Nantes in der Vorsaison weiter mitwirken zu dürfen, überzeugte ihn.

Die Premier League hat Ranieri in seinen 32 Tra­inerjahren verteilt auf fünf Länder als Tüftler, Witzbold und Ehrenmann kennengelernt. Und sie erlebt ihn jetzt auf seine alten Karrieretage hin mit 67 Jahren noch als Abstiegsbekämpfer beim FC Fulham.

Im Gegensatz zu seiner Tätigkeit bei Leicester, als es mehr oder weniger genügte, die Spieler in einem funktionierenden Team einfach machen zu lassen, muss Ranieri in Fulham richtig Hand anlegen. Nach nur einem Sieg in zwölf Ligaspielen und der zweitmiesesten Tordifferenz (-20) in den ersten vier englischen Profiligen bekam es der Aufsteiger aus London vor knapp zwei Wochen mit der Angst vor dem Abstieg zu tun. Mit der Maßnahme, bei der ersten Trainerentlassung der Saison den offensiv ausgerichteten Slaviša Jokanović durch den defensiv ausgerichteten Ranieri zu ersetzen, passte sich Fulham der Ausrichtung der anderen Vereine im Tabellenumfeld an.

Als "risikofreie" Lösung bezeichnet Fulham-Eigner Khan Claudio Ranieri

Die Abstiegskandidaten leiten vorwiegend die erfahrensten Ligatrainer an - mit dem 65 Jahre alten Manuel Pellegrini (West Ham United), dem 69 Jahre alten Neil Warnock (Cardiff City) und dem 71 Jahre alten Roy Hodgson (Crystal Palace). Das Durschnittalter aller derzeit tätigen Cheftrainer liegt in England bei knapp über 53 Jahren, der Höchstwert im Vergleich zu den restlichen europäischen Topligen.

Dem Trend zum bewährten Personal liegt die Hoffnung zugrunde, dass mit den weit gereisten Trainern schon nichts schiefgehen kann. Als "risikofreie" Lösung bezeichnete Eigentümer Shahid Khan gar die Verpflichtung von Ranieri, der sich mal den Job bei Juventus Turin verdiente, indem er den AC Parma mit 17 Punkten aus den verbliebenen zehn Spielen vor dem Abstieg bewahrt hatte. Der in Pakistan geborene Khan, ein Unternehmer, dem unter anderem das American Football-Team Jacksonville Jaguars gehört, mischte zuletzt den englischen Fußballverband auf mit seinem gescheiterten Ein-Milliarden-Euro-Angebot zur Übernahme des Wembley-Stadions.

Im Sommer war er bei Fulham bereits durch seine Investition von etwa 100 Millionen Euro für neue Offensivspieler auffällig geworden. Den Verein in London führt Khan nach Gutsherrenart: Der Klub kauft ein, der Trainer muss damit dann zurechtkommen. Den unausgeglichenen Kader soll Ranieri jetzt ins Lot bringen auf seiner 18. Station, die für ihn quasi ein Heimspiel ist. Seit seiner Tätigkeit bei Chelsea vor anderthalb Jahrzehnten besitzt Ranieri ein Haus im vornehmen Westen der Millionenmetropole.

Flügelstürmer André Schürrle trumpft auf

Zu seinem Einstand konnte Ranieri bei Fulhams unübersichtlichem 3:2 (2:1) über den FC Southampton am Samstag die Ankündigung halten, dass seine Spieler kämpfen würden wie die Piraten. Nach sechs Niederlagen hintereinander hat sich der zuvor Tabellenletzte FC Fulham durch den zweiten Saisonsieg immerhin vorübergehend an Huddersfield vorbeigeschoben. "Für uns war das ein kleiner Schritt, jeder ist sehr glücklich. Wir haben einen fantastischen Spirit, aber viel zu viele Chancen zugelassen", sagte Ranieri. Statt der Verteidigung belebte die Anwesenheit von Ranieri im ehrwürdigen Craven Cottage am nördlichen Themseufer überraschenderweise den Angriff.

In Ranieris bewährter Organisationsform mit zwei Viererreihen und zwei Angreifern trumpften die als Spielmacher verkappten Flügelstürmer Ryan Sessegnon und André Schürrle auf, die dem genialen Doppeltorschützen Aleksandar Mitrovic in der Mitte zuarbeiteten (33./63.). Beim zweiten Treffer legte Sessegnon nach einem Solo auf der linken Seite den Ball quer in den Lauf für Schürrle zu dessen fünftem Saisontreffer (43.). Mit Leibeskräften rettete Fulham den knappen Vorsprung nach den Gegentreffern durch Stuart Armstrong (18./53.) über die Zeit.

Dabei bewahrte lediglich Torwart Sergio Rico die Übersicht - ebenso wie Ranieri am Seitenrand. Nach Abpfiff lief er gemütlich über den Platz. Auf der Pressekonferenz gab Ranieri zu: "Die Emotionen waren bei meiner Rückkehr in die Premier League sehr hoch. Ich lebe für diese Emotionen." Ob er seine Zusage nach dem frühen Rückstand denn nicht bereut habe? "Nein, warum", entgegnete Ranieri, "der Trainer entscheidet nie falsch."

Trotz dem Befreiungsschlag in misslicher Lage wartet Fulham weiter auf das erste Spiel ohne Gegentor. Bei Leicester hatte Ranieri dafür einst Pizza als Prämie ausgelobt, für die schwächste Defensive der Liga erhöhte er seinen Einsatz und stellte den Verzehr von Fast-Food-Burger bei McDonald's in Aussicht. Wohlwissend, dass es bis dahin noch ein bisschen dauern dürfte.

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