Premier League:Ein Deutscher führt Brighton ins Oberhaus

Brighton's Bruno celebrates with the trophy and team mates atop of the open top bus during the parade through Brighton

Endlich zurück: Spieler von Brighton & Hove Albion feiern den Aufstieg.

(Foto: REUTERS)
  • Brighton & Hove Albion steht als Aufsteiger in die englische Premier League fest.
  • Zum Erfolg beigetragen hat Uwe Hünemeier, der von Paderborn an die englische Südküste wechselte.
  • Das beschauliche Städtchen muss sich erst auf den Trubel der Premier League einstellen.

Von Sven Haist, Brighton

In der hintersten Ecke auf dem Brighton Palace Pier, der wohl größten Touristenattraktion an Englands Südküste, versteckt sich eine Torwand. Der Fußballspieler Uwe Hünemeier hätte nun das machen können, was Fußballer so machen, wenn sie einen Ball sehen und eine Zielscheibe: einfach mal schießen. Stattdessen läuft Hünemeier an dem Spielladen vorbei, wie auch an allen anderen Geschäften auf dem etwa 500 Meter langen Steg.

Von sich aus würde Hünemeier, 31, nicht auf diese Kirmes gehen. Seine Wohnung an der Strandpromenade ist in Sichtweite, aber gleichzeitig auch weit genug weg von der Anziehungskraft dieses Ortes. In Jeans, Pullover und Sneakers schlendert der Abwehrspieler durch die knapp 300 000 Einwohner zählende Stadt am Ärmelkanal, der neuen Heimat des Ostwestfalen seit Sommer 2015. Die Menschen lassen ihn in Ruhe - und Hünemeier ist das ganz recht so. "Ich bin keiner, der sich wichtiger nimmt, als ich wirklich bin", sagt er.

Sein größter Erfolg als Spieler war bislang der Aufstieg mit dem SC Paderborn in die Bundesliga. Seit Ostermontag hat sich das etwas relativiert. Erneut gelang ihm das Kunststück des unerwarteten Aufstiegs, diesmal mit Brighton & Hove Albion. "Bei meinem Wechsel habe ich überhaupt nicht daran gedacht, einmal Premier League zu spielen", sagt Hünemeier. Doch dann sicherten sich die Seagulls - eine Möwe befindet sich im Vereinswappen - hinter Zweitligameister Newcastle United den Zugang zu Englands Elite.

Als die erste Party im Stadion vorbei war, fuhr Hünemeier nach Hause. Zur selben Zeit entstanden Aufnahmen, die so schnell keiner in Brighton vergessen wird: Einige Mitspieler ließen sich auf dem Weg in die Innenstadt auf den Händen der Fans durch die Zugwaggons tragen. Bevor die Feierlichkeiten gemeinsam in einer Diskothek weitergingen - bis um 01:30 Uhr die Betreiber genug hatten.

Oase mit Führungsschwäche

An rauschende Nächte muss sich Brighton erst wieder gewöhnen. Die Oase für Naturliebhaber zog seit dem Abstieg 1983 aus der ersten Liga hauptsächlich Golfspieler an sowie Leute, die einen Ausgleich suchen zum hektischen Treiben Londons.

Der Verein verbrachte die folgenden 34 Jahre in den Niederungen des englischen Fußballs. Zwischenzeitlich sogar ohne eigene Heimat. Die Führung um den damaligen Mehrheitseigentümer Bill Archer entschied sich ohne Mitwissen der Fans zum Verkauf des innig geliebten Goldstone Ground. Besonders beschämend war dabei, dass der Klub trotz seiner finanziell schwierigen Situation kaum etwas von den Erlösen abbekam - und die Heimspiele zwei Spielzeiten lang etwa 120 Kilometer entfernt austragen musste.

Die Investition eines Fans brachte Erfolg

Die Altlasten schüttelte Brighton & Hove Albion dann mit der Übernahme durch Tony Bloom vor acht Jahren ab, einen Fan seit Kindheitstagen. Der professionelle Glücksspieler kam über den Aufbau eines Wettberatungsunternehmens zu einem riesigen Vermögen. Davon investierte er mehr als 250 Millionen Euro in den Klub. Neben einem neuen Stadion und Trainingsgelände baute der Verein mit dem Geld eine Mannschaft auf, die zuletzt in vier Spielzeiten drei Mal an der Aufstiegsrunde teilnahm.

Vor der Saison hatte der Klub die Möglichkeit, durch Spielerverkäufe bis zu 40 Millionen Euro einzunehmen. Die Führungsspitze lehnte ab und dehnte die Qualität des Kaders weiter aus. "Selbst unsere Ersatzelf könnte im Mittelfeld der Championship mitspielen", sagt Hünemeier. Nach seiner komplizierten Adduktorenverletzung im Dezember 2015 gehörte er selbst zu den Reservisten. Zwei Operationen zwangen ihn zu acht Monaten Pause. Selbstzweifel holten ihn ein, weil die Rehabilitation mehrere Rückschläge parat hatte. "Einfach mal schießen" habe er sich gewünscht, schmerzfrei wohlgemerkt.

Wiedersehen mit Jürgen Klopp

Hängen gelassen hat er sich trotzdem nicht. In der Mannschaft genießt Hünemeier hohes Ansehen wegen seiner Mentalität, die eigenen Interessen hinten anzustellen. "Ich bin so gestrickt, dass ich immer alles aus mir heraushole. Mit 70 Prozent würde ich nie trainieren." Als zwei Innenverteidiger im Verlauf der Rückrunde ausfielen, machte sich die Beharrlichkeit bezahlt. Brighton legte mit Hünemeier in der Startelf eine Siegesserie hin. Dabei hatte er als Kapitän in Paderborn einst die Anfrage des Klubs abgelehnt. "Brighton hat das Werben trotzdem nicht aufgegeben. Das Gefühl, dass mich ein Verein unbedingt haben möchte, kannte ich so nicht."

In seiner Karriere gehörte Hünemeier nie zu den verheißungsvollen Talenten. Bei Borussia Dortmund absolvierte er ein paar Einsätze, durchgesetzt hat er sich im Profiteam nicht. Ein Jahr, nachdem Jürgen Klopp den BVB übernommen hatte, ging Hünemeier. Sieben Jahre später gibt es nun ein Wiedersehen. Wenn Brighton & Hove Albion in der Premier League auf Liverpool trifft.

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