Premier League:Die Pukkiparty ist abgesagt

Norwich City v West Ham United - Premier League

Am Ende fehlten die Siege und Pukkis Tore – der deutsche Trainer Daniel Farke, 43, kommentiert den erneuten Abstieg von Norwich City.

(Foto: 2020 Pool)

Norwich City wurde zwischenzeitlich als "bester Tabellenletzter" gelobt. Nun steht das Team des deutschen Trainers Daniel Farke trotzdem als Absteiger fest.

Von Sebastian Fischer, Norwich/München

Der Juni und vielleicht sogar der Juli waren eigentlich als Monate vorgesehen, in denen der finnische Stürmer Teemu Pukki auf der großen Bühne gefeiert werden sollte. Im Juni hätte die Nationalmannschaft Finnlands in der Gruppenphase der Europameisterschaft gegen Dänemark, Russland und Belgien gespielt. Wer weiß? Vielleicht hätten sie es als Überraschungsmannschaft sogar noch etwas weiter geschafft, wenn Pukki ein paar Tore geschossen hätte. Seine insgesamt zehn Treffer in der Qualifikation waren ja überhaupt erst die Voraussetzung dafür, dass Finnland erstmals in der Geschichte des Landes an einer EM teilnimmt. Gefeiert hat man ihn dafür schon im vergangenen Jahr: Antti Rinne, Finnlands Ministerpräsident, brachte Emmanuel Macron auf Staatsbesuch in Frankreich ein Pukki-Trikot mit; es war das Geschenk der Stunde, #Pukkiparty war der passende Hashtag dazu.

Die vergangenen Wochen hatten für Pukki allerdings sehr wenig mit einem Fest gemein. Die EM wurde ins kommende Jahr verschoben. Und der Stürmer hat zum letzten Mal am 22. Januar ein Tor geschossen. Seitdem in England nach der Corona-Pause wieder gespielt wird, hat er mit seinem Klub Norwich City nur verloren. Und seit Samstag, seit einem chancenlosen 0:4 gegen West Ham United, ist klar, dass der Klub die Bühne Premier League nach nur einer Saison vorerst wieder verlassen wird. Norwich steht bereits drei Spieltage vor dem Ende als erster Absteiger fest.

Pukki, 30, war in Deutschland bis vor einem Jahr noch jenen Menschen mit gutem Fußball-Gedächtnis als goldlockiger junger Angreifer bekannt, der von 2011 bis 2013 für Schalke 04 auflief. Doch im Sommer 2019 war von einem anderen Pukki die Rede: bärtig, keine Locken mehr, Torjäger. Mit 29 Treffern in Englands zweiter Liga hatte er Norwich zum Aufstieg geschossen, die Mannschaft des deutschen Trainers Daniel Farke, mit lauter ehemaligen Bundesligaprofis, Spielern wie Christoph Zimmermann, Moritz Leitner und Mario Vrancic. Und während Pukkis Tore Finnland zur EM geleiteten, begann auch die Saison in der Premier League mit seinen Treffern, sechs in den ersten fünf Spielen.

Unter anderem schlugen die Canaries, die Kanarienvögel, wie der Verein genannt wird, Manchester City am fünften Spieltag mit 3:2. Und noch im ersten Spiel nach der Corona-Pause, als Norwich längst auf den letzten Platz zurückgefallen war, lobte Trainer Jürgen Klopp von Meister FC Liverpool nach einem 4:0-Sieg den deutschen Kollegen: "Größter Respekt, was Daniel mit den Jungs macht. Sie haben ein sehr interessantes und aufregendes Team."

Pukki ist auch deshalb einer der Hauptdarsteller, weil Norwich, für die Premier League untypisch, nach dem Aufstieg auf große Transfers verzichtete. Ähnlich wie der SC Paderborn in der vergangenen Bundesliga-Saison behielt Norwich neben dem Personal aus der Aufstiegssaison auch seine Spielweise bei: offensiv, mutig, sogar anders als Paderborn mit viel Ballbesitz. Wie der Bundesliga-Achtzehnte wurde auch Norwich viel gelobt, gar als "bester Tabellenletzter der Liga-Geschichte", von TV-Experte Chris Sutton.

Doch so wohlwollend die Leistungen interpretiert wurden, so erfolglos waren sie gleichermaßen: Niemand hat weniger Spiele gewonnen und weniger Tore geschossen als Norwich. Immer wieder unterliefen dem Außenseiter Fehler, etwas Verletzungspech kam hinzu. Das Spiel gegen West Ham war symptomatisch für die Begegnungen nach der Corona-Pause, es war die sechste Niederlage im sechsten Ligaspiel. Norwichs Torverhältnis nach dem Saison-Wiederbeginn lautet 1:15. Das 0:1 fiel nach elf Minuten, es war das zwölfte Gegentor nach einer Ecke, so viele hat keine andere Mannschaft der Liga kassiert. Danach wurde es für West Ham, selbst noch im Abstiegskampf, immer einfacher. Alle vier Tore schoss Stürmer Michail Antonio.

Für Norwich ist es der dritte Abstieg in sechs Jahren. Durch seine wirtschaftliche Vernunft ist der Klub zwar finanziell gesund, nun drohen aber Weggänge. Einige talentierte Spieler haben sich in der Premier League empfohlen, Ben Godrey zum Beispiel, 22, Innenverteidiger.

Und Pukki? Am Samstag hatte er einmal den Ball in aussichtsreicher Position, er dribbelte auf den Strafraum zu. 2019 hätte er vielleicht ein Tor gemacht, nun stolperte er im Zweikampf, wollte einen Freistoß haben, bekam ihn nicht. Seine letzten Treffer sind ein halbes Jahr her. Andererseits: Es waren in dieser Saison trotzdem insgesamt elf, so mancher Manager wird das nicht vergessen haben. Und Pukki selbst will sicher gut in Form sein, wenn er im kommenden statt in diesem Jahr mit Finnland dann endlich die größte Bühne seiner Karriere betritt.

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