Premier League:Die größte Erfindung seit den Beatles

Arsenal v Liverpool

Liverpool-Trainer Klopp: Die richtigen Ergebnisse

(Foto: dpa)

Liverpool liebt seinen Jürgen Klopp - wegen der Art, wie sein Team Spiele gewinnt. Und für die Art, mit der er einem verhassten Boulevard-Blatt entgegentritt.

Von Javier Cáceres, London

Wer weiß, ob Jürgen Klopp, der Trainer des FC Liverpool, in diesem Sommer Zeit hatte, Olympische Spiele zu schauen. Doch was er nach rund einer Stunde an der Seitenlinie im Stadion des FC Arsenal in London aufführte, schien vom Dressurreiten inspiriert zu sein.

Eins, zwei, drei, vier, fünf, wer-weiß-wie-viele Mal riss er die Knie hoch. Wie ein Pferd bei der Piaffe. Dann winkte er Liverpools 35-Millionen-Euro-Zugang Sadio Mané (vormals FC Southampton) herbei, drehte sich um, beugte den Rücken und nahm den Stürmer, der soeben mit einem fabelhaften Solo die Arsenal-Abwehr zertrümmert und das 4:1 erzielt hatte, huckepack. "Ich hab einen großen Fehler begangen", sagte Klopp, als er rund eine Stunde später im Pressesaal saß, und schaute, als ob er sich dabei einen Hexenschuss geholt hatte. Doch das hatte er nicht. Es war viel schlimmer. Denn mit seiner extravaganten Feierei hatte er "jedem das falsche Signal gegeben".

"Ooouh. Noch eine halbe Stunde zu spielen"

Eine zeitige Erkundigung über die verbleibende Spielzeit hätte wohl geholfen. Doch den Blick auf die bei Arsenal stets rückwärts laufende Stadionuhr gönnte sich Klopp, als es zu spät war. "Ooouh. Noch eine halbe Stunde zu spielen", habe er gedacht, sagte er später. "Wenn Du Dich zu früh freust, wischt Dir das Leben immer eins aus."

Es blieb bei einem kurzen Moment der Pein. Der FC Arsenal kam zwar durch Alex Oxlade-Chamberlaine (64.) und Calum Chambers (75.) auf 4:3 heran. Doch in dem hinreißend durchgeknallten Spiel reichten die Meriten Arsenals bei weitem nicht aus, um ein Remis zu erzwingen. Und so war es Klopp überlassen zu feiern. Nach Ende der Partie schritt er über den Rasen, belobigte jeden Spieler einzeln - bis er dort angekommen war, wo sie ihn erkennbar lieben: bei den Liverpool-Fans.

Und ja, sie lieben ihn. Umso mehr, seit er einen Reporter des Tabloids The Sun vor ein paar Tagen öffentlich demütigte. Bei einer Pressekonferenz sagte Klopp, Fragen von Vertretern des Blattes nicht mehr zu beantworten. Unter den Liverpool-Fans ist The Sun seit den schamlosen Lügen, die es 1989 nach der Stadion-Katastrophe von Hillsborough und den 96 Stadiontoten druckte, regelrecht verhasst. Klopps Sun-Boykott hat aber einen aktuellen Anlass. Das Blatt druckte eine Ehekrisen-Geschichte über einen Liverpool-Spieler.

Doch auch ohne den Frontalangriff auf die Sun halten sie Klopp an der Merseyside für die größte Erfindung seit den Beatles, er lässt die Menschen dort vom ersten Titel seit 1990 träumen. "Warum sollte ich unseren Erwartungen Grenzen setzen?", fragte Klopp vor der Saison, in die er mit Verstärkungen für mehr als 100 Millionen Euro startet, unter ihnen der derzeit handverletzte Torwart Loris Karius (Mainz 05). "Ich sage: Los, öffnet Euren Geist und versucht, alles zu erreichen. Wir kämpfen um alles. Wir haben in allen Wettbewerben unsere Chancen."

Liga der großen Trainer

Einfach wird das nicht in dieser Liga, in der sich mit Ausnahme von Massimiliano Allegri (Juventus), Luis Enrique (Barcelona), Carlo Ancelotti (FC Bayern) und Thomas Tuchel (Borussia Dortmund) die aufregendsten Trainer der Welt tummeln. José Mourinho etwa, der mit Manchester United mit 3:1 beim FC Bournemouth siegte (es traf unter anderen Low-Cost-Einkauf und High-Cost-Verdiener Zlatan Ibrahimovic), oder Pep Guardiola, der bei seinem Premier-League-Debüt mit Manchester City am Samstag einen 2:1-Sieg gegen den FC Sunderland eingefahren hatte.

Claudio Ranieri von Meister Leicester verlor überraschend bei Aufsteiger Hull City mit 2:1. Und dann ist ja auch noch Arsène Wenger da, dem Klopp den bei Arsenal zwar traditionellen, aber gleichwohl unangenehmen Fehlstart in die Saison bereitete. Zu Beginn seines 21. Amtsjahrs wurde Wenger von den Arsenal-Fans ausgebuht.

Er hatte ohne sieben mögliche Stammspieler antreten müssen, es fehlten unter anderem der knieverletzte Innenverteidiger Per Mertesacker und Mesut Özil (Trainingsrückstand). Angesichts der Ausfälle waren die Arsenal-Fans umso grantiger. "Spend the f---ing money!", riefen sie Wenger zu. Milde übersetzt: "Gib endlich das verdammte Geld aus!"

Dabei war Arsenal, wie Klopp konzedierte, "in der ersten Halbzeit besser" gewesen. Sein eigenes Team habe zwar erkennen lassen, was man zuvor taktisch besprochen hatte. Aber es war von der Vollendung der Vorgaben weit entfernt, "wir waren nicht kompakt genug", sagte Klopp. Arsenals Stürmer Theo Walcott vergab einen durch Linksverteidiger Álvaro Moreno töricht verursachten Elfmeter (29.), Walcott rehabilitierte sich aber zwei Minuten später durch den Führungstreffer.

4:3 - kein beliebtes Ergebnis

Für den zwischenzeitlichen Ausgleich sorgte Coutinho. Liverpools grandios auftrumpfender Spielmacher zirkelte in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit einen Freistoß aus 30 Metern wundervoll in den linken Winkel. Nach der Pause kam Liverpool (ab der 70. Minute mit dem deutschen Nationalspieler Emre Can) nicht bloß besser ins Spiel, Klopps Elf zelebrierte grandiose Spielzüge, die durch Adam Lallana (49.) sowie neuerlich Coutinho (56.) zu Toren führten, ehe Mané den später zusammengeschnurrten Drei-Tore-Vorsprung herstellte.

"Es ist ein spektakuläres Resultat, aber ein 4:3 ist kein Ergebnis, dass du oft sehen willst", sagte Klopp, denn: "Vier Tore zu schießen ist wundervoll. Aber drei zu bekommen, ist das Gegenteil davon." Was der Sieg nun bedeute für das Titelrennen, wurde Klopp gefragt, und er lachte: "Ehrlich gesagt: Ich habe keine Ahnung." Doch so gut der Auftakt für sein Team war, er versicherte, dass Luft nach oben ist. "Wir sind weit davon entfernt, unsere ganze Qualität zu zeigen."

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