Premier League:Im Klubumfeld werden Rufe nach einem Trainer wie Thomas Tuchel laut

Trotz des schleichenden Abwärtstrends haben sich Arsenals Klubbosse um Mehrheitseigentümer Stan Kroenke im vorigen Sommer entschieden, den Vertrag des dienstältesten Trainers im europäischen Spitzenfußball um zwei Jahre zu verlängern. Mit der Bedingung an Wenger, zu einem "Katalysator des Wandels" zu werden. Der Kompromiss kam auch zustande, weil sich aus Rücksicht auf seine Verdienste keiner fand, der ihn aus dem Verein treiben wollte - und wahrscheinlich haben sie bei Arsenal in den letzten 20 Jahren auch vergessen, wie man überhaupt einen Trainer sucht.

Vor allem Kroenke gilt als hemmungsloser und eher kritikloser Unterstützer des Ewigkeitstrainers, der sich am Ende wohl nur selbst entlassen kann. Dabei ist Wenger, den sie auf der Insel wegen seines Intellekts "Le Professeur" nennen, mit den Jahren die Genauigkeit in seiner Arbeit verloren gegangen. Der Verlust dieser Akribie drückte sich zuletzt in ziellosen Auseinandersetzungen mit Schiedsrichtern und Funktionären aus, von denen sich Wenger benachteiligt fühlt.

In Arsenals Führungsriege versucht nun vor allem der Geschäftsführer Ivan Gazidis, auch auf massives Drängen der Fans, die Führungsstruktur im Verein zu optimieren - um einen Absturz von der Art zu vermeiden, wie ihn Manchester United nach dem Rücktritt Alex Fergusons erlitt. Aus diesem Grund muss die Neuausrichtung der Deutungshoheit bei Arsenal - weg vom Alleinherrscher Wenger hin zum Prinzip der Aufgabenteilung - nun vollzogen werden, während Wenger noch im Amt ist. Mit der Einschränkung, dass Wenger diesen Plan, statt ihn zu beschleunigen, erst mal bremst. Die Verpflichtung des früheren Dortmunder Talentsichters Sven Mislintat konterkarierte er gleich mal, indem er dessen Expertise kleinredete. "Wir kannten schon jeden Spieler in Europa, bevor Sven zu uns kam", sagte er.

Nachdem am Donnerstag mit Barcelonas früherem Kaderplaner Raul Sanllehi der nächste Zugang von Format in Arsenals Organigramm aufgenommen wurde, liegt der Verdacht nahe, dass sich im Klub demnächst ein Kompetenzgerangel anbahnt, von dem eigentlich nur die Ligarivalen des FC Arsenal profitieren. Im Klubumfeld werden deshalb Rufe nach einem Trainer wie Thomas Tuchel laut, dem zugetraut wird, den von Wenger einst implementierten one-touch football mit angemessen moderner Variabilität fortführen zu können - zumal zwei von Tuchels Lieblingsspielern aus gemeinsamen Dortmunder Zeiten, Pierre-Emerick Aubameyang und Henrikh Mkhitaryan, seit ein paar Tagen bei Arsenal auf dem Hof stehen.

Weil sich Wenger aber partout nicht zu seiner Zukunft äußert, vertreibt er wohl so manchen natürlichen Kandidaten auf seine Nachfolge. So halten sie bei Arsenal zwar durchaus noch Kontakt mit Thomas Tuchel, aber der auf dem Markt sehr nachgefragte Deutsche wird kaum abwarten wollen, bis sich Wenger irgendwann im Sommer mal erklärt. Arsenal erwartet also womöglich eine weitere Saison mit dem Professor - oder soll man sagen: droht?

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