Michael van Gerwen im Darts:Endlich wieder unerbittlich

Premier League Darts 2022: Michael van Gerwen beim Sieg in Berlin

Wieder da: Michael van Gerwen gewinnt in Berlin die Premier League.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Nach seinem Absturz zum Durchschnittswerfer berappelt sich Michael van Gerwen - und gewinnt in Berlin das Finale der wichtigen Premier League. Gleich im Anschluss legt er sich auf den OP-Tisch.

Von Benjamin Zügner

Die letzten Darts des Abends warf Michael van Gerwen nicht mehr auf die Dartscheibe, sondern auf den Boden. Als sein Pfeil zum Gewinn der im Dartssport so wichtigen Premier League das acht Millimeter breite Doppelfeld gefunden hatte, schmiss er seine Arbeitswerkzeuge regelrecht auf die Berliner Bühne - und ihm schossen schlagartig Tränen in die blaugrauen Augen. Tränen der Freude, der Erleichterung.

Mit weit aufgerissenem Mund schrie der Niederländer in der Mercedes-Benz-Arena alles heraus, was sich in den vergangenen zwei Jahren angestaut hatte, nach langem Hadern, Zaudern und Suchen nach der verloren gegangenen Form. "I'm over the moon", ließ er noch auf der Bühne verlauten, er war also extrem froh über dieses Ergebnis. "Dieser Titel bedeutet mir viel, ich bin ein glücklicher Mann", sagte van Gerwen sichtlich gerührt.

Auch mit der Atmosphäre in Berlin und den anwesenden Fans war er hochzufrieden. "Keiner ist vorzeitig gegangen, jeder ist geblieben. Das ist atemberaubend. Das Publikum war sensationell, Deutschland ist bereit für Finalspiele", sagte der Sieger, er kam gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus.

Michael van Gerwen im Darts: Die Darts-Fans in Berlin erwiesen sich finalwürdig: Erstmals fand das Premier-League-Finale außerhalb des Vereinigten Königreiches statt.

Die Darts-Fans in Berlin erwiesen sich finalwürdig: Erstmals fand das Premier-League-Finale außerhalb des Vereinigten Königreiches statt.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Für van Gerwen endete an diesem Abend ein längerer Leidensweg, denn der 33-Jährige aus Boxtel, einer Gemeinde im niederländischen Süden, war ja bis vor Kurzem noch die größte Nummer seiner Sportart gewesen. Weltranglisten-Erster war er über sieben Jahre hinweg, dreimaliger Weltmeister zudem - doch dann kam der Knick. Er verlor plötzlich ungewöhnlich häufig und rutschte in der Weltrangliste auf Rang fünf ab, ein No-Go im Selbstverständnis des Niederländers.

Van Gerwens letzter Pfeil landet mitten im Herz von Finalgegner Cullen

Der Hauptgrund: 2020 hatte van Gerwen den Hersteller seiner Pfeilchen gewechselt, die Form veränderte sich, aus 23 Gramm wurden 21,5 Gramm. Was Laien wie eine fast lächerlich kleine Marge vorkommen mag, ist im Dartssport ein erheblicher Unterschied, zumindest auf Weltklasseniveau. So wurde aus dem lange unangefochtenen Dominator plötzlich ein Durchschnittswerfer. Also wurde recycelt und getüftelt, bis zu seiner alten Form jetzt kaum mehr ein Unterschied festzustellen ist. Nach einem enttäuschenden Jahr 2021, ohne Major-Titel, gewann er im aktuellen Kalenderjahr schon auf der European Tour, auch auf der Pro Tour, die ohne Zuschauer gespielt wird.

Und in Berlin, vor dem größten Publikum des Jahres? Da wartete im Finale Joe Cullen, der Engländer, der im Halbfinale gegen den Topfavoriten Jonny "The Ferret" (das Frettchen) Clayton mal soeben den Rekord der meisten 180er in einem Premier-League-Match egalisiert hatte. Für Cullen war der Finaleinzug eine große Sache, noch bevor dort die ersten Pfeile geworfen wurden, stand ihm das Strahlen im Gesicht. Er genoss die Atmosphäre in der deutschen Hauptstadt, zum ersten Mal wurden die Playoffs außerhalb des Vereinigten Königreiches ausgetragen.

Cullen ging als Außenseiter ins Finale, ließ sich jedoch nie abhängen, plötzlich stand es 7:7, später 10:10. Ein Leg, 501 Punkte also entschieden nun über den Sieg der Premier League und rund 320 000 Euro Preisgeld - und van Gerwen wankte. Cullen hatte noch einen Pfeil in der Hand, es war seine Chance, sich direkt in seiner Premier-League-Debütsaison zum Champion zu krönen. Doch er vergab. Anders van Gerwen: Sein Pfeil landete, unerbittlich wie in alten Zeiten, im Feld der Doppel-14 - und mitten im Herz von Joe Cullen, der sein Gesicht in den Handflächen vergrub. Van Gerwen hingegen ist nun sechsmaliger Premier-League-Sieger, den Rekord des Größten dieser Sportart, Phil Taylor, hat er eingestellt.

Weit nach Mitternacht war dann Ruhe, nach langen Medienterminen und dem üblichen Freudentaumel. Und das war auch gut so, immerhin stand noch ein wichtiger Termin für Michael van Gerwen an. Der Kalender sah am Dienstag eine Operation vor, Karpaltunnelsyndrom, ein Routine-Eingriff an der Wurfhand. Denn van Gerwen spürte dort in den vergangenen Monaten öfter ein Kribbeln, zwischenzeitlich ein Taubheitsgefühl. Als Ausrede ließ er das aber nie gelten.

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