Premier League:Manchester United kommt am Tiefpunkt an

Premier League: Cristiano Ronaldo überwindet Arsenal-Keeper Aaron Ramsdale. Aber es ist mal wieder nur der Anschlusstreffer für Manchester United.

Cristiano Ronaldo überwindet Arsenal-Keeper Aaron Ramsdale. Aber es ist mal wieder nur der Anschlusstreffer für Manchester United.

(Foto: Glyn Kirk/AFP)

Der englische Rekordmeister verliert 1:3 gegen Arsenal - und muss nun fürchten, ohne Qualifikation für die Champions League zunehmend abgehängt zu werden.

Von Sven Haist, London

Kurz aber schmerzvoll beendete Granit Xhaka jede realistische Hoffnung von Manchester United, die vermaledeite Saison doch noch auf dem vierten Platz der Premier League, dem Champions-League-Qualifikationsplatz, zu beenden. Aus etwa 20 Metern Entfernung erzielte der Schweizer Nationalspieler in der 70. Spielminute mit einem Hammerschuss in den Torwinkel den dritten Treffer für den FC Arsenal. Es war der "Hammer Blow" für United, die massive Enttäuschung, von der sich das Team um Trainer Ralf Rangnick in der Schlussphase der Partie in London nicht mehr erholen konnte.

Xhakas erster Saisontreffer löste bei den Arsenal-Anhängern im Stadion hingegen einen Schrei der Erleichterung aus, nachdem Arsenal zu Monatsbe­ginn mit drei Niederlagen in Serie seine gute Ausgangslage zur erstmaligen Teilnahme an der Champions League seit 2016 vorübergehend eingebüßt hatte. Sowohl Arsenal-Trainer Mikel Arteta als auch alle Ersatzspieler hielt nach dem Tor nichts mehr auf ihren Plätzen, die meisten Beteiligten rannten unverzüglich zur Jubeltraube um Xhaka an die Eckfahne. Das sei "eine große Leistung" seines Teams gewesen, in einem Spiel, das "alles" beinhaltet habe, frohlockte Arteta. Dennoch werde das Rennen um die Königsklasse eine "Achterbahnfahrt" bleiben.

Durch das hart erkämpfte 3:1 (2:1) gegen Manchester United - das speziell in der zweiten Halbzeit hochkarätige Chancen ausließ und sogar einen Elfmeter durch Bruno Fernandes an den Pfosten setzte (57. Minute) - gewann Arsenal den ersten von mutmaßlich zwei Showdowns um eine Rückkehr in die Königsklasse. Zumindest Rekordmeister United scheint nun entscheidend abgehängt zu sein.

Vier Spieltage vor Saisonende liegen die Gunners sechs Punkte vor Manchester und haben auch noch ein Nachholspiel in der Hinterhand. Aus dem Dreikampf um die Rückkehr in die Champions League ist daher ein Zweikampf geworden zwischen den Londoner Erzrivalen Arsenal und Tottenham Hotspur, das am Samstagabend nur 0:0 beim FC Brentford spielte und daher nun zwei Punkte Rückstand auf die Gunners hat.

Premier League: Viel Erklären für wenig Ertrag: Ralf Rangnick mit Jadon Sancho.

Viel Erklären für wenig Ertrag: Ralf Rangnick mit Jadon Sancho.

(Foto: David Klein/Reuters)

United hingegen kassierte erstmals seit 51 Jahren vier Liga-Auswärtspleiten in Serie. Schon vor dem Spiel sei der vierte Platz für Manchester "unwahrscheinlich" gewesen, resümierte Rangnick, aber nach dieser "enttäuschenden Niederlage trotz verbesserter Leistung" sei das Ziel nun "endgültig" weg.

Schon länger vorbei sind die goldenen Jahre beider Vereine, als es zwischen Arsenal und United regelmäßig um die Meisterschaft ging. Der Brisanz der Partie tat das jedoch keinen Abbruch, weil beide Klubs ohne die Champions-League-Gelder befürchten, national und international zunehmend abgehängt zu werden. Nach wie vor leiden die einstigen Titelrivalen unter den Nachwirkungen der Amtsperioden ihrer Ewigkeitstrainer Arsène Wenger (22 Jahre Arsenal) und Alex Ferguson (27 Jahre United), deren Abschiede jeweils einen schmerzhaften Prozess der Neustrukturierung auslösten.

Infolge des Wenger-Rückzugs im Sommer 2018 versuchte Arsenal, sich die Rückkehr in die Riege der Spitzengruppe quasi zu erkaufen, indem der Verein seither auf dem Transfermarkt einen Verlust von etwa 400 Millionen Euro generierte. Erst als die Gunners auf diese Weise noch weiter abrutschten (und das Geld wohl knapp wurde), fing der Klub zu Pandemie-Beginn an, vermehrt in hauseigene Talente zu investieren und sich gezielt mit aufstrebenden Profis anderer Klubs zu verstärken.

Nach einer Bombendrohung nimmt Rangnick seinen Kapitän Harry Maguire aus der Startelf

Diese Einsicht - dass es heutzutage im Spitzenfußball nicht mehr ausreicht, sich bloß teuer mit vermeintlichen Elitespielern einzudecken -, erreicht jetzt anscheinend auch Manchester United. Neun Jahre nach Fergusons Rücktritt, in denen der Klub rund eine Milliarde Euro mehr in neue Spieler steckte als er durch Abgänge einnahm, muss sich das stolze United eingestehen, auf einem vorläufigen Tiefpunkt angelangt zu sein. Nie zuvor in der Premier League hatte der Klub nach 34 Spieltagen weniger Punkte als jetzt (54).

Der verstörende Unmut der Fans gipfelte in dieser Woche in einer Bombendrohung für Kapitän Harry Maguire, den Rangnick zu dessen Schutz gegen Arsenal aus der Startelf nahm. Die verfahrene Lage des Vereins, die Rangnick mit einer "Operation am offenen Herzen" verglich, schlug in einen verzweifelten Auftritt in London um, in dem United zwar mit Courage, aber letztlich zu hektisch und ohne Fortüne probierte, einen frühen Rückstand zu drehen.

Premier League: Nach seinem Tor deutete Cristiano Ronaldo mit dem Zeigefinger in den Himmel.

Nach seinem Tor deutete Cristiano Ronaldo mit dem Zeigefinger in den Himmel.

(Foto: David Klein/Reuters)

Der frühe Gegentreffer - schon in der dritten Minute - durch Nuno Tavares spiegelte in etwa den Zustand der Konfusion wider, als gleich zwei United-Verteidiger hintereinander über den Ball schlugen. Passend dazu verursachte Alex Telles auch noch einen tollpatschigen Elfmeter, den Bukayo Saka zum 2:0 verwerte (33.). Trotz des widrigen Spielverlaufs ließ sich United - konträr zum 0:4 beim FC Liverpool am Dienstag - nicht hängen. Aus dem Spiel heraus war Rechtsverteidiger Diogo Dalot zwei Mal dem Ausgleich am nächsten, als er einmal an der Latte (24.) und einmal am Pfosten scheiterte (63.).

Doch, wie so oft in der Saison, traf nur Cristiano Ronaldo für United ins Netz, zum zwischenzeitlichen 1:2 (34.). Nach dem Tor deutete Ronaldo mit dem Zeigefinger in den Himmel - im Gedenken an seinen Anfang der Woche bei der Geburt verstorbenen Zwillingssohn. Es war Ronaldos 100. Premier-League-Treffer für den Klub, was bisher nur Ryan Giggs, Paul Scholes und Wayne Rooney bewerkstelligt hatten.

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