Premier League:Conte zähmt den FC Chelsea

Chelsea manager Antonio Conte celebrates after the game with Cesar Azpilicueta

Erfolgreich bei Chelsea: Trainer Antonio Conte (rechts), hier mit Cesar Azpilicueta.

(Foto: REUTERS)

Unter Trainer Antonio Conte blüht der FC Chelsea auf - auch weil der Italiener einiges anders macht als der unberechenbare José Mourinho.

Von Sven Haist, London

Weil er wusste, dass ihn eine Verwarnung für das nächste Spiel sperren würde, dachte Diego Costa kürzlich beim 3:0 gegen Leicester City nur noch an sich selbst. Er forderte seinen Trainer auf, ihn auszuwechseln, aber Antonio Conte schickte eine noch stärkere Botschaft zurück: "Diego ist ein Profi mit großer Persönlichkeit. Wir benötigen seine Leidenschaft in jedem Moment der Partie." Damit wies der Trainer des FC Chelsea dem Stürmer Costa, 28, etwas zu, das dem in seiner Karriere bislang eher verwehrt war: Verantwortung.

Dieser neue Status, der Costa nicht mehr ausschließlich auf seine Tore reduziert (derzeit zwölf Saisontreffer), hat geholfen, das feurige Temperament des Spaniers zu kanalisieren. Costas letzte kleine Gemeinheit passierte im September beim 0:3 gegen Arsenal, 80 Tage und zehn Pflichtspiele ist das her. Länger war sein Betragen lediglich mal in der Saison 2010/11 tadellos, damals blieb Costa in 17 Partien nacheinander ohne gelbe Karte.

Die Züchtigung des Provokateurs war der zweite Coup von Conte, 47, beim neuen Arbeitgeber FC Chelsea. Sein erster guter Einfall geht auf die erwähnte Schmach im Londoner Stadtduell zurück, als der italienische Taktikguru mit der Auswechslung von Cesc Fàbregas in der 55. Minute sein System kippte, um den sportlichen Schaden zu begrenzen. Aus diesem Akt der Verzweiflung entstand eine 3-4-3-Formation, wie sie Conte zuvor schon für die italienische Nationalmannschaft angewendet hatte. Die Premier League hielt dieses Spielsystem anfangs für einen Zahlendreher.

Chelsea aber nutzte den Überraschungseffekt, um in der Tabelle von Platz acht auf Platz eins zu stürmen - mit neun Siegen in Serie. Selbst die anerkannten Trainergrößen Pep Guardiola (Manchester City), José Mourinho (Manchester United) und Mauricio Pochettino (Tottenham Hotspur) fanden kein Gegenmittel. Ronald Koeman probierte es mit Everton gegen Chelsea in derselben Systematik - und verlor 0:5.

Bei diesem Zwischensprint kann derzeit nur Arsenal mitrennen. Der FC Liverpool dagegen liegt schon sechs Punkte zurück: "Es ist schwierig dranzubleiben, wenn Chelsea alles gewinnt", sagt Trainer Jürgen Klopp. Am Mittwochabend gastieren die Blues aus London nun beim Tabellenletzten Sunderland. Danach folgen weitere lösbare Aufgaben: Crystal Palace, Bournemouth und Stoke.

Mourinhos ermüdende Taktik ist Geschichte

Damit ist sogar ein Liga-Rekord erreichbar: Die Invincibles des FC Arsenal schafften, als sie 2001/02 ungeschlagen Meister wurden, 13 Siege ohne Unterbrechung und packten einen 14. in der ersten Partie der darauf folgenden Saison hinzu. Zur Einstellung dieser Bestmarke könnte es am 4. Januar kommen, wenn Chelsea im Derby bei Tottenham antritt.

Der dichte Weihnachtskalender (sechs Spiele in 24 Tagen) sollte den kraftvollen Conte-Stil nicht stoppen - obwohl der Kader schmal besetzt ist und die Startelf nur selten wechselt. Chelsea pausiert allerdings in den europäischen Wettbewerben (nach Platz zehn in der Vorsaison), auch den Ballast des Ligapokals haben die Blues bereits im Achtelfinale abgeworfen.

In Taktikseminaren vermittelt Conte seine Idee von nur noch einem klassischen Außenbahnspieler. Die starre, ermüdende Anordnung mit einer Viererkette und zwei defensiven Mittelfeldakteuren, die Mourinho dem Team einst aufgetragen hatte, ist Geschichte. Für die früheren Seitenangreifer Eden Hazard (der unter Mourinho nur noch reduzierte Bereitschaft zeigte) und Pedro bedeutet das mehr Positionsfreiheit, häufig ziehen sie ins Zentrum, um Costa mit Zuspielen zu beliefern.

Conte kombiniert sein Wissen mit der Kunst des Zuhörens. So hat er den Klub vorerst auf hohem Niveau beruhigt nach der Demission von Mourinho, der Chelsea mit seiner Unberechenbarkeit in zwei Amtszeiten gleichermaßen prägte und plagte. Auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger verbrauchte Eigentümer Roman Abramowitsch seit 2003 sieben Trainer, Conte ist jetzt Versuch Nummer acht.

Wie die neue Zusammenarbeit an der Stamford Bridge aussieht, zeigte sich beim Siegtreffer am Sonntag: Costa forderte beim Stand von 0:0 gegen West Bromwich nicht seine Auswechslung - sondern die Einwechslung seines Landsmanns Fàbregas. Conte setzte den Hinweis um, und Costa erzielte das Siegtor. Nach Vorarbeit von Fàbregas.

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