Süddeutsche Zeitung

Premier League:Codename "Zebra"

Lesezeit: 3 min

Ein Konsortium aus Saudi-Arabien will bei Newcastle United einsteigen - die Liga prüft den Deal.

Von Sven Haist, London

Faustino Asprilla, früher Publikumsliebling bei Newcastle United, hat diese Woche unter Beweis gestellt, dass er sein Gespür für die Fans nicht verloren hat. Der extravagante Stürmer aus Kolumbien, dem 1997 für Newcastle drei unvergessliche Tore gegen den FC Barcelona in der Champions League gelungen waren, sprach den Menschen im rauen Norden Englands aus der Seele: Newcastle sei ein Klub für Liebhaber, nicht für Kaufleute, twitterte Asprilla. Seine Kurzmitteilung richtete sich an das Geschäftsgebaren des Klubbesitzers Mike Ashley.

Vor 13 Jahren hatte sich der britische Milliardär den beliebten Verein für 134 Millionen Pfund geschnappt und weitere 110 Millionen als Darlehen ausgestellt. Neben seinem Sportartikel-Imperium Sports Direct gehören Ashley diverse Unternehmen aus dem Einzelhandel. Aufgrund mangelnder Investitionen in das Profiteam wird ihm in Newcastle aber vorgeworfen, den tief in der Gesellschaft verwurzelten Klub als billige Werbeplattform auszunutzen.

Gegen Klubbesitzer Ashley gehen viele Fans auf die Barrikaden

Zweimal stieg United unter seiner Ägide in die zweitklassige Championship ab, derzeit liegt der viermalige englische Meister im Mittelfeld der bis auf Weiteres unterbrochenen Premier League. In den Augen der stolzen Anhängerschaft stellt der Verein mit den schwarz-weiß gestreiften Trikots - einst getragen von Idolen wie Alan Shearer, Kevin Keegan und Paul Gascoigne - für Ashley nur einen Barcode dar, der beim Verkauf richtig Geld einbringen würde.

Trotz aller Proteste der Fans, die mal lautstark, mal schweigend im Stadion auf die Barrikaden gingen, um Ashley aus dem Klub zu drängen, ließ er sich nicht von seinem Sparkurs abbringen. Zwar wollte Ashley über die Jahre mehrmals den Verein loswerden, aber seine Versuche scheiterten in endlosen Verhandlungen mit den Interessenten. Stets schien es für ihn nur darum zu gehen, möglichst viel Geld aus seinem Investment heraus zu holen. Im Winter 2018 kanzelte Ashley, 55, Gespräche über ein 250-Millionen-Pfund-Angebot mit der unnachgiebigen Strippenzieherin Amanda Staveley, 47 (frühere Geliebte von Prinz Andrew), als Zeitverschwendung ab.

Doch Staveley, die 2008 in der Finanzkrise mit ihren Kontakten zu reichen Investoren aus dem Nahen Osten das Bankhaus Barclays stützte und die Übernahme von Manchester City durch die dem Scheich Mansour gehörende Abu Dhabi Group regelte, ließ nicht locker. Sie legte im vorigen Mai ein neues, lukrativeres Angebot vor - unterstützt vom milliardenschweren saudi-arabischen Staatsfonds, der sich, neben Anteilen an europäischen Ölunternehmen (Royal Dutch Shell, Total, Equinor, Eni), kürzlich auch in den strauchelnden Kreuzfahrt-Anbieter Carnival einkaufte.

Nach monatelangen Abwägungen, erschwert durch ein ergebnisoffenes Verfahren gegen Newcastle wegen Verdachts des systematischen Steuerbetrugs, ist das Geschäft nun wohl tatsächlich in den finalen Zügen - weil Ashley zum einen mit dem vereinbarten Erlös aus seiner Zeit in Newcastle einen Gewinn verbuchen könnte; und weil wegen der Corona-Krise künftig kaum mehr herauszuholen sein dürfte.

Die Abfindung zwischen Ashley und dem Investorenkonsortium soll sich auf 310 Millionen Pfund belaufen. Der saudische Public Investment Fonds (PIF), gesteuert von Kronprinz Mohammed bin Salman, würde für 80 Prozent der Anteile aufkommen. Die Staveley gehörende Finanzberatungsfirma PCP Capital Partners würde sich den Rest mit dem Brüderpaar Reuben aus einer der vermögendsten Familien in England teilen.

Der Einstieg des Golfstaats bei Newcastle dürfte der Versuch sein, über den Weltsport Fußball Aufmerksamkeit und Ansehen in der Bevölkerung zu steigern. Bislang hat sich Saudi-Arabien in einem als "Vision 2030" deklarierten Plan internationale Events im Boxen, Tennis und Wrestling gesichert, dazu die Austragung des spanischen Fußball-Supercups. Weil englische Topvereine in Händen riesiger Privatfirmen sind, die keine Verkaufsbereitschaft andeuten, bietet Newcastle den neuen Eigentümern mit ruhmreicher Historie und treuer Fanbasis immerhin die Möglichkeit, durch üppige Geldgaben einen neuen spannenden Mitstreiter in die Spitzengruppe des englischen Fußballs zu hieven.

Als Beleg für den geplanten Takeover, der in Anlehnung an die United-Trikots unter dem Codenamen "Zebra" läuft, gelten beim britischen Handelsregister bereits eingereichte, am Dienstag öffentlich gewordene Unterlagen - und eine Information an die Premier League über den bevorstehenden Eigentümerwechsel. Sofern die Parteien ihre Vereinbarung nicht widerrufen, obliegt es der Liga als letzter Instanz, den Machtwechsel durchzuwinken - nach Durchführung eines Eigentümer- und Direktorentests. Der dient einer detaillierten Bewertung der Finanzen und des Geschäftsplans der künftigen Besitzer. Dazu gehören auch persönliche Gespräche. Ihre Regularien hat die Premier League 2017 extra verschärft, um Besitzer ausschließen zu können, die im Ausland Taten begangen haben, die in Großbritannien als Straftat angesehen würden.

Eine Ablehnung könnte politische Spannungen nach sich ziehen

Daher gibt es Zweifel, ob die saudische Beteiligung den Deal vielleicht zum Einsturz bringen könnte, nachdem das Wüstenreich vor anderthalb Jahren den Mord des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi in Auftrag gab. Aktivisten wie Amnesty International meldeten sich umgehend zu Wort. Sie brandmarken die mögliche Übernahme der Saudis als "Sportwashing", um die armselige Menschenrechtsbilanz im eigenen Land zu kaschieren. Allerdings dürfte eine Ablehnung des Eigentümerwechsels bei United politische und diplomatische Spannungen zwischen den Nationen nach sich ziehen. Die Saudis gelten als großer Exportmarkt für Großbritannien mit gewachsenen Verbindungen.

Eine Entscheidung der Premier League wird in den nächsten Wochen erwartet. Doch egal, zu welchem Urteil sie kommt: Die Hoffnung der Fans auf einen Eigentümer, dem der Verein wirklich am Herzen liegt, dürfte sich kaum erfüllen. Schräg ist auch, dass die Operation "Projekt Zebra" getauft worden ist - dabei hört United noch immer vorrangig auf den Rufnamen "Magpies": die Elstern.

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Quelle:
SZ vom 17.04.2020
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