Premier League:Boris Johnsons Kalkül mit dem englischen Fußball

Premier League: Sing, wenn du Stimmen brauchst: Premier Boris Johnson mit seiner Frau Carrie während des EM-Halbfinals 2021 zwischen England und Dänemark als oberster Fan der Nationalmannschaft.

Sing, wenn du Stimmen brauchst: Premier Boris Johnson mit seiner Frau Carrie während des EM-Halbfinals 2021 zwischen England und Dänemark als oberster Fan der Nationalmannschaft.

(Foto: Mark Pain/PA Images/Imago)

Die britische Regierung will die Eigentümer der Premier-League-Klubs schärfer kontrollieren. Das soll vordergründig den Fans dienen - vor allem aber auch Premier Johnson nützen.

Kommentar von Sven Haist

Als dem Populismus durchaus zugewandter Premierminister des Vereinigten Königreichs gibt Boris Johnson an, dass der Fan "im Mittelpunkt" stehe bei der von ihm veranlassten Inspektion des Inselfußballs. Auf Basis des im November veröffentlichten Zustandsberichts ("Fan-led Review") segnete die britische Regierung um ihren Premier Johnson am Montag die darin enthaltenen, teilweise bahnbrechenden Empfehlungen ab. Dazu gehört eine Verschärfung des bisher laschen Eigentümer- und Direktorentests der Premier League sowie die ge­setzlich verankerte Einführung einer vom Fußballbetrieb abgekoppelten Aufsichtsbehörde. Dieses Kontrollgremium soll den Klubs gegenüber sogar weisungs- und sanktionsberechtigt sein.

Den begrüßenswerten Schritt zur Eindämmung der neo-kapitalistischen Auswüchse des Profifuß­bal­ls sehnt Johnson allerdings mindestens so sehr herbei wie das Fußballpublikum. Denn mit dieser beispiel­losen Einmischung des Staats möchte der Populist Johnson sicherstellen, dass sich ein Jahr nach der versuchten Gründung einer Euro­pean Super League (mit sechs englischen Vereinen als Gründungsmitgliedern) ein so­l­cher Streich nicht wiederholt. Eine Superliga würde nämlich die Existenz der Premier League weitaus mehr gefährden als die Existenz des Fußballs. Und eine Verzwergung des englischen Exportschlagers käme Jo­hnson vermutlich teuer zu stehen - sie würde ihn Wählerstimmen kosten.

Gesucht werden: Eigentümer, die sich aus der Vereinspolitik heraushalten und kein Geld verdienen wollen, sondern nur geben

Dieses Kalkül treibt Johnson nun wohl auf ein unbespieltes Feld, indem er offensichtlich weniger weiß, was er will, als was er nicht will. Nach den frischen Querelen um den FC Chelsea, dessen Oligarchen-Eigentümer Roman Abramowitsch wegen seiner Verbindungen zu Russlands Präsi­dent Wladimir Putin aus dem Land gejagt wurde, möchte die britische Regierung künftig keine Vereinsbesitzer mehr haben, die über Bekanntschaften zu unerwünschten Personen verfügen. Nicht mehr willkommen sind von jetzt an offenbar auch Klubeigner wie der saudische Staatsfonds bei Newcastle United, die in Zusammenhang mit sogenanntem Sportswashing gebracht werden.

Für all jene Megareichen, die ihr Vermögen auf ganz legale Weise verdient und versteuert haben, gilt wiederum, dass ihr Kapital für Elitespieler und -trainer sowie neue Stadien gern genommen wird - aber nur, solange die horrenden Geldsummen nicht die Ausgeglichenheit der Liga gefährden. Zudem müssten sich die Klubinhaber dabei vollständig aus den Geschäftsbelangen ihrer Vereine heraushalten, die dort geltenden Traditionen ehren und insbesondere zusichern, bei ihren Investments nichts verdienen zu wollen. Nur: Wer entspricht diesem Anforderungsprofil?

Ein Eigentümer, der nur Geld gibt, aber nichts nimmt, müsste vermutlich erst mal erfunden werden. Schließlich möchte ja auch Boris Johnson für seinen ach so selbstlosen Feuerwehreinsatz im Fußball später mal eine Gegenleistung (Wählerstimmen!) erhalten. Deshalb könnte es gut sein, dass Johnson bei seiner Suche nach dem Super-Eigentümer zunächst nicht fündig wird - und dadurch vielleicht sogar bei den Fans landet, für die er ja laut eigener Aussage die Kampagne überhaupt erst ins Leben gerufen hat. Allerdings ist zu befürchten, dass die Anhängerschaft in England historisch bedingt - anders als in Deutschland - kein grundsätzliches Interesse an einer Mitbestimmung in ihren Klubs hat. Denn die Mehrheit der Premier-League-Fans möchte weiterhin vor allem eines: sportlichen Erfolg. Und zwar leider um jeden Preis.

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