FC Liverpool und Jürgen Klopp:"Wie kann es sein, dass Klopp noch keinen Hattrick erzielt hat?"

Tottenham v Liverpool

Jürgen Klopp: Zufrieden mit dem ersten Auftritt

(Foto: dpa)

Von Filippo Cataldo

Die Verwandlung vom Messias aus dem Schwarzwald zum German Beelzebub dauerte keine 90 Minuten. Das Spiel des FC Liverpool an der Londoner White Hart Lane gegen Tottenham Hotspur lief noch, als sich auf Twitter schon die üblichen Verdächtigen zu Wort meldeten. Unter dem Hashtag #KloppOut erklärten sie, wieso der "Normal One" (Selbstbeschreibung Jürgen Klopp) vielleicht doch etwas zu normal sei für die Premier League. "Wie kann es sein, dass Klopp noch keinen Hattrick erzielt hat?", fragte einer; "Jetzt sind schon 45 Minuten vergangen, und Liverpool hat noch immer nicht die Meisterschaft gewonnen", konstatierte ein anderer Scherzkeks.

Als das Spiel dann tatsächlich mit einem sehr irdischen 0:0 zu Ende gegangen war, potenzierten sich die ätzenden Tweets. Dieser Klopp sei absolut der falsche Trainer für den FC Liverpool, seine Siegquote liege schließlich bei genau null Prozent.

Der Hype der vergangenen Tage war auch ihm unangenehm

Man hätte gern die Reaktion Klopps auf diese Gags gesehen. Höchstwahrscheinlich hätte er gelacht, der Mann hat Humor. Außerdem war Klopp die grenzenlose Heldenverehrung der vergangenen Tage noch vor dem ersten Spiel ohnehin äußerst unangenehm gewesen. Weil ständig Fotos von ihm aus Kneipen und öffentlichen Plätzen in Liverpool mit Anhängern sofort in sozialen Netzwerken und Zeitungen gelandet waren, hatte er zuletzt sogar, total untypisch für ihn, Fotowünsche von Fans abgelehnt.

Leider kam niemand auf die Idee, ihm nach seinem Premier-League-Debüt diese Tweets vorzulesen. Stattdessen kamen die üblichen Fragen. Wie es denn gewesen sei für ihn, wie ihm das Spiel, seine Spieler, die Stimmung gefallen hätten. Sowas halt.

"Es ist zwar nicht mein Traumresultat, aber ich bin zufrieden", antwortete Klopp. In den ersten 20 Minuten habe er "viele gute Sachen" gesehen. Zudem verwies er auf mehrere Verletzungen, die das Team geschwächt hätten. "Was Verletzungen angeht, hatten wir eine schlimme Woche."

"Für den Moment bin ich zufrieden"

Die Atmosphäre sei "außergewöhnlich" gewesen, in den ersten Minuten habe er Probleme gehabt, seinen Spielern seine Kommandos zuzurufen, so laut sei es gewesen; "der Druck war enorm groß. Für den Moment bin ich zufrieden. Das war ein guter erster Schritt".

Was man halt so antwortet als Trainer nach einem Debüt, das einfach nicht so spektakulär geraten war wie allgemein erwartet.

Die Liverpooler zeigten zwar durchaus Ansätze des von Klopp präferierten Fußballs. Vor allem in den ersten 20 Minuten gelang das Pressing gut, obgleich es ein sehr britisches Pressing war, mit vielen Blutgrätschen in der Hälfte des Gegners. Vor lauter Arbeit gegen den Ball vergaßen Klopps neue Spieler aber oft das schnelle Umschalten und auch das Nachsetzen. "Wenn wir den Ball hatten, waren wir nicht cool genug. Wir haben einfach nicht die richtigen Möglichkeiten gesehen", sagte Klopp.

"Gegenpressing" gehört längst zu den englischen Fachtermini

Zu oft fehlte außerdem das, was der Trainer nachher in korrektem Englisch als "counterpressing" bezeichnete, zu dem er aber auch "gegenpressing" hätte sagen können; die Engländer haben Klopps taktischen Lieblingskniff in den letzten Tagen zu einem deutschen Lehnwort wie "kindergarten" und "zeitgeist" gemacht. Was es wirklich bedeutet, müssen die Spieler aber noch einüben. Da waren drei Trainingseinheiten unter Klopp wohl wirklich noch nicht genug.

Dem Spiel der durch viele Verletzungen dezimierten Liverpooler fehlte so über weite Strecken das Tempo. Es war, um noch eines von Klopps Lieblingswörtern zu bedienen, allenfalls eine Vollgasveranstaltung mit klemmendem Gaspedal.

Noch liegt Liverpool zwei Punkte vor dem FC Chelsea

Liverpools Anhänger und das Gros der Kommentatoren, auch auf Twitter, waren dennoch recht angetan von Klopps Debüt in der Premier League, zumal auch seine sechs unmittelbaren Vorgänger auf der Bank der Reds ihr erstes Spiel nicht gewinnen konnten. Immer wieder waren im Stadion Tottenhams laute "Jurgen-Klopp"-Sprechchöre zu hören. Ein paar Fans hatten schwarzrotgoldene Fahnen dabei, auf denen "Jürgen Meister" und "Jurgen. Mein Freund. Mein Kumpel" stand. Unter den Zuschauern an der White Heart Lane war auch Boris Becker, eigentlich Dauerkarteninhaber beim FC Chelsea, das zwei Stunden später 2:0 gegen Aston Villa gewann und mit nun elf Punkten und Platz elf unmittelbar hinter Liverpool in der Tabelle liegt. Klopps Mannschaft hat zwei Punkte mehr als Chelsea.

Hätte Stürmer Divock Origi, der wegen der kurzfristigen Verletzung von Daniel Sturridge zum ersten Mal in dieser Saison in der Startelf stand, nach neun Minuten den Ball ins Tor und nicht an die Unterkante der Latte geköpft, wäre der Vorsprung der Reds vor Chelsea womöglich etwas größer. "Wir hatten unsere Augenblicke", sagte denn auch Klopp. Andererseits war Tottenham danach lange stärker gewesen als Liverpool, das nur in der Schlussphase wieder zu einigen Chancen gekommen war. "Am Ende war es ein bisschen wild. Aber mir ist ein wildes Debüt lieber als ein langweiliges", sagte Klopp noch, "wir müssen uns jetzt weiter verbessern. Die Mannschaft will zeigen, dass sie den Kloppschen Weg gehen möchte."

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