Präsident verkauft Inter:Mailand verdrückt eine Träne

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Massimo Moratti im Mai 2010, als Inter letztmals den Titel in der Serie A gewann. (Foto: Alessandro Garofalo/Reuters)

Massimo Moratti, der letzte Grandseigneur im italienischen Fußball, wird nicht länger Präsident bei Inter Mailand sein. Er verkauft den Traditionsklub an einen steinreichen Unternehmer aus Indonesien. Inter wird nicht der erste italienische Verein mit ausländischen Besitzern sein.

Von Birgit Schönau, Mailand

Nein, man kann es sich wirklich nicht leisten, wehmütig zu sein, in diesen Zeiten. Hinter den alten, klangvollen italienischen Namen verbergen sich längst ausländische Besitzer - Gucci und Bulgari gehören den Franzosen, die Nusspralinen Baci Perugina den Schweizern, das Hotel Eden in Rom hat gerade der Sultan von Brunei erworben. "Der Dom von Mailand wird wahrscheinlich bald von Kanadiern gekauft und Nutella von den Pakistani", schwant dem Corriere della Sera, der großen, bürgerlichen Zeitung aus der norditalienischen Metropole. Und Inter von den Indonesiern. Da hilft kein Klagen. "Es ist die Globalisierung, bellezza", seufzt der Corriere, selbst noch in italienischer Hand. Schwierig genug.

Mailand verdrückt eine Träne, vielleicht auch zwei Tränen. Sicher, international ist der Lieblingsklub der Bürger und Bohemiens immer gewesen, nicht von ungefähr musste sich die Internazionale unter Mussolini in "Ambrosiana" umbenennen, weil das nicht so verdächtig nach linken Umstürzlern klang. Die Spieler kamen damals wie heute aus aller Welt, der Brasilianer Ronaldo wurde von Mailand adoptiert, ein gewisser Zlatan Ibrahimovic sicherte Inter quasi auf der Durch- reise einen Meistertitel, Samuel Eto'o zog weiter nach Dagestan, behielt aber seine riesige Dachwohnung gegenüber der Inter-Klubzentrale.

Dort hat der argentinische Kapitän Javier Zanetti, seit 17 Jahren an Bord, mit seinen 40 Jahren gerade den Vertrag verlängert. Ganz zu schweigen von Klinsmann, Matthäus, Brehme, Rummenigge. Alle waren sie Geschöpfe der großen Mamma Internazionale, alle wurden sie persönlich betreut von einem italienischen Präsidenten und dessen Familienclan - auf diese Art, wie man sie nur noch in Italien pflegt, wo der Boss halb Patriarch ist und halb Beichtvater, ein bisschen Besitzer und ein wenig Verehrer. Ein Mann, für den der Fußball von Kindesbeinen an ein Sonntagsritual ist wie Messe und Braten.

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Der italienische Torjäger denkt nicht ans Aufhören und verlängert seinen Vertrag beim AS Rom bis 2016. Sebastian Vettel fährt Bestzeit im Freien Training von Singapur. Benjamin Becker scheitert beim ATP-Turnier in Metz im Viertelfinale.

Vorbei, vorbei. Massimo Moratti, der populärste Präsident und letzte Grand- seigneur im italienischen Fußball, wird nicht länger die Nummer 1 bei Inter sein. Er verkauft den Klub, der einst seinem Vater Angelo gehörte, an einen Unternehmer aus Indonesien, der sein Sohn sein könnte. Aus dem banalsten Grund der Welt: weil der einst steinreiche Erdöl- magnat Moratti mit seinem Vermögen neben Erick Thohir wirkt wie ein Waisenknabe. Thohirs Astra-Konzern ist in Indonesien führend im Automobil-Handel, im Speditionsgeschäft, aber auch im Kohle- abbau und in der Palmöl-Produktion. Hinzu kommen Kreditgesellschaften und Informationstechnologie. Ein Wirtschaftsimperium mit 170 Firmen und 185 000 Mitarbeitern - fast zehnmal soviel wie Morattis Unternehmen Saras. Astras Jahres- umsatz beträgt zwölf Milliarden Euro.

Gemeinsam mit zwei gleichaltrigen Geschäftspartnern bietet der Mittvierziger Erick Thohir rund 300 Millionen Euro für 70 Prozent von Inter, innerhalb von zwei, drei Jahren könnte er den Klub für weitere 200 Millionen auch ganz übernehmen. Seit Monaten laufen die Verhandlungen, am Montag soll in Paris ein Vorvertrag unterzeichnet werden. Rund die Hälfte der Kaufsumme wird in die Schuldentilgung fließen, die andere Hälfte bekommt Moratti, der in den 17 Jahren seiner Regentschaft mehr als 1,2 Milliarden Euro in den Verein investiert hat. Viel, sehr viel Geld. Und vielleicht noch mehr, ja: Gefühl.

Die Branche hat sich manchmal lustig gemacht über den sentimentalen Moratti, der so manchen Spieler derart teuer einkaufte, dass ihn der päpstliche Osservatore Romano dafür rügte. In manchen Jahren zahlte Moratti drei Mannschaften, vier Trainer und ein paar Detektive, die das alles unter Kontrolle halten sollten. Den Lebemann Christian Vieri ließ er aus- spionieren - in einem Prozess fordert Vieri nun Schadensersatz; den fragilen Ronaldo soll Moratti in seinen Armen getröstet haben wie eines seiner fünf Kinder.

Mit dem mexikanischen Revolutionär Subcomandante Marcos unterhielt Moratti einen Briefwechsel, zu Hause stand er, wie es sich für einen italienischen Ehemann gehört, unter der Fuchtel seiner Frau. Die energische Milly machte für die Linke Wahlkampf gegen die nicht minder durchsetzungsstarke Schwägerin Letizia. Die Frau von Massimos großem Bruder regierte Mailand jahrelang mit der Rechtspartei des Lokalrivalen Silvio Berlusconi, beim Derby aber pfiff sie dessen AC Mailand aus.

Nun werden also alle diese Geschichten zum letzten Mal erzählt - es sei denn, Moratti macht noch einen Rückzieher. Aber wahrscheinlicher ist, dass auch Berlusconi sich bald von Milan trennen muss. All die Mädchen, die Parteigänger, die vielen Prozesse und Rechtsanwälte - irgendwann bleibt für den Fußball nichts mehr übrig. Nach Milan heißt es, strecken die Chinesen die Hände aus, die Kapitalisten aus dem letzten kommunistischen Großreich wollen das Luxusspielzeug des strammen Antikommunisten Berlusconi: Die Globalisierung, bellezza.

Inter ist nicht der erste italienische Klub mit ausländischen Besitzern, der AS Rom gehört seit zwei Jahren einer amerikanischen Investorengruppe. Präsident James Pallotta lässt sich zwei Mal im Jahr im Olympiastadion blicken. Ihm gehören neben der Roma noch andere Klubs in Amerika, Fußball ist nur ein Teil des Geschäfts. Bei Thohir läuft es ähnlich, ihm gehören in den USA Anteile am NBA-Team Philadelphia 76ers und am Fußballklub D.C. United, in Indonesien besitzt er zwei Basketball-Klubs. Der künftige Inter-Patron ist Präsident der Southeast Asia Basketball Association, zu der zehn Länder gehören.

"Er kommt aus einer guten Familie", hat Moratti über seinen Nachfolger gesagt, das sollte wohl die Fans beruhigen. Inter, hatte Moratti stets beteuert, sei für ihn wie eine Tochter. Und die ist jetzt alt genug, um das Haus zu verlassen.

© SZ vom 21.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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