Präsident des Behindertensportverbandes:"Es würden Welten zusammenbrechen"

DSB-Präsident Friedhelm Julius Beucher

Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindersportverbands (DBS).

(Foto: dpa)

Die Krim-Krise wirft ihren Schatten auf die Paralympischen Winterspiele in Sotschi. Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, spart im SZ-Interview nicht mit Kritik an den russischen Gastgebern und Putin. Und erklärt, warum er trotzdem gegen einen Boykott ist.

Von Thomas Hahn

Friedhelm Julius Beucher, 67, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), hat viel vor bei den Paralympics, die an diesem Freitag in Sotschi beginnen. Die Weltspiele des Behindertensports sind für ihn immer eine günstige Gelegenheit, Gespräche im Dienste des Behindertensports zu führen. Aber das soll nicht heißen, dass er dabei die weltpolitischen Umstände ausblendet, unter denen die Spiele in Russland stattfinden.

Mit dem Aufmarsch russischer Truppen auf der ukrainischen Halbinsel Krim hat Russlands Präsident Wladimir Putin die demokratischen Industriestaaten provoziert. Und natürlich wirft die Krim-Krise auch einen Schatten auf die Paralympics an den schillernden Sportstätten, welche die Putin-Regierung binnen sieben Jahren für viele Milliarden Dollar ans Schwarze Meer und in den Kaukasus geklotzt hat.

Beucher will das nicht nur einfach hinnehmen, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat er deshalb Philip Craven, den Präsidenten des Internationalen Paralympischen Komitees, dazu aufgefordert, Putin an seine Verantwortung zu erinnern. "Als verantwortlicher Ausrichter kann ich einem Staatschef sagen: Bitte leisten Sie einen Beitrag zum Frieden", sagt Beucher, "das mag Herr Putin als Majestätsbeleidigung empfinden. Aber ich erwarte schon, dass unmissverständlich auf die internationalen Sorgen aufmerksam gemacht wird. Gerade Paralympics-Athleten müssen in Friedensfragen das Wort ergreifen. Weil viele von ihnen Opfer von Kriegshandlungen sind, als zivile Opfer oder als Soldaten."

Friedhelm Julius Beucher hat einst für die SPD im Deutschen Bundestag gesessen und war Vorsitzender des Sportausschusses. Der frühere Lehrer ist ein politischer Mensch, der sich den Werten der Demokratie verpflichtet sieht. Für ihn bedeutet das nicht, seinen Sportlern einen Boykott nahezulegen. "Wir vom DBS sind davon überzeugt, dass Boykottmaßnahmen nichts bewirken, außer dass ich den Sportlern die Chance raube, zu zeigen, was sie sich vier Jahre lang erarbeitet haben. Da würden Welten zusammenbrechen. Wir wollen uns auch nicht an einer Drohgebärden-Spirale beteiligen", sagt Beucher. Außerdem hat er sich von der Bundesregierung absichern lassen, dass es keine Gefährdung für die Athleten in Sotschi und Krasnaja Poljana gebe. "Wir sind hier ganz offensichtlichen in einer abgeschotteten Enklave. Das ist eine eigene Welt. Wir haben unser Befinden auf das sogenannte mulmige Gefühl und das Besorgtsein reduziert."

Allerdings richtet er grundsätzliche Kritik an die russischen Spiele-Gastgeber. "Das ist ein Frevel an Mensch und Natur, was die Russen hier in das Tal von Krasnaja Poljana reingeknallt haben. Man muss nicht hier wohnen, um das zu erkennen", sagt Beucher und stellt die aktuelle Vergabe-Politik des Internationalen Olympischen Komitees infrage: "Ich kann dem IOC nur dringend raten, künftig nicht nur Kriterien der Machbarkeit bei der Vergabe von Spielen zu berücksichtigen, sondern auch sogenannte weiche Kriterien. Dazu gehört auch Nachhaltigkeit, und zwar nicht als Lippenbekenntnis. Man kann nicht sehenden Auges Frevel an Mensch und Natur zur Kenntnis nehmen und andere Bewerber, die solche Themen wichtig nehmen, verprellen. Und ohne einer gewissen Idealisierung das Wort zu geben: Bei einer Vergabe von Großveranstaltungen muss man auch die Stabilität und die Demokratie-Festigkeit eines Bewerberstaates berücksichtigen."

Genau das hat in den vergangenen Jahren nicht funktioniert. Russland ist nicht der einzige autokratische Staat, der sich mit viel Geld und prachtvollen Bauten Weltsportereignisse zu Werbezwecken ins Land holte. Aber Beucher sagt: "Thomas Bach hat als IOC-Präsident eine Riesenchance, die olympische Charta derart zu leben, dass Olympische und Paralympische Spiele wirklich Friedensspiele werden." Beucher fügt hinzu: "Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das IOC zu einem Land sagt: Du brauchst dich nicht zu bewerben, weil du Nachhaltigkeit und demokratische Strukturen nicht wichtig genug nimmst."

An seinen obersten Gastgeber während der Paralympics gerichtet, sagt Beucher: "Wenn das, was Putin jetzt in der Ukraine tut, völkerrechtswidrig ist, fordere ich ihn dazu auf, dass er das einstellt." Und gesteht zu, dass es den russischen Präsidenten eher nicht beeindrucken wird, "wenn ein kleiner nationaler Verbandspräsident das sagt".

Das vollständige Interview lesen Sie in der Donnerstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung oder auf dem iPad.

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