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Posse in der DTM:Wasser marsch im Overall

Pure Freude oder plumper Betrug? Weil ihm der eigene Vater zu nahe kam, wird dem DTM-Piloten Matthias Ekström der Sieg am Norisring aberkannt. Vater Ekström kippte seinem Sohn bei der Jubelfeier Wasser in den Rennanzug - und hat damit womöglich das Gesamtgewicht manipuliert.

Von Johannes Knuth, Nürnberg

"Kleinkariert", das war noch der freundlichste Ausdruck, der am Tag danach durch die sozialen Netzwerke schwirrte, nach dem Rennen der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) am Sonntag am Norisring. Die übrigen Unmutsbekundungen reichten von "Kindergarten" über "Schwachsinn" bis hin zur "Deutschen Trottel Meisterschaft". So vielfältig die Schmähungen, in einem Punkt waren sich die meisten Anhänger einig: Man werde die DTM nun boykottieren.

Die DTM hat eine Posse an der Backe, ausgelöst von einer Wasserflasche. Audi-Pilot Mattias Ekström, 35, hatte am Sonntag das Rennen auf dem Nürnberger Stadtkurs gewonnen. Euphorisiert taumelte er durch den Parc fermé. Dort parken die Fahrer ihre Autos, um sie anschließend von den Regelhütern überprüfen zu lassen, zum Beispiel aufs Gewicht. Die Regeln im Parc fermé sind strikt, sie sind vermutlich zahlreicher als in mancher deutschen Behörde.

Die Fahrer dürfen nicht an ihren Autos herumbasteln, sie dürfen auch sonst nichts zu sich nehmen, das könnte das Wiegen verfälschen. Ekström hielt sich am Sonntag an diese Regeln, sein Anhang weniger. Während der 35-Jährige die Mechaniker umarmte, die hinter der Absperrung ausharrten, schob Ekströms Vater einen Fotografen beiseite, bis er sich zu seinem Sohn durchgekämpft hatte. Ekström senior griff nach der Hosentasche von Ekström junior, öffnete sie mit der einen Hand, mit der anderen stopfte er eine Wasserflasche hinein, versenkte die Flasche - dann drückte er sekundenlang das Wasser aus der Flasche in die Tasche.

Ein Regelverstoß? Pure Freude? Pure Dummheit? Plumper Betrug?

Regelverstoß, urteilten die Regelwächter des Deutschen Motorsportbunds (DMSB) am Sonntag - nach sechsstündiger Beratung, und nachdem man die Szene im Fernsehen selbst entdeckt habe, sagte DMSB-Sprecher Michael Kramp. Regel 44.1 besage, "dass am Fahrzeug im Parc fermé nichts verändert werden darf", so Kramp. Und weil ein Fahrzeug laut DTM-Bestimmungen aus Auto und Fahrer bestehe, habe Ekströms Vater durch seine Wasserspende das Gesamtpaket manipuliert.

Es sei dabei völlig egal, sagt Krampe, ob sich das Wasser beim anschließenden Wiegen auf das Gesamtgewicht ausgewirkt habe oder nicht. Oder ob Ekström senior unwissentlich gehandelt habe, im Freudentaumel, wie Ekström junior vermutete ("Das hat er vielleicht nicht gerafft"). Entscheidend sei, so Krampe, dass Ekströms Vater seinen Sohn sekundenlang bewässert habe. Was Audis DTM-Leiter Dieter Gass ein wenig anders sah: "Wir werden das nicht hinnehmen und mit allen Mitteln dagegen vorgehen", sagte er.

Die DTM steuert auf eine wochenlange Regeldebatte zu. Audi protestierte am Sonntag gegen das Urteil. Der Rennstall hat eine Woche lang Zeit, um seinen Einspruch schriftlich zu begründen. Dann diskutiert das Berufungsgericht, über die Begründung, über Termine für eine mögliche Verhandlung. Ob eine Entscheidung vor dem nächsten DTM-Rennen Anfang August in Moskau fällt, ist ungewiss. Bis dahin besetzt Mercedes-Pilot Robert Wickens/Kanada kommissarisch das Amt des Norisring-Siegers 2013.

Derweil droht eine weitere Debatte. Audi-Pilot Mike Rockenfeller hatte am Sonntag die alleinige Führung in der Fahrerwertung übernommen, nach einer Aufholjagd von Platz 21 auf Rang vier. Einige Konkurrenten hatten dem 29-Jährigen auf Geheiß der Rennleitung Platz machen müssen, im direkten Duell - weil Rockenfeller mehr Boxenstopps absolviert hatte. Möglich machte das eine 2008 implementierte Regel. "Das macht keinen professionellen Eindruck", sagte Timo Glock dem Internetdienst Motorsport-Magazin.com. Der BMW-Fahrer warnt: "Wenn die DTM nicht aufpasst, fängt man an, sich lächerlich zu machen."

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SZ vom 16.07.2013/ebc
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