Portugals Verteidiger Pepe:Gereizt von deutschen Nervensägen

World Cup 2014 - Germany vs Portugal

Leichte Meinungsverschiedenheiten: Pepe (li.) und Thomas Müller

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Er gilt als der Höllenhund des modernen Fußballs, jetzt könnte die WM für Portugals Pepe schon nach dem ersten Spiel vorbei sein: Von Thomas Müller lässt er sich so sehr reizen, dass er die Nerven verliert. Trainer Bento sucht die Schuld bei einem Dritten.

Von Jonas Beckenkamp

Wer es gut mit dem Fußballer Pepe hält, könnte nun anmerken: Er hat es sicher nicht so gemeint. Ihm sind die Nerven durchgegangen. Böse ist der nicht, der Pepe doch nicht! Der Portugiese war einfach gereizt von der Hitze, vom Spielverlauf und von diesen Nervensägen aus der deutschen Pressing-Abteilung. Doch leider existiert auf diesem Planeten kaum ein Profi, dem ein so miserabler Ruf vorauseilt wie dem galligsten aller Verteidiger. Pepe ist wieder einmal vom Platz geflogen. Er bettelte darum - anders lässt sich nicht beschreiben, was beim 4:0-WM-Auftakt der DFB-Elf in jener 37. Minute passierte.

Kurz zurückgespult: Die Partie gegen die Deutschen nahm für Pepe und Co. einen solch desaströsen Anfang, dass sie wohl nichts gegen ein plötzliches Jahrhundert-Unwetter und einen anschließenden Spielabbruch gehabt hätten. Erst der durchaus diskutable Elfmeter, den Müller zum 1:0 nutzte, dann die Erkenntnis, dass die Deutschen mittlerweile auch Tore nach Ecken können - 2:0. Als Mats Hummels den Ball per Kopf ins Tor rammte, begleitete ihn Pepe ins Luftduell. Er verlor es, als hätte er Blei an den Sohlen getragen.

Pepe, der Höllenhund mit dem Schlächter-Ruf, erwischte einen dieser Tage, an denen auch die Härtesten blöd aussehen. Der Halbzeitpfiff stand kurz bevor, da geriet der Mann von Real Madrid in die nächste Verlegenheit. Thomas Müller piesackte ihn im Spielaufbau mit einer giftigen Aktion aus der Rubrik "frühes Stören". Müller stocherte, Pepe versuchte, sich den DFB-Angreifer wie eine Schmeißfliege vom Leib zu halten. Dann folgte der erste Wischer.

Pepes Hand schnellte Müller ins Gesicht. Eine Ausholbewegung im Lauf? Eine Tätlichkeit? Ein Versehen? Müller langte sich jedenfalls schmerzverzerrt an die Schläfe. Pepe hätte den Freistoß für die Deutschen einfach hinnehmen und den Tatort verlassen können - doch er hatte mit seinem Widersacher noch etwas zu klären.

Pepe bückte sich, ein Kontakt, ein Hieb mit dem Kopf, dann schoss Müller empor. Zwei rotwürdige Attacken binnen weniger Sekunden - Pepe hatte wieder einmal tief in der Dummheiten-Kiste gewühlt. Dass Müller nicht seine gute Kinderstube vergaß und sich lediglich verbal zur Wehr setzte, ist schon erstaunlich. "Was willst du denn", war von seinen Lippen zu lesen, als er Pepe anplärrte wie einen Falschparker im Großstadt-Stau.

"Ich möchte nichts über den Schiedsrichter sagen"

Der Übeltäter war schnell ermittelt, Schiedsrichter Milorad Mažić schickte den Portugiesen mit brasilianischen Wurzeln von dannen: Rot. "Im Laufduell habe ich eine Hand ins Gesicht bekommen, dann bin ich zu Boden gegangen. Er kam auf mich zu, und nach unten", erklärte Müller den Anfang der Szene, "dann gerieten wir Kopf an Kopf und es kam auch schon der Schiedsrichter." Es war kein bösartiger Schwinger Pepes, aber doch ein plumper Stupser. Über die Beweggründe konnte der Deutsche nur spekulieren. "Warum Pepe auf mich zugeht, das weiß ich nicht. Das wird auch sein Geheimnis bleiben."

Während im deutschen Lager Einigkeit über den Platzverweis herrschte, sahen die Portugiesen die Sache naturgemäß anders. "Ich möchte nichts über den Schiedsrichter sagen", sagte Trainer Paulo Bento, um dann doch ein paar Gedanken loszuwerden: "Es gab in der ersten Hälfte zwei Entscheidungen, in denen der Referee klar Einfluss auf das Spiel nahm. Der Elfmeter und auch der Feldverweis waren erzwungene Aktionen der Deutschen. Das hat uns die erste Halbzeit vermasselt."

Dass es wieder einmal Pepe erwischte, konnte der 44-Jährige nicht nachvollziehen. Als ihn ein englischer Reporter auf der Pressekonferenz nach dem Imageproblem seines Verteidigers fragte, antwortete Bento voller Unverständnis: "Ich weiß nicht, warum alle glauben, er habe so einen schlechten Ruf."

Das wiederum könnte den bisher zwölf Hinausstellungen in der Pepe'schen Profikarriere bei Klubs wie Real Madrid (sechs), Porto (zwei) und Maritimo (vier) geschuldet sein. Unvergessen seine Aktion in einem der Clásicos 2012 gegen Barcelona, als er Lionel Messi mit den Stollen auf die flache Hand trampelte. Oder als er 2009 nach einem Platzverweis wegen einer Rangelei mit Getafe ein deftiges "Ihr seid doch alle Hurensöhne" in Richtung des vierten Schiedsrichters schmetterte. Nein, ein Chorknabe war dieser Pepe noch nie.

Jetzt hat sich der 31-Jährige die erste rote Karte im Nationalteam erstänkert. Ob er bei dieser WM wieder zum Einsatz kommt, hängt auch davon ab, ob die Portugiesen die nächste Runde packen. Zwei Spiele Sperre erwarten ihn wohl - mindestens. Wer es gut mit Pepe meint, würde sagen: Hoffentlich geht es nicht noch einmal gegen diese Quälgeister aus Deutschland.

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