Nach der ersten Ecke der Tschechen kam der Verdacht auf, Cristiano Ronaldo hätte seine Haare diesmal nach praktischem Nutzen gekämmt. Das ist ja immer die erste Frage eines Ronaldo-Spiels: Wie liegen die Haare? Zuletzt gegen Holland hatte er seine Frisur in der Halbzeitpause sogar gewechselt. Diesmal begann Cristiano Ronaldo mit einem Schopf à la Al Pacino im Film Der Pate: streng nach hinten gegelt. Die erste Ecke der Tschechen klärte er damit, dass er den Ball über seine Haare flutschen ließ und das Gel den Flug vermutlich noch beschleunigte.
Am Ende siegte der portugiesische Dandy gegen die bärtigen Tschechen. Nachdem er zuvor bereits einige gute Möglichkeiten ausgelassen hatte, köpfte Cristiano Ronaldo nach 79 Minuten das entscheidende Tor zum 1:0 für Portugal. Danach lief er jubelnd umher und als in dem Tumult seine Frisur drohte aus der Fassung zu geraten, strich er sicherheitshalber noch mal drüber.
Es sah mitunter aus, wie eine Treibjagd der Zausel hinter dem Schönling. Die Portugiesen hatten ja wirklich nichts zu bieten in der Offensive, außer den Ball auf Ronaldo passen und hoffen, dass dieser den Ball irgendwie ins Tor wuchtet. Und auch Ronaldo hatte nur diese Idee: Gebt mir den Ball und ich wuchte ihn ins Tor.
Im Laufe der ersten Halbzeit sprintete er einmal mit seinem typisch abgehackten Laufstil Richtung tschechischen Strafraum zu, als sich plötzlich fünf Männer in roten Trikots auf ihn stürzten. Wenn er sich am Flügel aufhielt, orientierten sich immerhin drei Tschechen zu ihm. Doch trotz dieser Mehrfach-Betreuung verdeutlichte Cristiano Ronaldo, dass er eben nicht nur die Haare schön trägt, sondern auch einer der besten Stürmer dieses Planeten ist.
Nach 25 Minuten noch wurde er von Schiedsrichter Howard Webb zurückgepfiffen wegen Foulspiels. Dann flog er quer durch die Luft, nachdem ihm Pepe den Ball zugelupft hatte, der Fallrückzieher-Versuch landete neben dem Tor. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit versetzte er dann zwei Tschechen im Strafraum und traf den Pfosten.
Schon wieder die Ronaldo-Western-Show
Ronaldos Fußballkunst ist teilweise so atemberaubend, eigentlich dürften ihm nur Bewunderung und Verehrung entgegenschlagen. Die kleine portugiesische Schar im Stadion stimmte auch einmal ein "Cristiano-Ronaldo"-Lied an. Doch das Grüppchen wurde locker überstimmt von all jenen im Stadion, die den Portugiesen wegen seiner Egozentrik und Theatralik eben nicht bewundern. Sondern ihn auspfeifen, wann immer am Ball ist. Besonders dann, wenn er seine Freistoß-Show abzieht, die Western-von-gestern-Show mit den ausladenden Schritten und den Händen am Colt.
Nach der Pause beantwortete Ronaldo erst einmal die zweite Mode-Frage des Abends: Bleiben die Haare hinten oder kämen in der Kabine Haarkleister und Kamm zum Einsatz? Antwort: Die Halbzeitpause eines EM-Viertelfinals ist offenbar nicht einmal für Cristiano Ronaldo die Zeit für Schönheitsmaßnahmen.
Kurz darauf aber wurde aus dem Spiel seine Bühne: Zweimal gab es Freistoß, zweimal die Ronaldo-Western-Show, zweimal buhten auch die neutralen Polen. Doch ihm ist das egal, den zweiten Versuch setzte er an den Außenpfosten (49.). Dann schoss er das Tor.
"Wir waren die bessere Mannschaft, wir haben verdient gewonnen", sagte Ronaldo: "Wenn wir weiter das tun, was nötig ist, können wir alles erreichen. Wir haben das Halbfinale erreicht, das ist ein Traum. Aber wir werden weiter für unseren ganz großen Traum arbeiten"
Diese portugiesische Mannschaft ist abhängig vom Schönling mit dem Colt, so abhängig wie keine andere verbliebene Elf von einem ihrer Spieler. Ronaldo weiß das, weshalb er bei jeder misslungenen Aktion natürlich einen Mitspieler dafür verantwortlich macht. Ronaldo, einen Fehler? Auf keinen Fall! Er kann, er darf nur der Held sein, ohne dass auch nur ein Haar falsch liegt. Das Viertelfinale der EM war so ein Abend.